Von Aschenbach bis Zeitblom (8)

Von Joachim Scholl |
Zu seinem 50. Todestag stellen wir das Werk des Schriftstellers Thomas Mann von A bis Z vor. Im amerikanischen Exil entsteht sein düsterstes Buch. Es beschreibt das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, dessen Musik dissonanter Ausdruck von Leid und Unmenschlichkeit ist.
Thomas Mann: " Es ist die Stimme eines Freundes, eine deutsche Stimme, die Stimme eines Deutschlands, das der Welt ein anderes Gesicht zeigte und wieder zeigen wird als die scheußliche Medusen-Maske, die der Hitlerismus ihm aufgeprägt hat. Es ist eine warnende Stimme! "

Thomas Mann im amerikanischen Exil, über das Radio spricht er zu Hörern in Deutschland. In dieser schlimmsten Zeit von Krieg und Massenmord entsteht sein düsterstes Buch: "Doktor Faustus", das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde, heißt es im Untertitel.

Dieser Komponist Leverkühn wird zum Symbol, für das Ende der Kunst, für den Untergang Deutschlands, das sich mit dunklen Mächten eingelassen hat. Im Roman schließt Leverkühn den Pakt mit dem leibhaftigen Teufel: 24 Jahre Genialität ...

Thomas Mann, Lesung aus "Doktor Faustus": " Wir Deutschen haben aus der Philosophie die Redewendung 'an sich' übernommen und brauchen sie alle Tage, ohne uns viel Metaphysik dabei zu denken. Aber hier hast du’s, solche Musik ist die Tatkraft an sich, die Tatkraft selbst, aber nicht als Idee, sondern in ihrer Wirklichkeit."

Hier spricht der junge Adrian Leverkühn noch bewundernd über Beethovens "Fidelio", bald wird er ganz andere Musik komponieren, Musik, die nicht mehr "schön" klingt, sondern dissonanter Ausdruck von Leid und Unmenschlichkeit ist. Thomas Mann hat dazu die Zwölftontechnik von Arnold Schönberg benutzt, was viel Ärger schuf, Schönberg fühlte sich missverstanden, als der Roman 1947 erschien.

Für Musikkenner ist "Doktor Faustus" DAS Buch schlechthin. Hochanspruchsvoll, kompliziert, überfordert es bis heute so manchen Leser. Thomas Mann selbst sprach von einer "dämonischen" Autobiographie, in keinem anderen Werk habe er so viel von sich preisgegeben. Zwar entsprach die Musik Leverkühns überhaupt nicht seinem Geschmack. Aber Beethoven mochte er auch ...

Thomas Mann, Lesung aus "Doktor Faustus": " "Lieber Freund", sagte er, "wahrscheinlich hat man nicht auf mich gewartet, dass ich es feststelle, aber das ist ein vollkommenes Musikstück! Klassizismus, - ja; raffiniert ist es in keinem Zuge, aber es ist groß. Ich mag es nicht schön nennen, das Wort Schönheit war mir immer halb widerwärtig, es hat so ein dummes Gesicht, und den Leuten ist faul und lüstern zumut, wenn sie’s sagen. Aber es ist 'gut', gut im Extrem ... "

Extrem wird Leverkühns Ende sein, extrem war auch die Anspannung des Autors. Thomas Mann wurde schwer krank. "Das war kein Zufall", schrieb er an einen Freund, " es war das Buch, das mich verzehrte."


Rückblick Folge (1) bis (7):

Gustav von Aschenbach aus "Der Tod in Venedig" (1)
Hanno Buddenbrook aus "Buddenbrooks" (2)
Clawdia Chauchat aus "Der Zauberberg" (3)
Johannes Friedemann aus "Der kleine Herr Friedemann" (4)
Gregorius aus "Der Erwählte" (5)
Imma Spoelmann aus "Königliche Hoheit" (6)
Felix Krull aus "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" (7)