"Eine Musik, worüber die Welt erstaunen soll"
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Vor etwas mehr als 200 Jahren revolutionierte eine mechanische Erfindung die Musikwelt: das Ventil.
Die Geschichte der Ventilblasinstrumente beginnt mit einem Brief. "Allerdurchlauchtigster Großmächtiger König, Allergnädigster König und Herr! Eure Königliche Majestät mit meinem aller devotesten Schreiben zu behelligen, würde ich mich nie unterfangen haben, wenn es nicht allgemein bekannt wäre, daß Eure Majestät nützliche Erfindungen huldreichst unterstützen."
Höchst einfach, leicht und schnell
So schreibt der Hornist Heinrich Stölzel am 6. Dezember 1814 an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen. Er beklagt die Unvollkommenheit des Horns, um dann stolz zu vermelden:
"Mein Waldhorn giebt alle Töne, zwischen den tiefsten und höchsten, ohne die Hand in das Schallstück zu stopfen, mit gleicher Reinheit und Stärke an. Der Mechanismus meiner Erfindung ist höchst einfach, leicht und schnell zu behandeln und jeder, der das Instrument bläßt, kann sich in einigen Tagen mit seiner Anwendung vollkommen vertraut machen."
Der Mechanismus besteht darin, dass durch Betätigung eines Drückers zusätzliche Rohrteile zugeschaltet werden, die Luft nimmt einen längeren Weg, der Ton wird tiefer. Dies löste mit einem Schlag das große Problem, mit dem Trompeten seit jeher zu kämpfen hatten: Ihr Tonvorrat war auf die Naturtonreihe begrenzt, Grundton, Oktav, Quinte und so weiter. Erst ab dem achten Oberton fügt sich eine lückenlose Tonleiter zusammen, und das Spielen in den hohen Lagen ist so schwierig, dass schon im Mittelalter Trompeter, die das so genannte Clarin-Blasen beherrschten, fürstlich entlohnt wurden.
Bögen, Züge, Klappen
An Versuchen, die Blechblasinstrumente zu verbessern, mangelte es nicht. Einsteckbögen, ein Zug wie bei der Posaune, Klappen wie bei den Holzblasinstrumenten oder die Stopftechnik. All das vergrößerte den Tonvorrat, aber jede Methode brachte auch Nachteile mit sich: Mal wurde der Klang ungleichmäßig, wie beim Stopfen, mal wurde er weich und wenig strahlkräftig, wie bei der Klappentrompete.
Stölzels Erfindung ermöglichte es nun, ohne große klangliche Einbußen Rohrteile hinzuzufügen, und zwar während des Spielens, ohne dass man umständlich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bögen hantieren musste. Und das nicht nur beim Horn, sondern auch bei der Trompete.
Die ersten Ventile wirkten noch eher unbeholfen: Rechte Winkel im Rohrverlauf beeinträchtigten den Klang, manche waren schwergängig, schlossen nicht luftdicht ab oder der Rückholmechanismus verursachte Probleme. Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Technik perfektioniert. Und doch blieben manche Musiker bewusst bei früheren Modellen. Die Wiener Philharmoniker verwenden bis heute ein Horn mit dem so genannten Doppelrohr-Schubventil, bei dem sich zwei Kolben gleichzeitig bewegen. Es ist heikler zu spielen als das übliche Doppelhorn, hat aber einen ganz besonderen, weichen Ton. Und es ist für den berühmten Klang der Wiener Philharmoniker ganz entscheidend.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstand eine Vielzahl unterschiedlicher Ventil-Typen: Stölzelventil, Kastenventil, Wiener Ventil, Altmainzer und Neumainzer Maschine, Berliner Pumpe, Kreuzventil, Drehventil, Périnet-Ventil und wie sie alle heißen.
Aufschwung durch Militärkapellen
Die Militärkapellen des 19. Jahrhunderts brauchten viele und gut spielbare Instrumente. Gleichzeitig wurden die Metallblasinstrumente für nahezu jedermann erschwinglich - und sie waren dank der Ventile viel leichter zu erlernen als zuvor.
Die Ventile boten auch endlich die Möglichkeit, gut klingende Bassinstrumente wie die Tuba zu bauen. Etliche Kuriositäten erblickten in jener brodelnden Zeit der Erfindungen das Licht der Welt: die Aida-Trompete, die Wagner-Tuba oder Ungetüme mit zwei oder noch mehr Schalltrichtern - das amerikanische Double-Bell-Euphonium zum Beispiel, Posaune und Euphonium in einem.
Eine informative Seite mit vielen Fotos zur Geschichte der Ventilblasinstrumente hat der Sammler Dirk Arzig zusammengestellt.