Von den Dürers zu den Duchamps
Welchen Einfluss haben Geschwister auf die künstlerische Persönlichkeit des Einzelner? Um diese und weitere Fragen geht es bei der Ausstellung "Künstlerbrüder" im Haus der Kunst in München. Die Auswahl von Geschwistern aus vielen Epochen ist breit angelegt.
Eine Schneeschaufel von Marcel Duchamp hängt in der Ausstellung über den teils kubistisch anmutenden Grafiken und Bildern seiner drei Geschwister. Vor etwa 40 Jahren, 1967, beteiligte sich Marcel Duchamp selbst an der Gestaltung einer kleinen Ausstellung, die ihn im Kreise zweier älterer Brüder und seiner jüngeren Schwester Suzanne zeigte. Nur selten hat die geteilte künstlerische Begabung von Geschwistern auch ähnliche Interessen und stilistische Absichten hervorgebracht. In früheren Jahrhunderten gab es aber typische Konstellationen, nach denen Geschwister, meistens Brüder, miteinander gearbeitet haben. Bis hin zu Absprachen wie: Wenn Du Landschaften malst, werde ich mich auf Stillleben konzentrieren.
Kurator Leon Krempel: "Wir können die Entwicklung einigermaßen deutlich seit dem 15. Jahrhundert verfolgen. In der Frühzeit spielen eben Werkstatttraditionen und Zunftzwänge eine wichtige Rolle, im Barock, im 17. Jahrhundert kann man dann vor allem in Holland verstärkt Marktabsprachen beobachten. Im frühen 19. Jahrhundert, in der Romantik, kommt es dann zu gleichberechtigten Partnerschaften, die so weit gehen, dass Geschwister gemeinsam vor der Staffelei stehen und auch mit einem Namen signieren und man auch ihre Anteile an einem Werk überhaupt nicht mehr auseinander halten kann."
Im Schatten des einen, großen, berühmt gewordenen Bruders stehen trotz einiger gemeinschaftlicher Arbeiten viele der gezeigten Werke. Im Falle des Geschwisterpaars Alberto und Diego Giacometti zeigt die Ausstellung zwei zart wirkende, bronzen patinierte Stühle. Denn der Möbeldesigner Diego liebte wie sein künstlerisch weitaus ambitionierterer Bruder Alberto Arbeiten aus Metall.
"Alberto, der berühmte Bronzebildhauer wäre nicht zu denken ohne Diego Giacometti, seinen jüngeren Bruder, der ihm nicht nur Modell gestanden hat, sondern auch die Technik des Bronzegusses und der Patinierung entwickelt hat."
Nicht immer sind die Beziehungen zwischen Geschwistern freundschaftlich gewesen. Der französische Maler Balthus etwa äußerte, kaum etwas übrig zu haben für die Zeichnungen seines Bruders Pierre Klossowski, für das - wie er sagte - Morbide, Perverse und die sado-masochistischen Verführungen in dessen Werken. Distanz statt geistige und inhaltliche Nähe ist ein vermehrt im 20. Jahrhundert auftauchendes Motiv zwischen Geschwistern in der Kunst.
"Im frühen 20. Jahrhundert gehen die Geschwister in der Regel getrennte Wege. Und so beobachten wir hier erstaunlich viele Pseudonyme, also Geschwister nehmen Pseudonyme an, um ja nicht mit dem Geschwister verwechselt zu werden."
Die Beziehungen von insgesamt 1500 künstlerisch tätigen Geschwistern wurden im Vorfeld der Ausstellung untersucht. Zu den Ergebnissen zählt, dass eigentlich nie Brüder und Schwestern eng miteinander gearbeitet haben. Beispiele für Brüder, die gemeinsame Werke schufen oder ihre Übereinstimmung auf einem Bild mit einem Handschlag ausdrückten, gibt es hingegen auch in der Ausstellung mehrfach.
