Von Arno Orzessek
Die überregionalen Zeitungen besprechen Robert Redfords neuen Film "Von Löwen und Lämmern". Das im Gefängnislager Guantanamo entstandene Gedichtsband "Poems from Guantanamo" wird in der "Süddeutschen Zeitung" vorgestellt und die "Welt" berichtet vom New Yorker Festival "Berlin in Lights".
Es ist die Königsdisziplin des Feuilletons, die Lage der Welt auf geschmeidige Begriffe zu bringen, was natürlich am kunstvollsten durch die Interpretation eines Kunstwerks geschieht - so geschehen am Wochenanfang mit Robert Redfords neuem Film "Von Löwen und Lämmern".
"Redford ist und bleibt ein amerikanischer Archetyp, liberal und bodenständig, aber weltläufig und beweglich","
lobte in der Süddeutschen Zeitung Fritz Göttler und wusste auch, gegen welchen anderen amerikanischen Archetyp das Werk antritt.
""Das Feindbild ist der ’man in the air conditioned room’, der Funktionär, der nie an der Front ist, die Drückeberger-Generation von Bush und Cheney, die hemmungslos neue Kriege andenkt."
Wegen eben dieser - aus seiner Sicht allzu simplen - Botschaft beurteilte Diedrich Diederichsen in der Tageszeitung den Redford-Film eher abfällig:
"Er möchte die Welt mit ihrem individualistischen Lärm, ihren wirren Lifestyles, die Demokratie im Zeitalter maximaler Unterwerfung unter die Privatwirtschaft und die ganze USA mit ihrem durchgeknallten Mix aus Glauben, Ideologie, Lethargie und Skepsis herauskürzen, um auf eine klare Formel zu kommen, mit der man anschreiben kann, was schief läuft","
so Diederichsen in der Tageszeitung. Hanns-Georg Rodek in der Welt regte sich ebenfalls über die ""Pro und Contra-Attitüde bei Redford" auf und urteilte:
"Gegen Bush zu sein ist noch keine Lösung."
Es ist jedoch eine Haltung, die für die amerikanische Kulturkritikerin Naomi Wolf selbstverständlich ist.
"Bush ist wie Hitler - oder jedenfalls ein bisschen","
provozierte die Süddeutsche Zeitung in der Überschrift eines Interviews, in dem Wolf betont, dass Hitler-Bush-Vergleiche ihr durchaus zustehen.
""Ich würde mich sehr aufregen, wenn Sie als Deutscher daherkämen und mir erzählen würden, dass es in Amerika wie im Dritten Reich zugeht. Ich kann das sehr wohl. Und ich bin als Jüdin mit einer Familiengeschichte in Europa sogar dazu verpflichtet."
Ob Wolf auch Guantanamo mit KZs vergleichen würde, geht aus dem Interview nicht hervor.
Indessen kann man sich von den Zuständen in dem Gefangenlager dank des Bandes "Poems from Guantanamo", herausgegeben von Marc Falkhoff, ein neues, durch Wortkunst vermitteltes Bild machen. Stefan Weidner resümierte in der SZ:
"Das vorliegende Buch ist ein Phänomen, nicht weil selbst in Guantanamo Poesie entstanden ist, sondern weil uns kaum etwas anderes übrig bleibt, als uns für diese Geschichte zu interessieren, wenn wir den Zivilisationsbruch, den ein solches Lager darstellt, nicht billigend in Kauf nehmen wollen."
Auf die Mehrheit der Amerikaner sollte man nicht setzen, wenn man George W. für einen großen Schurken hält, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Während "der Zauberer im Weißen Haus" einen "neuen Hitler" aus dem Zylinder ziehe, "der jetzt nicht mehr Saddam Hussein, sondern Mahmud Ahmadineschad heißt", hätten jene, die nicht zu den Kriegsbefürwortern gehören, längst resigniert.
"Proteste nützen nichts, der Präsident tut doch, was ihm die Vorsehung auferlegt","
so die FAZ über innere Monologe der verzweifelten Bush-Gegner.
Und Deutschland - bei soviel Anklage gegen Amerika?
""Deutschland, Deutschland über alles","
betitelte die Welt ihren Bericht vom New Yorker Festival "Berlin in Lights". Regisseur Volker Schlöndorff hat am Big Apple die verfemte erste Strophe des Hoffmann-von-Fallersleben-Lieds zitiert - und dabei von dem ""patriotischen Impuls" berichtet, den er als junger Mann durch französische Deutschland-Klischees erhalten hat. Er wollte, so die Welt, allen zeigen,
"dass Deutsche auch nach 1945 gute Filme machen können."
Schlöndorff hat es bewiesen und damit belegt, dass nationale Klischees - in diesem Fall anti-deutsche - bisweilen produktiv sein können.
