Von Brutalität und Traurigkeit
Seine Protagonisten sind oft Kriminelle und Verlorene, Ausgestoßene und Drifter am Wegrand. Jetzt hat Autor Denis Johnson, 1949 in München als Sohn eines amerikanischen Offiziers geboren, ein Buch über den Vietnamkrieg geschrieben. "Ein gerader Rauch" ist ein Antikriegsroman, ein Spionageroman, ein Thriller und seine gleichzeitige Parodie, eine Liebesgeschichte. In Amerika ist das opulente und penibel recherchierte Werk mit dem National Book Award ausgezeichnet worden.
Denis Johnson ist ein amerikanischer Autor, der gnadenlos roh und voller Zärtlichkeit über Kriminelle und Verlorene, Ausgestoßene und Drifter am Weltrand zu schreiben versteht. Der seine Protagonisten in einsame Wälder, grimmige Städte oder langweilige Colleges verfrachtet und ihnen eine so machtvolle Trauer, Hasslust, Wut und Erlösungssehnsucht in die Seelen schreibt, dass man als Leser von Schauern gejagt den Schrecken der Einsamkeit und die Furcht der Verlassenheit in sich selber zu ahnen beginnt.
Jetzt hat Denis Johnson sich wieder auf neues Terrain begeben und ein gewaltiges Buch über den Krieg geschrieben, über die zerstörerische Kraft des Krieges, die nicht nur Länder auslöscht, sondern auch Integrität, Menschlichkeit und Würde. Er schreibt über die Angst, die Brutalität, den Irrsinn.
"Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht", lässt Johnson einen seiner Protagonisten sagen, "was ein Krieg anrichten kann". Und bekommt als Antwort: "Nach einer Weile ist es nur noch komisch. Im Ernst. Man wird so krank im Kopf, dass man einfach zu lachen anfängt."
Nicht den Irakkrieg hat sich Johnson als Thema gewählt, wohin er selber häufig gereist ist und Reportagen geschrieben hat von dort, sondern den Vietnamkrieg, der die Amerikaner bekanntlich traumatisch versehrte. Was jetzt, als Folge des Irakkrieges, genau so wieder geschehen könnte.
Es ist ein packender (Anti-)Kriegsroman, ein Spionageroman, ein Thriller und seine gleichzeitige Parodie, eine Liebesgeschichte. Opulent, bedrängend, gedankenreich, mystisch, penibel recherchiert und verwegen strukturiert. Kein Roman für denkfaule Leser. Einige der Figuren begleiten wir über 20 Jahre hinweg. In Manila, Vietnam, Arizona, Kuala Lumpur, im Dschungel, im Elend, in der Sünde, bei Gott, im Nirgendwo.
Da ist Skip Sands, ein argloser Spion, der eine Ausbildung in psychologischer Kriegsführung und keinerlei Erfahrung hat, und nun in einem komfortablen südvietnamesischen Landhaus weit weg vom Krieg das Archiv seines Onkels ordnen soll. Der Colonel ist die schillerndste Figur des Romans. Ein CIA-Mann: legendär, umstritten, rätselhaft und schließlich gejagt von seinen eigenen Leuten, weil er begonnen hat, auf eigene Faust zu agieren.
Der Colonel hat seit vielen Jahren akribisch Informationen gesammelt und auf Karteikarten geschrieben, die er in Truhen hortet. Er will alles wissen, bevor er kämpft. Denn er glaubt, begriffen zu haben, dass für die Vietnamesen ihr Land ihr Mythos ist. "Wenn wir in dieses Land eindringen, dringen wir in ihr Herz ein", erklärt er seinen Leuten, "in ihren Mythos, ihre Seele. Das ist wahre Infiltration. Und eben das ist unser Auftrag: den Mythos dieses Landes zu infiltrieren. Fragen?"
Es werden europäische Priester ermordet, weil sie das Land verdächtig gut kennen, die Sprache verdächtig gut sprechen. Also müssen sie Waffenschmuggler sein.
Johnson decouvriert die mörderische Lächerlichkeit unwissender Militärs, die Ahnungslosigkeit von 20-jährigen, die in den Dschungel gejagt werden, um zu töten.
Er zeigt, wie aus Angst und Sinnleere schiere Folter- und Mordlust erwachsen können. Kein Soldat, der unberührt bleibt in seinem Wesen, keiner, der "normal" aus diesem Krieg herauskommt. Das liest man nicht zum ersten Mal. Aber zum ersten Mal von Denis Johnson.
Es ist ein Buch über viele Männer und eine Frau, über Moral und Mythen. Wir reisen mit Johnsons Protagonisten in den Schlund der Amoralität und ins Herz der Finsternis, in die "Wonne der Schlacht" und in die verzweifelte Erlösungssuche.
