Von Audi bis Wanderer
Die Automobilindustrie steckt weltweit in der Krise. Passend zum möglichen Exitus einer revolutionären Idee, die die Menschheit nicht nur vorangebracht hat, ist nun eine internationale Automobil Enzyklopädie erschienen - eine DVD-ROM mit vielen schönen Bildern aus vergangenen Zeiten.
Irgendwann in möglicherweise gar nicht so ferner Zukunft werden vielleicht Außerirdische einen menschenleeren Planeten betreten und Schrottplätze entdecken, Autofriedhöfe und riesige Montagehallen vorfinden, und futuristische Gebäude, wie die BMW-Welt als gespenstische Ruinen - und sie werden sich wundern.
Vielleicht finden sie irgendwo auch die DVD-ROM "Die internationale Automobil Enzyklopädie". Und falls die Daten dann noch lesbar sein sollten, werden sie sich noch mehr wundern: So viele verschiedene Kästen auf vier Rädern, in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Kultgegenstände einer seltsamen Religion, werden sie denken.
Auf einer Welt - und einer Europakarte kann man sehen, wo die meisten Automobilunternehmen zu finden sind: in den USA und in Europa. Allein in Deutschland sind 26 verschieden Firmen verzeichnet, von A wie Audi über G wie Goliath und M wie Maybach bis zu W wie Wanderer: ursprünglich eine Fahrradmarke, die um 1900 Motorräder herstellte und 1905 mit dem Bau von Automobilen begann.
"Nach vielen Jahren des Experimentierens und Erprobens kam 1911 endlich der Wanderer Typ W1 auf den Markt. Die beiden Sitze des schmal gebauten Wagens waren hintereinander angeordnet - damals auch bei anderen Kleinwagen nicht ungewöhnlich. Der stabile und mit 70 km/h verhältnismäßig schnelle Tandem-Zweisitzer wurde ein großer Erfolg. Im Volksmund "Puppchen" genannt, wurde er bald in ganz Deutschland populär. Die Nachfrage überstieg sehr schnell die Liefermöglichkeiten."
Eine längst vergessene Erfolgsgeschichte. 1944 wurden die Fabrikanlagen in Siegmar nahe Chemnitz zerbombt, was noch funktionsfähig war, nahmen nach Kriegsende die Sowjets mit. Eine andere Erfolgsgeschichte ging 1991 zu Ende: der Trabant, 3.690.099 Stück wurden von ihm gebaut.
Ein Detail unter vielen - die Fülle der Daten auf der DVD-ROM ist wirklich beeindruckend: Knapp 9.000 Automarken aus mehr als 70 Ländern werden beschrieben, 13.000 Fotos von Fahrzeugen und Markenemblemen setzen die Autos ins rechte Bild. Stilikonen von Bugatti bis Jaguar.
Und Raritäten, wie das "Ecomobil" von 1982, ein Motorrad mit Vollverkleidung, Kofferraum und Stützrädern, die eingefahren wurden, wenn es auf 90 Stundenkilometer beschleunigt hatte. Endgeschwindigkeit: über 240 bei einem Verbrauch von vier Litern.
"Das flugzeugformähnliche Fahrzeug besaß eine Heizung, Armaturen von der (BMW) K 100, Scheibenbremsen, einen Rückwärtsgang und auf Wunsch eine Klimaanlage."
Die "Automobil Enzyklopädie" ist, - so der Verlag - das weltweit umfangreichste Nachschlagewerk zum Thema. Allerhand lernen kann man da als Laie, wenn man unter der Rubrik "Fachbegriffe" recherchiert: zum Beispiel, was eine Trockensumpfschmierung ist oder eine Viertelelliptikfeder oder ein Steigstromvergaser.
Nicht auf der Scheibe sind bewegte Bilder und Töne, kein einziges Motorengeräusch, kein Bremsenquietschen. Was auch fehlt, und hilfreich wäre, ist ein chronologischer Überblick: Wer brachte als erster eine Kutsche ohne Pferd zum Fahren? Wann eigentlich verfiel der Mensch dem Geschwindigkeitsrausch? Wann setzte sich welcher Antrieb durch?
