Von Aschenbach bis Zeitblom (2)

Von Joachim Scholl · 08.08.2005
Zu seinem 50. Todestag stellen wir das Werk des Schriftstellers Thomas Mann von A bis Z vor. Diesmal geht es um Hanno, letzter Spross der Buddenbrooks in Manns gleichnamiger Familiensaga. Diesen Hanno lässt der Autor kalt an Typhus sterben.
Lübeck, April 1861, im Hause Buddenbrook wird gefeiert...

"Taufe... Taufe in der Breiten Straße. Nebenan im Saale, vor einem als Altar verkleideten, mit Blumen geschmückten Tischchen, hinter dem in schwarzem Ornat und schneeweißer, gestärkter, mühlsteinartiger Halskrause ein junger Geistlicher spricht, hält eine reich in Rot und Gold gekleidete, große, stämmige Person ein kleines, unter Spitzen und Atlasschleifen verschwindendes Etwas auf ihren schwellenden Armen... ein Erbe. "Ein Stammhalter! Ein Buddenbrook! Begreift man, was das bedeutet?""

Leider nicht das, was Tante Antonie sich erwartet, denn dieser Täufling Justus Johann Kaspar wird der letzte Buddenbrook sein, früh muss er zugrunde gehen, und damit ist der "Verfall einer Familie" komplett. So heißt es im Untertitel von "Buddenbrooks", Thomas Manns erstem Roman und Paukenschlag, der seinen Weltruhm begründete und ihm 1929 den Nobelpreis eintrug.

Der kleine Hanno ist der Spätling der Kaufmanns-Sippe. Blass und schwächlich, oft krank, entwickelt er überhaupt keine praktischen Neigungen. Lieber spielt er Klavier und träumt, sehr zum Unwillen seines Vaters, des Senators Thomas Buddenbrooks, der in seinem Sohn bald den eigenen Untergang erahnt. Eines Tages nämlich nimmt sich Hanno das Familien-Stammbuch und zieht unter seinen Namen einen Strich – der Senator ist fassungslos...

"Was ist das. Woher kommt das. Hast du das getan?" Hanno muss sich einen Augenblick besinnen, ob er es getan habe: "Ja." "Was heißt das? Was ficht dich an! Antworte! Wie kommst du zu diesem Unfug?" "Ich glaubte...ich glaubte...es käme nichts mehr..."

Stimmt. Kalt wird der Autor den Hanno an Typhus sterben lassen, in einem der berühmtesten Kapitel; Thomas Mann hatte die Symptome einfach aus einem Lexikon abgeschrieben. Noch heute staunen die Experten, mit welcher Sicherheit ein 25-Jähriger diese große Familien-Saga schreiben konnte, "ein Wunder" sagen manche. Sie haben Recht.

Rückblick Folge (1):

Gustav Aschenbach aus "Der Tod in Venedig" (1)
Blick in das "Landschaftszimmer" im Buddenbrookhaus in Lübeck
Blick in das "Landschaftszimmer" im Buddenbrookhaus© AP
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