"Es ist einfach als Faktum festzuhalten, dass Brüder und Schwestern in der Kunst außerordentlich selten zusammenarbeiten. Wir haben in der Ausstellung nur ein Beispiel von Konstantin und Tamara Gricic, das ist aber auch eine Ausnahme darstellt, die haben nur ein Mal zusammengearbeitet. Man darf wohl annehmen, das in früheren Jahrhunderten. Schwestern möglicherweise als Gehilfinnen ihren Brüdern in der Werkstatt geholfen haben, aber es gibt keine gleichberechtigte Zusammenarbeit."
Immer wieder will die Ausstellung mit unbekannten Geschwistern berühmter Künstler überraschen und neugierig machen: denn wer kennt schon Hans Dürer, den polnischen Hofmaler und jüngeren Bruder von Albrecht Dürer.
Oder wem sagen neben Gustav Klimt die Namen Ernst und Georg Klimt etwas?
Auch dass Raoul Dufy einen malenden Bruder Jean Dufy hatte, wird den meisten wohl unbekannt sein, schon weil die Bedeutung der Werke heute vergessener Brüder doch eher gering ist. Aber auch vergleichbare Begabungen sind unter Geschwistern zu finden. Und wo Gemeinschaftswerke entstehen, verschwimmen die Unterschiede ohnehin. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts malten Franz und Johannes Riepenhausen das Bild "Der Traum Raffaels" gemeinsam. Und seit etwa 20 Jahren soll es in der Kunst geradezu einen Trend geben, dass Geschwister sich wieder enger zusammenschließen. Auch Tobias und Raphael Danke arbeiten zusammen.
"Also wir arbeiten eigentlich in jeder Form zusammen. Oder auch nicht.
Also jeder ist natürlich auch ein Einzelkünstler und arbeitet für sich kontinuierlich weiter. Und meistens arbeiten wir dann zusammen, wenn eine Ausstellung bevorsteht und überlegt Konzepte zusammen und kommt nachher auch dazu, gemeinsam Dinge zu bauen oder zu entwerfen, zu zeichnen."
Auf den ersten Blick werden Besucher die Ausstellung in weiten Teilen als ein heterogenes Nebeneinander ganz unterschiedlicher Werke wahrnehmen. Denn außer ihrer familiären Herkunft verbindet besonders herausragende Künstler mit ihren Geschwistern oft nichts oder wenig. Und so hängt in der Ausstellung Marcel Duchamps Schneeschaufel wohl zu Recht abgerückt und etwas einsam über den durchaus modernen, aber doch nicht einzigartigen Werken seiner drei Geschwister.
Die Ausstellung ist vom 19.10.2005 bis zum 22.01.2006 im Haus der Kunst in München zu sehen.
Kurator Leon Krempel: "Wir können die Entwicklung einigermaßen deutlich seit dem 15. Jahrhundert verfolgen. In der Frühzeit spielen eben Werkstatttraditionen und Zunftzwänge eine wichtige Rolle, im Barock, im 17. Jahrhundert kann man dann vor allem in Holland verstärkt Marktabsprachen beobachten. Im frühen 19. Jahrhundert, in der Romantik, kommt es dann zu gleichberechtigten Partnerschaften, die so weit gehen, dass Geschwister gemeinsam vor der Staffelei stehen und auch mit einem Namen signieren und man auch ihre Anteile an einem Werk überhaupt nicht mehr auseinander halten kann."
Im Schatten des einen, großen, berühmt gewordenen Bruders stehen trotz einiger gemeinschaftlicher Arbeiten viele der gezeigten Werke. Im Falle des Geschwisterpaars Alberto und Diego Giacometti zeigt die Ausstellung zwei zart wirkende, bronzen patinierte Stühle. Denn der Möbeldesigner Diego liebte wie sein künstlerisch weitaus ambitionierterer Bruder Alberto Arbeiten aus Metall.
"Alberto, der berühmte Bronzebildhauer wäre nicht zu denken ohne Diego Giacometti, seinen jüngeren Bruder, der ihm nicht nur Modell gestanden hat, sondern auch die Technik des Bronzegusses und der Patinierung entwickelt hat."