Und als Leser wird einem das Hirn umgestülpt ob so viel Brutalität und Traurigkeit, ob solch nackter Realität und symbolischer Rätselhaftigkeit, ob solch unerschöpflicher Verlorenheit und unzerstörbarer Hoffnung. In Amerika ist das Buch mit dem wichtigsten Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet worden.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Denis Johnson: Ein gerader Rauch
Roman, Deutsch von Bettina Abarbanell und Robin Detje,
Rowohlt Verlag 2008,
878 Seiten, 24,90 Euro
Jetzt hat Denis Johnson sich wieder auf neues Terrain begeben und ein gewaltiges Buch über den Krieg geschrieben, über die zerstörerische Kraft des Krieges, die nicht nur Länder auslöscht, sondern auch Integrität, Menschlichkeit und Würde. Er schreibt über die Angst, die Brutalität, den Irrsinn.
"Ich hatte mir nie Gedanken darüber gemacht", lässt Johnson einen seiner Protagonisten sagen, "was ein Krieg anrichten kann". Und bekommt als Antwort: "Nach einer Weile ist es nur noch komisch. Im Ernst. Man wird so krank im Kopf, dass man einfach zu lachen anfängt."
Nicht den Irakkrieg hat sich Johnson als Thema gewählt, wohin er selber häufig gereist ist und Reportagen geschrieben hat von dort, sondern den Vietnamkrieg, der die Amerikaner bekanntlich traumatisch versehrte. Was jetzt, als Folge des Irakkrieges, genau so wieder geschehen könnte.
Es ist ein packender (Anti-)Kriegsroman, ein Spionageroman, ein Thriller und seine gleichzeitige Parodie, eine Liebesgeschichte. Opulent, bedrängend, gedankenreich, mystisch, penibel recherchiert und verwegen strukturiert. Kein Roman für denkfaule Leser. Einige der Figuren begleiten wir über 20 Jahre hinweg. In Manila, Vietnam, Arizona, Kuala Lumpur, im Dschungel, im Elend, in der Sünde, bei Gott, im Nirgendwo.
Da ist Skip Sands, ein argloser Spion, der eine Ausbildung in psychologischer Kriegsführung und keinerlei Erfahrung hat, und nun in einem komfortablen südvietnamesischen Landhaus weit weg vom Krieg das Archiv seines Onkels ordnen soll. Der Colonel ist die schillerndste Figur des Romans. Ein CIA-Mann: legendär, umstritten, rätselhaft und schließlich gejagt von seinen eigenen Leuten, weil er begonnen hat, auf eigene Faust zu agieren.
Der Colonel hat seit vielen Jahren akribisch Informationen gesammelt und auf Karteikarten geschrieben, die er in Truhen hortet. Er will alles wissen, bevor er kämpft. Denn er glaubt, begriffen zu haben, dass für die Vietnamesen ihr Land ihr Mythos ist. "Wenn wir in dieses Land eindringen, dringen wir in ihr Herz ein", erklärt er seinen Leuten, "in ihren Mythos, ihre Seele. Das ist wahre Infiltration. Und eben das ist unser Auftrag: den Mythos dieses Landes zu infiltrieren. Fragen?"
Es werden europäische Priester ermordet, weil sie das Land verdächtig gut kennen, die Sprache verdächtig gut sprechen. Also müssen sie Waffenschmuggler sein.
Johnson decouvriert die mörderische Lächerlichkeit unwissender Militärs, die Ahnungslosigkeit von 20-jährigen, die in den Dschungel gejagt werden, um zu töten.
Er zeigt, wie aus Angst und Sinnleere schiere Folter- und Mordlust erwachsen können. Kein Soldat, der unberührt bleibt in seinem Wesen, keiner, der "normal" aus diesem Krieg herauskommt. Das liest man nicht zum ersten Mal. Aber zum ersten Mal von Denis Johnson.
Es ist ein Buch über viele Männer und eine Frau, über Moral und Mythen. Wir reisen mit Johnsons Protagonisten in den Schlund der Amoralität und ins Herz der Finsternis, in die "Wonne der Schlacht" und in die verzweifelte Erlösungssuche.
Und als Leser wird einem das Hirn umgestülpt ob so viel Brutalität und Traurigkeit, ob solch nackter Realität und symbolischer Rätselhaftigkeit, ob solch unerschöpflicher Verlorenheit und unzerstörbarer Hoffnung. In Amerika ist das Buch mit dem wichtigsten Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnet worden.
Rezensiert von Gabriele von Arnim
Denis Johnson: Ein gerader Rauch
Roman, Deutsch von Bettina Abarbanell und Robin Detje,
Rowohlt Verlag 2008,
878 Seiten, 24,90 Euro