Von der heiligen Jungfrau zur jungen Gottesmutter
In seinem neuesten Werk beschäftigt sich Jacques Duquesne mit einer der berühmtesten Frauen der Weltgeschichte: mit Maria von Nazareth, der Mutter Jesu Christi. Er will nach eigenem Bekunden zurück zu der einfachen Frau und Mutter und weg von dem Jungfrauenkult. "Maria" ist ein Ende 2004 in Frankreich erschienener Bestseller, der nun in deutscher Übersetzung vorliegt.
Was haben die französischen Bischöfe an diesem Buch auszusetzen?
Das Buch, stelle - so wörtlich "einen schweren Angriff auf den katholischen Glauben" dar, sagt die Glaubenskommission der französischen Bischofskonferenz. Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Denn erstens ist Jacques Duquesne ein gläubiger Katholik; und zweitens beruft er sich in seinem Urteil öfters auf einen Theologen namens Joseph Ratzinger. Das Buch ist 2004 erschienen. Wäre interessant zu wissen, ob die französischen Bischöfe dieses Buch auch noch verurteilt hätten, nachdem aus Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. geworden ist.
Das Buch ist also ein Zeugnis der theologischen Grabenkriege innerhalb der katholischen Kirche?
Unbedingt. "Maria" ist ein Thema, an dem sich die (katholischen) Geister scheiden. Da gibt es zwei extreme Positionen und eine ganze Menge "Mittelwege". Was die Extreme betrifft: die einen sagen: Maria, das war eine ganz normale Frau, die Mutter von Jesus eben. Die anderen behaupten: Maria, das ist die Mutter Gottes, die "Himmelskönigin", sie billigen ihr den Status einer Heiligen, wenn nicht gar den einer Göttin zu.
In dieser Sache unterscheidet sich der neue Papst sehr scharf von seinem Vorgänger, das kann man in diesem Buch nachlesen. Johannes Paul II. war nämlich ein Anhänger des Marienkultes. Er hat dafür gestritten, dass Maria der Titel "Mutter der Kirche" erhalten bleibt. Und er war felsenfest der Meinung, Maria von Nazareth habe schon vor der Zeugung von Jesus ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Jesus sei durch Gottes Heiligen Geist gezeugt worden und Maria, seine Mutter, als Jungfrau gestorben. Joseph Ratzinger dagegen schreibt, dass es den Status von Jesus keinesfalls beschädigen würde, wenn er aus einer ganz normalen Ehe hervorgegangen wäre.
Und was hat Jacques Duquesne über Maria herausgefunden?
Jacques Duquesne hat sich vorgenommen, Maria von Nazareth "zu befreien von den Bergen von Blumen, unter denen Gläubige und Devotionalienhändler sie begraben haben." Der Autor will zurück zu der schlichten Maria von Nazareth, zu der einfachen Frau und Mutter, die ihren Sohn bis unters Kreuz begleitet hat. Er hält sich an die Quellen, sprich: an die Evangelien. Die Rede von der "Jungfrau Maria" ist, so Duquesne, ein Übersetzungsfehler: In der hebräischen Bibel ist von einer "jungen Frau" die Rede, die den Messias zur Welt bringen wird. Die griechische Übersetzung hat aus dieser "jungen Frau" eine Jungfrau gemacht.
Wenn das so einfach ist, wie ist der Marienkult in der katholischen Kirche dann überhaupt zustande gekommen?
Der Marienkult ist nicht "Christentum", sondern "Kirchengeschichte": Bei Paulus und Petrus spielt Maria keine Rolle. Erst rund 350 Jahre nach Christi Kreuzigung taucht in den Gemeinden plötzlich ein Prediger namens Proklos auf, der viele Anhänger gewinnt, weil er von Maria schwärmt. Im Jahre 431 gab es in Ephesos ein Konzil der Bischöfe. Dort heißt es: "Heil Dir, Maria, Gottes Mutter, Du nie verlöschende Lampe, Du Krone der Jungfräulichkeit…"
Das 5. Jahrhundert ist übrigens genau die Zeit, als ein griechischer Philosoph namens Plotin großen Einfluss gewinnt auf das Denken der Christen. Plotin, Schüler von Platon, ist einer, der "Askese" predigt und Sex als eine schmutzige, niedrige Angelegenheit verteufelt. Wer damals als vornehm gelten wollte, der lebte enthaltsam.