Nicht immer sind die Beziehungen zwischen Geschwistern freundschaftlich gewesen. Der französische Maler Balthus etwa äußerte, kaum etwas übrig zu haben für die Zeichnungen seines Bruders Pierre Klossowski, für das - wie er sagte - Morbide, Perverse und die sado-masochistischen Verführungen in dessen Werken. Distanz statt geistige und inhaltliche Nähe ist ein vermehrt im 20. Jahrhundert auftauchendes Motiv zwischen Geschwistern in der Kunst.
"Im frühen 20. Jahrhundert gehen die Geschwister in der Regel getrennte Wege. Und so beobachten wir hier erstaunlich viele Pseudonyme, also Geschwister nehmen Pseudonyme an, um ja nicht mit dem Geschwister verwechselt zu werden."
Die Beziehungen von insgesamt 1500 künstlerisch tätigen Geschwistern wurden im Vorfeld der Ausstellung untersucht. Zu den Ergebnissen zählt, dass eigentlich nie Brüder und Schwestern eng miteinander gearbeitet haben. Beispiele für Brüder, die gemeinsame Werke schufen oder ihre Übereinstimmung auf einem Bild mit einem Handschlag ausdrückten, gibt es hingegen auch in der Ausstellung mehrfach.
"Es ist einfach als Faktum festzuhalten, dass Brüder und Schwestern in der Kunst außerordentlich selten zusammenarbeiten. Wir haben in der Ausstellung nur ein Beispiel von Konstantin und Tamara Gricic, das ist aber auch eine Ausnahme darstellt, die haben nur ein Mal zusammengearbeitet. Man darf wohl annehmen, das in früheren Jahrhunderten. Schwestern möglicherweise als Gehilfinnen ihren Brüdern in der Werkstatt geholfen haben, aber es gibt keine gleichberechtigte Zusammenarbeit."
Immer wieder will die Ausstellung mit unbekannten Geschwistern berühmter Künstler überraschen und neugierig machen: denn wer kennt schon Hans Dürer, den polnischen Hofmaler und jüngeren Bruder von Albrecht Dürer.
Oder wem sagen neben Gustav Klimt die Namen Ernst und Georg Klimt etwas?
Auch dass Raoul Dufy einen malenden Bruder Jean Dufy hatte, wird den meisten wohl unbekannt sein, schon weil die Bedeutung der Werke heute vergessener Brüder doch eher gering ist. Aber auch vergleichbare Begabungen sind unter Geschwistern zu finden. Und wo Gemeinschaftswerke entstehen, verschwimmen die Unterschiede ohnehin. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts malten Franz und Johannes Riepenhausen das Bild "Der Traum Raffaels" gemeinsam. Und seit etwa 20 Jahren soll es in der Kunst geradezu einen Trend geben, dass Geschwister sich wieder enger zusammenschließen. Auch Tobias und Raphael Danke arbeiten zusammen.
"Also wir arbeiten eigentlich in jeder Form zusammen. Oder auch nicht.
Also jeder ist natürlich auch ein Einzelkünstler und arbeitet für sich kontinuierlich weiter. Und meistens arbeiten wir dann zusammen, wenn eine Ausstellung bevorsteht und überlegt Konzepte zusammen und kommt nachher auch dazu, gemeinsam Dinge zu bauen oder zu entwerfen, zu zeichnen."
Auf den ersten Blick werden Besucher die Ausstellung in weiten Teilen als ein heterogenes Nebeneinander ganz unterschiedlicher Werke wahrnehmen. Denn außer ihrer familiären Herkunft verbindet besonders herausragende Künstler mit ihren Geschwistern oft nichts oder wenig. Und so hängt in der Ausstellung Marcel Duchamps Schneeschaufel wohl zu Recht abgerückt und etwas einsam über den durchaus modernen, aber doch nicht einzigartigen Werken seiner drei Geschwister.
Die Ausstellung ist vom 19.10.2005 bis zum 22.01.2006 im Haus der Kunst in München zu sehen.