Von der Blockhütte ins Präsidentenamt
Artikel, Filme und Bücher über Abraham Lincoln überschwemmen zur Zeit den Markt. Anlass ist sein 200. Geburtstag und die Vergleiche zwischen dem Bürgerkriegspräsidenten, der die Emanzipationserklärung für die Sklaven unterschrieb, und Barack Obama, dem ersten Afroamerikaner im höchsten Amt der USA. Wer jedoch nur ein einziges Buch über Lincoln lesen möchte, trifft mit Jörg Naglers spannender Biografie eine ausgezeichnete Wahl.
Jörg Nagler gelingt es in seiner Lincoln-Biografie, sich nicht vom Mythos, der den 16. Präsidenten der USA umgibt, einfangen zu lassen. Als Präsident des Sezessionskriegs rettete Lincoln die Einheit der Union und leitete die Wiedergeburt der amerikanischen Nation ein. Lincoln besiegelte das Ende der Sklaverei und legte den Grundstein zur Gleichberechtigung zwischen weißen und schwarzen Amerikanern.
Mit diesen Taten verdiente sich Lincoln seine Stellung als politische Lichtgestalt, deren Porträt bis heute in vielen afroamerikanischen Haushalten zu finden ist. Jörg Nagler beschreibt das genauso nüchtern und eingängig wie die dunkleren Seiten seiner Amtszeit: Persönlich verantwortete Lincoln die brutale und verlustreiche Kriegsführung gegen die Südstaaten.
Lange Zeit sträubte er sich gegen das Wahlrecht für schwarze Amerikaner und plädierte dafür, befreite Sklaven nach Afrika zurückzubringen und dort zu rekolonialisieren. Der Befreier der Sklaven war selbst von rassistischen Vorurteilen geprägt.
Einfühlsam zeichnet Nagler auch Lincolns innere und äußere Widersprüche nach: die spannungsreichen Beziehungen zu seinen Kabinettsmitgliedern, zum Kongress und auch zur Bevölkerung, die Lincoln und seiner Amtsführung keinesfalls immer wohlwollend gegenüber eingestellt war. Nagler tut gut daran, diese Spannungen herauszuarbeiten, sie stehen zu lassen und sie nicht wegerklären zu wollen.
Dabei wird sein Buch von einer Hauptthese bestimmt: Wer diesen Präsidenten, der nie aufhörte, seine Ansichten weiterzuentwickeln, verstehen will, der muss zuvor Lincoln, den Autodidakten, Anwalt und Lokalpolitiker näher betrachten. Und so widmet Nagler einen Großteil seines Buchs Lincolns prägenden Jahren im mittleren Westen, seiner Kindheit, während der er in einfachen Blockhütten lebte, seinem Lerneifer und seinen Lehrjahren als aufstrebender Lokalpolitiker.
Nagler erzählt von der innigen Beziehung zwischen Lincoln und seiner Frau Mary und von den Söhnen, die zunächst in der Kanzlei und später dann im Weißen Haus herumtoben durften. Er lässt auch die immer wiederkehrenden Schübe depressiver Stimmungen nicht aus, mit denen Lincoln sein Leben lang zu kämpfen hatte.
Nagler porträtiert Lincoln aus seiner eigenen Zeit heraus und setzt diese Zeit nicht in Verbindung zu heute. Das ist wohltuend und führt dazu, dass man hier mehr als durch jeden direkten Lincoln-Obama-Vergleich etwas über eine Phase der amerikanischen Geschichte erfährt, die nicht nur in der Person von Barack Obama nachwirkt, sondern die bis heute die Gesellschaft und die politische Kultur der USA prägen.
Rezensiert von Sibylle Salewski
Jörg Nagler: Abraham Lincoln: Amerikas großer Präsident. Eine Biographie
C.H. Beck, München 2009
464 Seiten, 26,90 Euro
Mit diesen Taten verdiente sich Lincoln seine Stellung als politische Lichtgestalt, deren Porträt bis heute in vielen afroamerikanischen Haushalten zu finden ist. Jörg Nagler beschreibt das genauso nüchtern und eingängig wie die dunkleren Seiten seiner Amtszeit: Persönlich verantwortete Lincoln die brutale und verlustreiche Kriegsführung gegen die Südstaaten.
Lange Zeit sträubte er sich gegen das Wahlrecht für schwarze Amerikaner und plädierte dafür, befreite Sklaven nach Afrika zurückzubringen und dort zu rekolonialisieren. Der Befreier der Sklaven war selbst von rassistischen Vorurteilen geprägt.
Einfühlsam zeichnet Nagler auch Lincolns innere und äußere Widersprüche nach: die spannungsreichen Beziehungen zu seinen Kabinettsmitgliedern, zum Kongress und auch zur Bevölkerung, die Lincoln und seiner Amtsführung keinesfalls immer wohlwollend gegenüber eingestellt war. Nagler tut gut daran, diese Spannungen herauszuarbeiten, sie stehen zu lassen und sie nicht wegerklären zu wollen.
Dabei wird sein Buch von einer Hauptthese bestimmt: Wer diesen Präsidenten, der nie aufhörte, seine Ansichten weiterzuentwickeln, verstehen will, der muss zuvor Lincoln, den Autodidakten, Anwalt und Lokalpolitiker näher betrachten. Und so widmet Nagler einen Großteil seines Buchs Lincolns prägenden Jahren im mittleren Westen, seiner Kindheit, während der er in einfachen Blockhütten lebte, seinem Lerneifer und seinen Lehrjahren als aufstrebender Lokalpolitiker.
Nagler erzählt von der innigen Beziehung zwischen Lincoln und seiner Frau Mary und von den Söhnen, die zunächst in der Kanzlei und später dann im Weißen Haus herumtoben durften. Er lässt auch die immer wiederkehrenden Schübe depressiver Stimmungen nicht aus, mit denen Lincoln sein Leben lang zu kämpfen hatte.
Nagler porträtiert Lincoln aus seiner eigenen Zeit heraus und setzt diese Zeit nicht in Verbindung zu heute. Das ist wohltuend und führt dazu, dass man hier mehr als durch jeden direkten Lincoln-Obama-Vergleich etwas über eine Phase der amerikanischen Geschichte erfährt, die nicht nur in der Person von Barack Obama nachwirkt, sondern die bis heute die Gesellschaft und die politische Kultur der USA prägen.
Rezensiert von Sibylle Salewski
Jörg Nagler: Abraham Lincoln: Amerikas großer Präsident. Eine Biographie
C.H. Beck, München 2009
464 Seiten, 26,90 Euro