Mit antisemitischen Klischees - darunter demjenigen, dass die Juden die Weltherrschaft anstreben - hat sich Henryk M. Broder vor Gericht auseinandergesetzt. Er gewann in zweiter Instanz den Prozess gegen den jüdischen Verleger Abraham Melzer und dessen Autor Hajo Meyer. Das Frankfurter Oberlandesgericht hielt fest, dass es jüdischen Antisemitismus durchaus geben kann, und der Tagesspiegel fasste zusammen:
"Henryk Broder darf beide ’Kapazitäten für angewandte Judäophobie’ nennen und erklären, sie hätten ’den Adolf gemacht’. Nur die Äußerung der Ansicht, Melzer fülle ein Lücke mit ’braunem Dreck’ wurde ihm untersagt."
Einem Prozess wegen Volksverhetzung sieht auch das Magazin Vanity Vair entgegen. Der Historiker Arno Lustiger hat Chefredakteur Ulf Poschardt und Herausgeber Bernd Runge wegen der Veröffentlichung eines Interviews angezeigt, dass Michel Friedmann mit dem Rechtsextremisten Horst Mahler geführt hat. Der Tagesspiegel zitiert aus der überaus kecken Stellungnahme von Vanity Vair:
"Wir veröffentlichen dieses Interview, weil wir glauben, dass es eine bessere Bloßstellung der deutschen Rechtsextremen nie gegeben hat - auch wenn Mahler darin Dinge sagt, die in Deutschland verboten sind: Er leugnet den Holocaust und benutzt den Hitler-Gruß."
Bisher noch nicht vor Gericht gezogen sind immerhin die geistigen Kohorten, die sich seit der Büchner-Preisrede von Martin Mosebach zur Gaudi aller Liebhaber der Diffamierung beharken.
"Mosebach insinuiert, im Anspruch auf soziale Gerechtigkeit liege der Ursprung für die totalitäre Gefahr","
fasste in der Tageszeitung Albrecht von Lucke seine Sicht der Dinge zusammen und steckte flugs Martin Mosebach, Bild-Chef Kai Diekmann und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel in einen Sack, auf dem "Reaktion" steht:
""Untergründig arbeiten alle drei an der Rehabilitierung der Vormoderne samt ihren Klassenstrukturen."
Ähnlich starken Tobak, wie diesen in der Tageszeitung, nahm in der Süddeutschen Zeitung der stets debattenfreudige Thomas Steinfeld aufs Korn, als er der Debattensehnsucht der Deutschen am Beispiel Mosebach ein vernichtendes Urteil ausstellte:
"In der Leichtigkeit, mit der sich hier mehr oder weniger wilde Assoziationen zu einer Verschwörungstheorie fügen, verbirgt sich auch der Verzicht auf alle gedankliche Konsequenz. Und dieser Verzicht scheint zur Gewohnheit zu werden."
Dazu noch einmal die Welt und Volker Schlöndorff im Duett:
"Deutschland, Deutschland über alles."
"Redford ist und bleibt ein amerikanischer Archetyp, liberal und bodenständig, aber weltläufig und beweglich","
lobte in der Süddeutschen Zeitung Fritz Göttler und wusste auch, gegen welchen anderen amerikanischen Archetyp das Werk antritt.
""Das Feindbild ist der ’man in the air conditioned room’, der Funktionär, der nie an der Front ist, die Drückeberger-Generation von Bush und Cheney, die hemmungslos neue Kriege andenkt."
Wegen eben dieser - aus seiner Sicht allzu simplen - Botschaft beurteilte Diedrich Diederichsen in der Tageszeitung den Redford-Film eher abfällig:
"Er möchte die Welt mit ihrem individualistischen Lärm, ihren wirren Lifestyles, die Demokratie im Zeitalter maximaler Unterwerfung unter die Privatwirtschaft und die ganze USA mit ihrem durchgeknallten Mix aus Glauben, Ideologie, Lethargie und Skepsis herauskürzen, um auf eine klare Formel zu kommen, mit der man anschreiben kann, was schief läuft","
so Diederichsen in der Tageszeitung. Hanns-Georg Rodek in der Welt regte sich ebenfalls über die ""Pro und Contra-Attitüde bei Redford" auf und urteilte:
"Gegen Bush zu sein ist noch keine Lösung."
Es ist jedoch eine Haltung, die für die amerikanische Kulturkritikerin Naomi Wolf selbstverständlich ist.
"Bush ist wie Hitler - oder jedenfalls ein bisschen","
provozierte die Süddeutsche Zeitung in der Überschrift eines Interviews, in dem Wolf betont, dass Hitler-Bush-Vergleiche ihr durchaus zustehen.
""Ich würde mich sehr aufregen, wenn Sie als Deutscher daherkämen und mir erzählen würden, dass es in Amerika wie im Dritten Reich zugeht. Ich kann das sehr wohl. Und ich bin als Jüdin mit einer Familiengeschichte in Europa sogar dazu verpflichtet."
Ob Wolf auch Guantanamo mit KZs vergleichen würde, geht aus dem Interview nicht hervor.