Unter den Bedingungen dieser "geistigen Mode" wird die Mutter von Christus natürlich als Jungfrau dargestellt. Seit dem Konzil von Ephesos schwelt in der katholischen Kirche der Streit um Maria und der Streit um den Sex von Maria - und der ist bis heute nicht ausgestanden.
Gibt es auch Defizite in diesem Buch?
Durchaus. Was das Buch nur ungenügend leistet, ist die Beantwortung der Frage: Warum fühlen sich so viele Katholiken nach wie vor zu der "göttlichen Maria" hingezogen, auch wenn ihnen die "historisch-kritischen Wahrheiten" durchaus bekannt sind (es ist schwer zu glauben, Johannes Paul II. sei nicht "bibelfest" gewesen). Vielleicht liegt es ja am Fehlen des "weiblichen Elements" in der christlichen Religion?
Anscheinend wollen viele Katholiken - besonders in Osteuropa: in Polen zum Beispiel, der Heimat von Johannes Paul II. ", aber auch in den romanischen Ländern: Frankreich, Italien - eben nicht nur zu einem "Vater im Himmel" beten können, sondern auch zu einer "Mutter", zu einer Mutter, die alles Leid der Welt versteht, weil sie ihren eigenen Sohn bis an die Schwelle des Todes begleitet hat.
Also, dieses Bedürfnis soll man nicht unterschätzen, und es lässt sich - wie so oft im Falle von Glaubenswahrheiten - mit historisch-kritischen Argumenten nicht erledigen. Aber eine Ahnung davon, dass es in der katholischen Kirche ein reales "Bedürfnis nach Maria" gibt, hat Jacques Duquesne durchaus. Er fragt sich nämlich: "Hat der Marienkult vielleicht auch damit zu tun, dass der Apparat dieser Kirche aus lauter unverheirateten Männern besteht?"
Jacques Duquesne: Maria. Die Mutter Jesu
Übersetzt von Christiane Seiler
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005
272 Seiten, 19,90 Euro.
Das Buch, stelle - so wörtlich "einen schweren Angriff auf den katholischen Glauben" dar, sagt die Glaubenskommission der französischen Bischofskonferenz. Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie. Denn erstens ist Jacques Duquesne ein gläubiger Katholik; und zweitens beruft er sich in seinem Urteil öfters auf einen Theologen namens Joseph Ratzinger. Das Buch ist 2004 erschienen. Wäre interessant zu wissen, ob die französischen Bischöfe dieses Buch auch noch verurteilt hätten, nachdem aus Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. geworden ist.
Das Buch ist also ein Zeugnis der theologischen Grabenkriege innerhalb der katholischen Kirche?
Unbedingt. "Maria" ist ein Thema, an dem sich die (katholischen) Geister scheiden. Da gibt es zwei extreme Positionen und eine ganze Menge "Mittelwege". Was die Extreme betrifft: die einen sagen: Maria, das war eine ganz normale Frau, die Mutter von Jesus eben. Die anderen behaupten: Maria, das ist die Mutter Gottes, die "Himmelskönigin", sie billigen ihr den Status einer Heiligen, wenn nicht gar den einer Göttin zu.
In dieser Sache unterscheidet sich der neue Papst sehr scharf von seinem Vorgänger, das kann man in diesem Buch nachlesen. Johannes Paul II. war nämlich ein Anhänger des Marienkultes. Er hat dafür gestritten, dass Maria der Titel "Mutter der Kirche" erhalten bleibt. Und er war felsenfest der Meinung, Maria von Nazareth habe schon vor der Zeugung von Jesus ein Keuschheitsgelübde abgelegt. Jesus sei durch Gottes Heiligen Geist gezeugt worden und Maria, seine Mutter, als Jungfrau gestorben. Joseph Ratzinger dagegen schreibt, dass es den Status von Jesus keinesfalls beschädigen würde, wenn er aus einer ganz normalen Ehe hervorgegangen wäre.
