Von der anarchischen zur gezähmten Maus
Biegsam wie Gummi, unverwüstlich, flink, großspurig und eine Spur sadistisch, so trat Mickey Mouse in seinem ersten Film auf: "Steamboat Willie" wurde am 18. November 1928 in New York gezeigt, dauerte ganze acht Minuten und machte die Maus zum Symbol des Zeichentrick-Universums . Doch die kurzen Hosen und die Frechheit wurden Mickey Mouse schon bald ausgetrieben. Die Rolle des frechen Anarchos übernahm Donald Duck.
Pfeifend kam er auf die Welt: runder Kopf, runde Ohren, Knopfaugen, kurze Hose und spindeldürre Beine - so steuert er ein Dampfboot und erweist sich als überaus roher Geselle. Andere Viecher traktiert er, spielt auf ihren Zähnen Xylophon und die Katze packt er am Schwanz und schleudert sie herum.
Das Kinopublikum war vor 80 Jahren schier aus dem Häuschen, waren in diesem kurzen Tonfilm doch die flotten Klänge und die Bewegungen effektvoll aufeinander abgestimmt. Und dass Micky so rüde, so anarchisch war, gefiel den Zuschauern in einer schweren Zeit - erst in den USA, seit 1930 auch in Deutschland. Comicexperte und -galerist Carsten Laqua:
"Es war die Zeit der großen Depression mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Leute wollten was zu lachen haben. Und Micky Maus war eine Figur, die den Leuten wieder Mut gemacht hat, die gestaucht werden konnte oder aus dem Fenster springen oder verhackstückt werden konnte - und am Ende immer wieder der Sieger war."
In Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" hieß es später, die Figuren in den Trickfilmen würden übel behandelt, damit sich das Publikum an die eigene Zurichtung durch die Gesellschaft gewöhne. Aber in diesen Figuren, gerade dem frühen Micky, steckt offenbar auch Widerstandspotential, ein Grund für den Erfolg. Hans Joachim Neyer, Direktor des Wilhelm Busch Museums:
"Die Figur selbst ist ja eine sehr agile, die durch viele Löcher und über viele Hindernisse kann. Vielleicht ist das etwas, was man sich erträumte - bei den vielen Hindernissen, die im Leben vor einem standen."
Um slapstickhafte Pointen waren auch die Zeichner bemüht, die Mickys Abenteuer anschließend zu Papier brachten - selbst die ellenlangen Fortsetzungsgeschichten, die Floyd Gottfredson zeichnete, hatten immer wieder grelle Höhepunkte.
Aber dabei blieb es nicht: Micky wandelte sich, der kleine Anarchist in der kurzen Hose wurde gezähmt und trat im Freizeithemd auf, mit Hütchen, und trug nun lange, ordentliche Hosen. Und auch die Trickfilmabenteuer mit den Kumpanen Goofy und Pluto waren so spannend nicht mehr.
Es war die Verbürgerlichung einer einst wilden Maus, sie war im Mittelmaß der Mittelschicht gestrandet. Amerikanische Sozialgeschichte, konzentriert in einer kleinbürgerlich gewordenen Comic-Figur.
Carsten Laqua: "Die Figur ist angepasster und lieblicher geworden - im Gegensatz zu der anarchischen Maus, die auch mal die Zähne zeigte, wenn sie wütend war. Micky ist schon lange durch Donald abgelöst worden. Es gibt zwar jetzt ein paar Versuche von Comiczeichnern, dieser Figur wieder etwas mehr Leben einzuhauchen. Aber ich habe Zweifel, ob es heutzutage noch gelingen wird."
In der Bundesrepublik erschien das erste "Micky Maus"-Heft 1951, aber zur eigentlichen Identifikationsfigur wurde auch bei uns der cholerische Donald, der ewige Verlierer in einem Entenhausener Kosmos mit vielen schrulligen Typen. Ist Micky also mausetot? Wofür steht die Figur heute?
Hans Joachim Neyer: "Sie steht einerseits für den Konzern Walt Disney. Und dann ist sie ein Markenzeichen, das vollkommen losgelöst ist von konkreten Zusammenhängen. Man kann die Micky Maus überall entdecken. Ich wüsste gar nicht, wofür sie konkret steht - außer für die Micky Maus."