Indessen kann man sich von den Zuständen in dem Gefangenlager dank des Bandes "Poems from Guantanamo", herausgegeben von Marc Falkhoff, ein neues, durch Wortkunst vermitteltes Bild machen. Stefan Weidner resümierte in der SZ:
"Das vorliegende Buch ist ein Phänomen, nicht weil selbst in Guantanamo Poesie entstanden ist, sondern weil uns kaum etwas anderes übrig bleibt, als uns für diese Geschichte zu interessieren, wenn wir den Zivilisationsbruch, den ein solches Lager darstellt, nicht billigend in Kauf nehmen wollen."
Auf die Mehrheit der Amerikaner sollte man nicht setzen, wenn man George W. für einen großen Schurken hält, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Während "der Zauberer im Weißen Haus" einen "neuen Hitler" aus dem Zylinder ziehe, "der jetzt nicht mehr Saddam Hussein, sondern Mahmud Ahmadineschad heißt", hätten jene, die nicht zu den Kriegsbefürwortern gehören, längst resigniert.
"Proteste nützen nichts, der Präsident tut doch, was ihm die Vorsehung auferlegt","
so die FAZ über innere Monologe der verzweifelten Bush-Gegner.
Und Deutschland - bei soviel Anklage gegen Amerika?
""Deutschland, Deutschland über alles","
betitelte die Welt ihren Bericht vom New Yorker Festival "Berlin in Lights". Regisseur Volker Schlöndorff hat am Big Apple die verfemte erste Strophe des Hoffmann-von-Fallersleben-Lieds zitiert - und dabei von dem ""patriotischen Impuls" berichtet, den er als junger Mann durch französische Deutschland-Klischees erhalten hat. Er wollte, so die Welt, allen zeigen,
"dass Deutsche auch nach 1945 gute Filme machen können."
Schlöndorff hat es bewiesen und damit belegt, dass nationale Klischees - in diesem Fall anti-deutsche - bisweilen produktiv sein können.
Mit antisemitischen Klischees - darunter demjenigen, dass die Juden die Weltherrschaft anstreben - hat sich Henryk M. Broder vor Gericht auseinandergesetzt. Er gewann in zweiter Instanz den Prozess gegen den jüdischen Verleger Abraham Melzer und dessen Autor Hajo Meyer. Das Frankfurter Oberlandesgericht hielt fest, dass es jüdischen Antisemitismus durchaus geben kann, und der Tagesspiegel fasste zusammen:
"Henryk Broder darf beide ’Kapazitäten für angewandte Judäophobie’ nennen und erklären, sie hätten ’den Adolf gemacht’. Nur die Äußerung der Ansicht, Melzer fülle ein Lücke mit ’braunem Dreck’ wurde ihm untersagt."
Einem Prozess wegen Volksverhetzung sieht auch das Magazin Vanity Vair entgegen. Der Historiker Arno Lustiger hat Chefredakteur Ulf Poschardt und Herausgeber Bernd Runge wegen der Veröffentlichung eines Interviews angezeigt, dass Michel Friedmann mit dem Rechtsextremisten Horst Mahler geführt hat. Der Tagesspiegel zitiert aus der überaus kecken Stellungnahme von Vanity Vair:
"Wir veröffentlichen dieses Interview, weil wir glauben, dass es eine bessere Bloßstellung der deutschen Rechtsextremen nie gegeben hat - auch wenn Mahler darin Dinge sagt, die in Deutschland verboten sind: Er leugnet den Holocaust und benutzt den Hitler-Gruß."
Bisher noch nicht vor Gericht gezogen sind immerhin die geistigen Kohorten, die sich seit der Büchner-Preisrede von Martin Mosebach zur Gaudi aller Liebhaber der Diffamierung beharken.
"Mosebach insinuiert, im Anspruch auf soziale Gerechtigkeit liege der Ursprung für die totalitäre Gefahr","
fasste in der Tageszeitung Albrecht von Lucke seine Sicht der Dinge zusammen und steckte flugs Martin Mosebach, Bild-Chef Kai Diekmann und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel in einen Sack, auf dem "Reaktion" steht:
""Untergründig arbeiten alle drei an der Rehabilitierung der Vormoderne samt ihren Klassenstrukturen."
Ähnlich starken Tobak, wie diesen in der Tageszeitung, nahm in der Süddeutschen Zeitung der stets debattenfreudige Thomas Steinfeld aufs Korn, als er der Debattensehnsucht der Deutschen am Beispiel Mosebach ein vernichtendes Urteil ausstellte:
"In der Leichtigkeit, mit der sich hier mehr oder weniger wilde Assoziationen zu einer Verschwörungstheorie fügen, verbirgt sich auch der Verzicht auf alle gedankliche Konsequenz. Und dieser Verzicht scheint zur Gewohnheit zu werden."
Dazu noch einmal die Welt und Volker Schlöndorff im Duett:
"Deutschland, Deutschland über alles."