Auf Sternstunden der Automobilgeschichte stößt man, wenn man sich durchklickt, zum Beispiel beim Stichwort Benz:
"Zu den Sternstunden des Automobils gehörten jene eines Herbstabends im Jahre 1885, als es dem Ingenieur Carl Benz gelang, sein dreirädriges 'Veloziped' per Motorkraft über die Strecke von ein paar hundert Metern fortzubewegen. Dieses Fahrzeug gilt als der bedeutendste Bestandteil einer Entwicklung, die sich damals weder voraussehen noch vorausahnen ließ."
Was wäre der Menschheit entgangen ohne diese Sternstunden? Oder vielleicht: erspart geblieben? Von Mercedes-Benz bis DaimlerChrysler - hier, in dieser deutschen Firmengeschichte, ist das ganze Auto-Drama gebündelt: Pionier- und Forschergeist, Fortschrittsglaube, Weltmachtstreben, Selbstüberschätzung - und das Verschlafen der wirklich wichtigen Trends: zum Beispiel ein Auto zu entwickeln, das auch unter ökologischen Gesichtspunkten bestehen kann. Vor rund hundert Jahren, 1906, schrieb die Allgemeine Automobil Zeitung:
"Das Automobil, es will dem Menschen die Herrschaft über Raum und Zeit erobern, und zwar vermöge der Schnelligkeit der Fortbewegung. Der ganze ungeheure Apparat der Eisenbahn, Schienennetz, Bahnhöfe, Signalstationen, Überwachungsdienst und Verwaltungsdienst fällt hier weg, und verhältnismäßig frei waltet der Mensch über Raum und Zeit."
Die freie Verfügbarkeit über Raum und Zeit, von diesem Blech gewordenen Traum erzählt die DVD-ROM. Nach Jahrzehnten der weltweiten Motorisierung scheint es nun allerdings fast so, als wäre der Traum ausgeträumt. Die Zukunft des Autos könnte in seiner Vergangenheit liegen, viele Ideen, die heute als mögliche Rettung aus der Krise gesehen werden, sind schon alt: zum Beispiel das Elektro-Auto.
Auf der DVD-ROM finden sich dazu zahlreiche Einträge: Siemens-Schuckert etwa stellte bereits vor dem Ersten Weltkrieg verschiedenste Elektrofahrzeuge her: Taxi-Droschken, Lastwagen, Omnibusse mit Platz für bis zu 16 Personen, Feuerwehr- und Ambulanzfahrzeuge sowie für die Post ein spezielles Elektro-Dreirad.
Die Internationale Automobil Enzyklopädie, 125 Jahre Marken und Modelle
USM Verlag, DVD-ROM, 49,90 Euro
Vielleicht finden sie irgendwo auch die DVD-ROM "Die internationale Automobil Enzyklopädie". Und falls die Daten dann noch lesbar sein sollten, werden sie sich noch mehr wundern: So viele verschiedene Kästen auf vier Rädern, in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Kultgegenstände einer seltsamen Religion, werden sie denken.
Auf einer Welt - und einer Europakarte kann man sehen, wo die meisten Automobilunternehmen zu finden sind: in den USA und in Europa. Allein in Deutschland sind 26 verschieden Firmen verzeichnet, von A wie Audi über G wie Goliath und M wie Maybach bis zu W wie Wanderer: ursprünglich eine Fahrradmarke, die um 1900 Motorräder herstellte und 1905 mit dem Bau von Automobilen begann.
"Nach vielen Jahren des Experimentierens und Erprobens kam 1911 endlich der Wanderer Typ W1 auf den Markt. Die beiden Sitze des schmal gebauten Wagens waren hintereinander angeordnet - damals auch bei anderen Kleinwagen nicht ungewöhnlich. Der stabile und mit 70 km/h verhältnismäßig schnelle Tandem-Zweisitzer wurde ein großer Erfolg. Im Volksmund "Puppchen" genannt, wurde er bald in ganz Deutschland populär. Die Nachfrage überstieg sehr schnell die Liefermöglichkeiten."
Eine längst vergessene Erfolgsgeschichte. 1944 wurden die Fabrikanlagen in Siegmar nahe Chemnitz zerbombt, was noch funktionsfähig war, nahmen nach Kriegsende die Sowjets mit. Eine andere Erfolgsgeschichte ging 1991 zu Ende: der Trabant, 3.690.099 Stück wurden von ihm gebaut.
