Von Aschenbach bis Zeitblom (7)

Von Joachim Scholl |
Zum 50. Todestag von Thomas Mann stellen wir Figuren aus dem Werk des Schriftstellers von A bis Z vor. Diesmal geht es um Felix Krull, den Hochstapler, der alle hereinlegt und sich frech und vergnügt durchs Leben schlägt.
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull:
" Mein Gesicht verzerrte sich – aber damit ist wenig gesagt. Es verzerrte sich auf eine meiner Meinung nach völlig neue und schreckenerregende Art, so, wie keine menschliche Leidenschaft, sondern nur teuflischer Einfluss und Antrieb ein Menschenantlitz verzerren kann. Meine Züge wurden buchstäblich nach allen vier Seiten, nach oben und unten, rechts und links auseinandergesprengt, um gleich darauf wieder gegen die Mitte zusammenzuschrumpfen; ein abscheulich einseitiges Grinsen zerriss danach meine linke, dann meine rechte Wange..."

Hat Thomas Mann je eine berühmtere Szene geschrieben? Selbst für Nicht-Leser hat Horst Buchholz im Film diesen Felix Krull unsterblich gemacht, wie er vor der Musterungskommission einen epileptischen Anfall markiert, um sich vor dem Militär zu drücken.

Thomas Mann war fast achtzig Jahre alt, als die "Bekenntnisse" jenes Hochstaplers und Gauners Krull 1954 erschienen, es wurde sein witzigstes und, neben den "Buddenbrooks", sein populärstes Buch. Zeitgenossen berichten, welch geradezu diebisches Vergnügen der alte Herr empfand, daraus vorzulesen.

"Der Oberstabsarzt war zurückgetreten, noch immer das Wasserglas in der Hand. "Sind Sie bei Sinnen?", fragte er mit einer Mischung von Ärgerlichkeit und Teilnahme in der Stimme... "Zu Befehl, Herr Kriegsarzt", erwiderte ich in diensteifrigem Tone. "Und bewahren Sie eine Erinnerung an das eben Durchlebte?" "Ich bitte", war meine Erwiderung, "gehorsamst um Vergebung. Ich war einen Augenblick etwas zerstreut.""

Eigentlich ist "Felix Krull" ein historischer Roman, ganz im Zeitgeist des alten Europas vor den Kriegen. 1914 hat Thomas Mann damit begonnen, und alle seine frühen Themen finden sich im Buch: die Kunst im Widerspruch zum bürgerlichen Leben, als Schein und Hochstapelei, die Sehnsucht nach Liebe, aber auch der Traum vom unwiderstehlichen, schönen jungen Mann.

Im Werk Thomas Manns finden sich viele solcher Jünglinge, aber wie oft müssen sie leiden oder gar sterben. Felix Krull dagegen kommt leicht und frech daher, im Einklang mit sich und der Welt legt er alle herein, nicht nur Stabsärzte. Wie ein Künstler eben, der jedes Publikum beherrscht...

""Ausgemustert", sagte er, indem er das Wasserglas auf das Tischchen stellte, dorthin, wo auch sein Handwerkszeug, Meterband, Hörrohr und Hämmerchen, lagen. "Die Kaserne ist keine Heilanstalt", warf er noch über die Schulter gegen mich hin und wandte sich dann zu den Herren am Kommissionstisch. "


Rückblick Folge (1) bis (6):

Gustav von Aschenbach aus "Der Tod in Venedig" (1)
Hanno Buddenbrook aus "Buddenbrooks" (2)
Clawdia Chauchat aus "Der Zauberberg" (3)
Johannes Friedemann aus "Der kleine Herr Friedemann" (4)
Gregorius aus "Der Erwählte" (5)
Imma Spoelmann aus "Königliche Hoheit" (6)
Felix Krull aus "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" (7)