Seit den neunziger Jahren sind verschiedene Studios um eine Wiederbelebung bemüht. Die Dynamik der Zeichnungen wurde gesteigert, manchmal schien der aktionslustige Micky sogar einem Manga entsprungen. Und kurze Hosen darf er auch wieder tragen. Schwer zu sagen, ob die Maus nach 80 Jahren einem Happy End entgegensieht. Ein junges Publikum vertraut lieber multimedial präsenten schrillen Zeitgenossen wie den Simpsons. Oder liest japanische Geschichten.
Trotzdem bleibt Micky die berühmteste Comic-Maus - durch Andy Warhols Bilder hat sie sogar einen Platz im Museum bekommen.
Das Kinopublikum war vor 80 Jahren schier aus dem Häuschen, waren in diesem kurzen Tonfilm doch die flotten Klänge und die Bewegungen effektvoll aufeinander abgestimmt. Und dass Micky so rüde, so anarchisch war, gefiel den Zuschauern in einer schweren Zeit - erst in den USA, seit 1930 auch in Deutschland. Comicexperte und -galerist Carsten Laqua:
"Es war die Zeit der großen Depression mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Leute wollten was zu lachen haben. Und Micky Maus war eine Figur, die den Leuten wieder Mut gemacht hat, die gestaucht werden konnte oder aus dem Fenster springen oder verhackstückt werden konnte - und am Ende immer wieder der Sieger war."
In Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" hieß es später, die Figuren in den Trickfilmen würden übel behandelt, damit sich das Publikum an die eigene Zurichtung durch die Gesellschaft gewöhne. Aber in diesen Figuren, gerade dem frühen Micky, steckt offenbar auch Widerstandspotential, ein Grund für den Erfolg. Hans Joachim Neyer, Direktor des Wilhelm Busch Museums:
"Die Figur selbst ist ja eine sehr agile, die durch viele Löcher und über viele Hindernisse kann. Vielleicht ist das etwas, was man sich erträumte - bei den vielen Hindernissen, die im Leben vor einem standen."
Um slapstickhafte Pointen waren auch die Zeichner bemüht, die Mickys Abenteuer anschließend zu Papier brachten - selbst die ellenlangen Fortsetzungsgeschichten, die Floyd Gottfredson zeichnete, hatten immer wieder grelle Höhepunkte.
Aber dabei blieb es nicht: Micky wandelte sich, der kleine Anarchist in der kurzen Hose wurde gezähmt und trat im Freizeithemd auf, mit Hütchen, und trug nun lange, ordentliche Hosen. Und auch die Trickfilmabenteuer mit den Kumpanen Goofy und Pluto waren so spannend nicht mehr.
Es war die Verbürgerlichung einer einst wilden Maus, sie war im Mittelmaß der Mittelschicht gestrandet. Amerikanische Sozialgeschichte, konzentriert in einer kleinbürgerlich gewordenen Comic-Figur.
Carsten Laqua: "Die Figur ist angepasster und lieblicher geworden - im Gegensatz zu der anarchischen Maus, die auch mal die Zähne zeigte, wenn sie wütend war. Micky ist schon lange durch Donald abgelöst worden. Es gibt zwar jetzt ein paar Versuche von Comiczeichnern, dieser Figur wieder etwas mehr Leben einzuhauchen. Aber ich habe Zweifel, ob es heutzutage noch gelingen wird."
In der Bundesrepublik erschien das erste "Micky Maus"-Heft 1951, aber zur eigentlichen Identifikationsfigur wurde auch bei uns der cholerische Donald, der ewige Verlierer in einem Entenhausener Kosmos mit vielen schrulligen Typen. Ist Micky also mausetot? Wofür steht die Figur heute?
Hans Joachim Neyer: "Sie steht einerseits für den Konzern Walt Disney. Und dann ist sie ein Markenzeichen, das vollkommen losgelöst ist von konkreten Zusammenhängen. Man kann die Micky Maus überall entdecken. Ich wüsste gar nicht, wofür sie konkret steht - außer für die Micky Maus."
Seit den neunziger Jahren sind verschiedene Studios um eine Wiederbelebung bemüht. Die Dynamik der Zeichnungen wurde gesteigert, manchmal schien der aktionslustige Micky sogar einem Manga entsprungen. Und kurze Hosen darf er auch wieder tragen. Schwer zu sagen, ob die Maus nach 80 Jahren einem Happy End entgegensieht. Ein junges Publikum vertraut lieber multimedial präsenten schrillen Zeitgenossen wie den Simpsons. Oder liest japanische Geschichten.
Trotzdem bleibt Micky die berühmteste Comic-Maus - durch Andy Warhols Bilder hat sie sogar einen Platz im Museum bekommen.