Von Berlin in die Schwarzwald-Idylle

Von Gerd Brendel |
Die Schriftstellerin Barbara Bongartz ist die erste Stipendiatin des von dem Dichter José Oliver ins Leben gerufenen Stadtschreiber-Amtes in Hausach im Schwarzwald.
Nirgendwo ist mehr Schwarzwald als in Hausach. Der Welt größte Kuckucksuhr steht im Umland, die Bollenhüte wurden im Nachbarort erfunden und Hausach selbst ist die Heimat von Eugen Falk-Breitenbach, der mit seinen Bildern und Gedichten viel zum Schwarzwald-Idyllen-Klischee beigetragen hat.

"Mitten in der Stadt eher ein bisschen verquer, weil es vollhängt mit Heimatbildern und alemannischen Gedichten."

Im Seitentrackt des "Molerhiisli", Tür an Tür zur heimeligen Schwarzwaldwelt in Öl, wohnt seit letztem Monat die erste Stadtschreiberin von Hausach, Barbara Bongartz. José Oliver, Lyriker, Schwarzwälder mit andalusischen Wurzeln und Erfinder eines Literaturfestivals namens "Leselenz" hat das Stipendium zum 750-jährigen Stadtjubiläum ins Leben gerufen. Das Geld dafür kommt aus dem Vermögen einer ortsansässigen Industriellenfamilie, in deren Werk werden – nein, keine Kuckucksuhren -, sondern Autoteile gebaut wie in den Fabriken nebenan.

"Die Menschen leben hier von der Industrie und nicht von irgendwelchen Kuckucksuhrengeschäften. Es leben hier 50 Nationalitäten."

Das reicht um das Schwarzwaldmädel-Klischee zu untergraben. Ob es auch reicht, Barbara Bongartz das vertraute urbane Flair zu bieten? Die Schriftstellerin ist in den Metropolen der Welt zu Hause : Jahrelang pendelte die Tochter einer Deutschen und eines Franzosen zwischen New York und Düsseldorf. Zurzeit lebt sie in Berlin. Nach ihrem Film-Studium in Paris und Deutschland wollte sie sich eigentlich über "Film und Melancholie" habilitieren, aber statt eine Hochschul-Laufbahn einzuschlagen, fing Barbara Bongartz an, Romane zu schreiben : In ihrem letzten halb-autobiografischen Roman "Der Tote von Passy" findet sich eine mögliche Erklärung:

"Ich habe, seit ich denken kann, immer ein Geschehen hinter den Fassaden vermutet. Die Faszination der Rätsel. Der Zwang, aus allem eine doppelte Bedeutung zu lesen, war überall."

Welche Geschehen hinter den Fassaden der Schwarzwaldhäuser hat Barbara Bongartz noch den Sommer über Zeit zu ergründen. Eine erste Einführung in das für Zugereiste oft rätselhafte Alemannisch hat Barbara Bongartz schon auf einem Heimatabend bekommen, den Oliver zur Begrüßung seines ersten Gasts organisiert hat:

"Mit alemannischen Gedichten über einen Heimatfilm bis hin zu Mundart-Liedermachern. Sie war ganz berührt und hat die ersten alemannischen Ausdrücke gelernt an diesem Abend. Ein Ausdruck wie wunderfitz, wunderfitz – wunderfitz? Das ist ein Neugieriger - und ich hoffe ,dass Frau Bongartz sehr neugierig ist auf den Ort und die Region."
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