Von den Anfängen Israels bis heute
Der inzwischen 87-Jährige israelische Reporter Ari Rath erlebte Krieg und Frieden und den Aufbau Israels von Beginn an. Aus diesen reichen Erinnerungen hat er seine Autobiografie unter dem Titel "Ari heißt Löwe" verfasst: ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte.
Im November 1938, acht Monate nach dem ‘Anschluss’, hat mich die Stadt Wien im Alter von fast vierzehn Jahren aus der Heimat meiner Kindheit vertrieben. Alles, was mir lieb und wichtig war, wurde mir nach dem 11. März 1938 genommen, weil ich Jude bin. Die Erde, in der meine viel zu früh verstorbene Mutter Laura am Zentralfriedhof begraben ist, wurde zum fremden Boden für mich. (...) Die gutgehende Firma meines Vaters Josef übernahm von heute auf morgen ein Nazikommissar. Über Nacht waren wir vogelfrei.
Den Anfang in Ari Raths Autobiografie macht ein Ende: So beginnt sein Buch, das er gemeinsam mit der Journalistin und Historikerin Stefanie Oswalt geschrieben hat, mit der Erinnerung an eine Flucht. Als 14-Jähriger verließ er Österreich nach dem sogenannten "Anschluss" 1938 Richtung Palästina. Er wurde ein wichtiger Teil der Kibbuz-Bewegung, für die er zwei Jahre nach New York ging. Hier feierte er 1948 auch die Staatsgründung Israels.
Schon damals knüpfte Rath Kontakte zu den großen Namen der israelischen Politik: David Ben Gurion, Golda Meir, Yitzhak Rabin und Teddy Kollek waren ihm teils Freunde, teils auch nur Bekannte. Doch die Verkoppelung zwischen Privatem und Politischem ist etwas, das sich durch sein ganzes Leben zieht – und damit auch durch sein Buch, wie er selbst sagt:
"So ist mein ganzes Leben immer parallel: Jedes persönliche Ereignis habe ich dann begleitet mit dem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen."
Das Buch "Ari heißt Löwe" ist mehr als Raths Autobiografie. Es ist ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte, das von den Anfängen Israels bis heute erzählt. Und Rath ist der denkbar beste Chronist: 31 Jahre arbeitete er bei der "Jerusalem Post", der einzigen englischsprachigen Zeitung des Landes – zuerst als Reporter, dann als Chefredakteur. Rath traf Menschen, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind, darunter etwa Konrad Adenauer und Indira Gandhi. Ein Glücksfall, dass er sich an jede Begegnung so erinnert, als wäre sie gestern passiert. Co-Autorin Stefanie Oswalt begründet das so:
"Ari hat ein fulminantes Gedächtnis. Wenn Sie ihm jetzt ihre Lebensgeschichte erzählen, wird er alles sofort im Gedächtnis behalten und wird es wieder erzählen können. Er ist einfach wahnsinnig interessiert an anderen Menschen und einfach unglaublich freundlich. Manchmal denke ich mir so, vielleicht ist das so der alte Wiener Charme. Vielleicht kommt auch noch das Israelische hinein: So eine große Lust am Leben."
Diese Lebenslust merkt man dem 87-Jährigen immer noch an. Sie war es wahrscheinlich auch, die das Buch überhaupt ermöglichte. Denn erst, als ihn ein lebensbedrohlicher Blinddarmdurchbruch bei einem Wien-Besuch für drei Monate ans Krankenbett fesselte, fand er Zeit und Motivation, seine Autobiografie anzugehen. Dass ihm ausgerechnet ein Wiener Krankenhaus das Leben rettete, ist eine Ironie, die Ari Rath liebt:
"1938 hat mich die Stadt Wien von allem, was mir lieb und teuer war, vertrieben und 2011 hat mir das große Krankenhaus der Stadt Wien praktisch das Leben gerettet."
Es wäre zu viel gesagt, dass Rath seinen Frieden mit Österreich gemacht hat. Zu sehr sorgen ihn die aktuellen politischen Entwicklungen. Aber er lebt inzwischen einige Zeit des Jahres in Wien und hat neben der israelischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
In den Tagen der Flucht, aber auch in so manch anderer dunklen Stunde, hat ihm der Gedanke an einen Gott Trost gespendet – auch, wenn Rath sich selbst nicht als religiös bezeichnet. Stattdessen beantwortet er die Frage nach ‘seinem’ Judentum wie folgt:
"Das ist eben das Gute, dass ich aus Wien wegmusste und dann in Palästina und jetzt in Israel mein Leben gestaltet habe: Denn wenn man in Israel lebt, bei aller Kritik, da muss man nicht jeden Tag beweisen, dass man jüdisch ist."
"Bei aller Kritik" ist ein gutes Stichwort, denn Rath gehört zu den mahnendsten Kritikern der israelischen Politik. Sein größter Wunsch ist es, zu erleben, dass Israel keine Besatzungsmacht mehr sei. Hier wird der sonst so heitere Rath ernst. Liest man sein Buch, versteht man diese Haltung. Denn "Ari heißt Löwe" ist eben auch die Geschichte der gescheiterten Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern und der Enttäuschung darüber. Doch Rath gibt die Hoffnung nicht auf. Dieser Optimismus zieht sich durch sein sehr lesenswertes Buch. Er ist, wenn man so will, eine der Kernbotschaften dieser wertvollen Erinnerungen. Eine andere Botschaft formuliert Rath selbst:
"Geben ist Empfangen. Ich hab immer wieder Menschen, auch die ich nicht kannte erst mal, Glauben geschenkt - es gab auch Enttäuschungen. Aber im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte habe ich eben erfahren, dass, wenn man offen und gütig anderen Menschen gegenüber ist, kommt das auch irgend wie wieder zurück."