Ein Detail unter vielen - die Fülle der Daten auf der DVD-ROM ist wirklich beeindruckend: Knapp 9.000 Automarken aus mehr als 70 Ländern werden beschrieben, 13.000 Fotos von Fahrzeugen und Markenemblemen setzen die Autos ins rechte Bild. Stilikonen von Bugatti bis Jaguar.
Und Raritäten, wie das "Ecomobil" von 1982, ein Motorrad mit Vollverkleidung, Kofferraum und Stützrädern, die eingefahren wurden, wenn es auf 90 Stundenkilometer beschleunigt hatte. Endgeschwindigkeit: über 240 bei einem Verbrauch von vier Litern.
"Das flugzeugformähnliche Fahrzeug besaß eine Heizung, Armaturen von der (BMW) K 100, Scheibenbremsen, einen Rückwärtsgang und auf Wunsch eine Klimaanlage."
Die "Automobil Enzyklopädie" ist, - so der Verlag - das weltweit umfangreichste Nachschlagewerk zum Thema. Allerhand lernen kann man da als Laie, wenn man unter der Rubrik "Fachbegriffe" recherchiert: zum Beispiel, was eine Trockensumpfschmierung ist oder eine Viertelelliptikfeder oder ein Steigstromvergaser.
Nicht auf der Scheibe sind bewegte Bilder und Töne, kein einziges Motorengeräusch, kein Bremsenquietschen. Was auch fehlt, und hilfreich wäre, ist ein chronologischer Überblick: Wer brachte als erster eine Kutsche ohne Pferd zum Fahren? Wann eigentlich verfiel der Mensch dem Geschwindigkeitsrausch? Wann setzte sich welcher Antrieb durch?
Auf Sternstunden der Automobilgeschichte stößt man, wenn man sich durchklickt, zum Beispiel beim Stichwort Benz:
"Zu den Sternstunden des Automobils gehörten jene eines Herbstabends im Jahre 1885, als es dem Ingenieur Carl Benz gelang, sein dreirädriges 'Veloziped' per Motorkraft über die Strecke von ein paar hundert Metern fortzubewegen. Dieses Fahrzeug gilt als der bedeutendste Bestandteil einer Entwicklung, die sich damals weder voraussehen noch vorausahnen ließ."
Was wäre der Menschheit entgangen ohne diese Sternstunden? Oder vielleicht: erspart geblieben? Von Mercedes-Benz bis DaimlerChrysler - hier, in dieser deutschen Firmengeschichte, ist das ganze Auto-Drama gebündelt: Pionier- und Forschergeist, Fortschrittsglaube, Weltmachtstreben, Selbstüberschätzung - und das Verschlafen der wirklich wichtigen Trends: zum Beispiel ein Auto zu entwickeln, das auch unter ökologischen Gesichtspunkten bestehen kann. Vor rund hundert Jahren, 1906, schrieb die Allgemeine Automobil Zeitung:
"Das Automobil, es will dem Menschen die Herrschaft über Raum und Zeit erobern, und zwar vermöge der Schnelligkeit der Fortbewegung. Der ganze ungeheure Apparat der Eisenbahn, Schienennetz, Bahnhöfe, Signalstationen, Überwachungsdienst und Verwaltungsdienst fällt hier weg, und verhältnismäßig frei waltet der Mensch über Raum und Zeit."
Die freie Verfügbarkeit über Raum und Zeit, von diesem Blech gewordenen Traum erzählt die DVD-ROM. Nach Jahrzehnten der weltweiten Motorisierung scheint es nun allerdings fast so, als wäre der Traum ausgeträumt. Die Zukunft des Autos könnte in seiner Vergangenheit liegen, viele Ideen, die heute als mögliche Rettung aus der Krise gesehen werden, sind schon alt: zum Beispiel das Elektro-Auto.
Auf der DVD-ROM finden sich dazu zahlreiche Einträge: Siemens-Schuckert etwa stellte bereits vor dem Ersten Weltkrieg verschiedenste Elektrofahrzeuge her: Taxi-Droschken, Lastwagen, Omnibusse mit Platz für bis zu 16 Personen, Feuerwehr- und Ambulanzfahrzeuge sowie für die Post ein spezielles Elektro-Dreirad.
Die Internationale Automobil Enzyklopädie, 125 Jahre Marken und Modelle
USM Verlag, DVD-ROM, 49,90 Euro