Ari Rath: Ari heißt Löwe. Erinnerungen
Zsolnay Verlag, Wien 2012
344 Seiten, 24,90 Euro
Den Anfang in Ari Raths Autobiografie macht ein Ende: So beginnt sein Buch, das er gemeinsam mit der Journalistin und Historikerin Stefanie Oswalt geschrieben hat, mit der Erinnerung an eine Flucht. Als 14-Jähriger verließ er Österreich nach dem sogenannten "Anschluss" 1938 Richtung Palästina. Er wurde ein wichtiger Teil der Kibbuz-Bewegung, für die er zwei Jahre nach New York ging. Hier feierte er 1948 auch die Staatsgründung Israels.
Schon damals knüpfte Rath Kontakte zu den großen Namen der israelischen Politik: David Ben Gurion, Golda Meir, Yitzhak Rabin und Teddy Kollek waren ihm teils Freunde, teils auch nur Bekannte. Doch die Verkoppelung zwischen Privatem und Politischem ist etwas, das sich durch sein ganzes Leben zieht – und damit auch durch sein Buch, wie er selbst sagt:
"So ist mein ganzes Leben immer parallel: Jedes persönliche Ereignis habe ich dann begleitet mit dem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen."
Das Buch "Ari heißt Löwe" ist mehr als Raths Autobiografie. Es ist ein faszinierendes Stück Zeitgeschichte, das von den Anfängen Israels bis heute erzählt. Und Rath ist der denkbar beste Chronist: 31 Jahre arbeitete er bei der "Jerusalem Post", der einzigen englischsprachigen Zeitung des Landes – zuerst als Reporter, dann als Chefredakteur. Rath traf Menschen, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind, darunter etwa Konrad Adenauer und Indira Gandhi. Ein Glücksfall, dass er sich an jede Begegnung so erinnert, als wäre sie gestern passiert. Co-Autorin Stefanie Oswalt begründet das so:
"Ari hat ein fulminantes Gedächtnis. Wenn Sie ihm jetzt ihre Lebensgeschichte erzählen, wird er alles sofort im Gedächtnis behalten und wird es wieder erzählen können. Er ist einfach wahnsinnig interessiert an anderen Menschen und einfach unglaublich freundlich. Manchmal denke ich mir so, vielleicht ist das so der alte Wiener Charme. Vielleicht kommt auch noch das Israelische hinein: So eine große Lust am Leben."
Diese Lebenslust merkt man dem 87-Jährigen immer noch an. Sie war es wahrscheinlich auch, die das Buch überhaupt ermöglichte. Denn erst, als ihn ein lebensbedrohlicher Blinddarmdurchbruch bei einem Wien-Besuch für drei Monate ans Krankenbett fesselte, fand er Zeit und Motivation, seine Autobiografie anzugehen. Dass ihm ausgerechnet ein Wiener Krankenhaus das Leben rettete, ist eine Ironie, die Ari Rath liebt:
"1938 hat mich die Stadt Wien von allem, was mir lieb und teuer war, vertrieben und 2011 hat mir das große Krankenhaus der Stadt Wien praktisch das Leben gerettet."
Es wäre zu viel gesagt, dass Rath seinen Frieden mit Österreich gemacht hat. Zu sehr sorgen ihn die aktuellen politischen Entwicklungen. Aber er lebt inzwischen einige Zeit des Jahres in Wien und hat neben der israelischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
In den Tagen der Flucht, aber auch in so manch anderer dunklen Stunde, hat ihm der Gedanke an einen Gott Trost gespendet – auch, wenn Rath sich selbst nicht als religiös bezeichnet. Stattdessen beantwortet er die Frage nach ‘seinem’ Judentum wie folgt:
"Das ist eben das Gute, dass ich aus Wien wegmusste und dann in Palästina und jetzt in Israel mein Leben gestaltet habe: Denn wenn man in Israel lebt, bei aller Kritik, da muss man nicht jeden Tag beweisen, dass man jüdisch ist."
"Bei aller Kritik" ist ein gutes Stichwort, denn Rath gehört zu den mahnendsten Kritikern der israelischen Politik. Sein größter Wunsch ist es, zu erleben, dass Israel keine Besatzungsmacht mehr sei. Hier wird der sonst so heitere Rath ernst. Liest man sein Buch, versteht man diese Haltung. Denn "Ari heißt Löwe" ist eben auch die Geschichte der gescheiterten Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern und der Enttäuschung darüber. Doch Rath gibt die Hoffnung nicht auf. Dieser Optimismus zieht sich durch sein sehr lesenswertes Buch. Er ist, wenn man so will, eine der Kernbotschaften dieser wertvollen Erinnerungen. Eine andere Botschaft formuliert Rath selbst:
"Geben ist Empfangen. Ich hab immer wieder Menschen, auch die ich nicht kannte erst mal, Glauben geschenkt - es gab auch Enttäuschungen. Aber im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte habe ich eben erfahren, dass, wenn man offen und gütig anderen Menschen gegenüber ist, kommt das auch irgend wie wieder zurück."
Ari Rath: Ari heißt Löwe. Erinnerungen
Zsolnay Verlag, Wien 2012
344 Seiten, 24,90 Euro