Und was hat Jacques Duquesne über Maria herausgefunden?
Jacques Duquesne hat sich vorgenommen, Maria von Nazareth "zu befreien von den Bergen von Blumen, unter denen Gläubige und Devotionalienhändler sie begraben haben." Der Autor will zurück zu der schlichten Maria von Nazareth, zu der einfachen Frau und Mutter, die ihren Sohn bis unters Kreuz begleitet hat. Er hält sich an die Quellen, sprich: an die Evangelien. Die Rede von der "Jungfrau Maria" ist, so Duquesne, ein Übersetzungsfehler: In der hebräischen Bibel ist von einer "jungen Frau" die Rede, die den Messias zur Welt bringen wird. Die griechische Übersetzung hat aus dieser "jungen Frau" eine Jungfrau gemacht.
Wenn das so einfach ist, wie ist der Marienkult in der katholischen Kirche dann überhaupt zustande gekommen?
Der Marienkult ist nicht "Christentum", sondern "Kirchengeschichte": Bei Paulus und Petrus spielt Maria keine Rolle. Erst rund 350 Jahre nach Christi Kreuzigung taucht in den Gemeinden plötzlich ein Prediger namens Proklos auf, der viele Anhänger gewinnt, weil er von Maria schwärmt. Im Jahre 431 gab es in Ephesos ein Konzil der Bischöfe. Dort heißt es: "Heil Dir, Maria, Gottes Mutter, Du nie verlöschende Lampe, Du Krone der Jungfräulichkeit…"
Das 5. Jahrhundert ist übrigens genau die Zeit, als ein griechischer Philosoph namens Plotin großen Einfluss gewinnt auf das Denken der Christen. Plotin, Schüler von Platon, ist einer, der "Askese" predigt und Sex als eine schmutzige, niedrige Angelegenheit verteufelt. Wer damals als vornehm gelten wollte, der lebte enthaltsam.
Unter den Bedingungen dieser "geistigen Mode" wird die Mutter von Christus natürlich als Jungfrau dargestellt. Seit dem Konzil von Ephesos schwelt in der katholischen Kirche der Streit um Maria und der Streit um den Sex von Maria - und der ist bis heute nicht ausgestanden.
Gibt es auch Defizite in diesem Buch?
Durchaus. Was das Buch nur ungenügend leistet, ist die Beantwortung der Frage: Warum fühlen sich so viele Katholiken nach wie vor zu der "göttlichen Maria" hingezogen, auch wenn ihnen die "historisch-kritischen Wahrheiten" durchaus bekannt sind (es ist schwer zu glauben, Johannes Paul II. sei nicht "bibelfest" gewesen). Vielleicht liegt es ja am Fehlen des "weiblichen Elements" in der christlichen Religion?
Anscheinend wollen viele Katholiken - besonders in Osteuropa: in Polen zum Beispiel, der Heimat von Johannes Paul II. ", aber auch in den romanischen Ländern: Frankreich, Italien - eben nicht nur zu einem "Vater im Himmel" beten können, sondern auch zu einer "Mutter", zu einer Mutter, die alles Leid der Welt versteht, weil sie ihren eigenen Sohn bis an die Schwelle des Todes begleitet hat.
Also, dieses Bedürfnis soll man nicht unterschätzen, und es lässt sich - wie so oft im Falle von Glaubenswahrheiten - mit historisch-kritischen Argumenten nicht erledigen. Aber eine Ahnung davon, dass es in der katholischen Kirche ein reales "Bedürfnis nach Maria" gibt, hat Jacques Duquesne durchaus. Er fragt sich nämlich: "Hat der Marienkult vielleicht auch damit zu tun, dass der Apparat dieser Kirche aus lauter unverheirateten Männern besteht?"
Jacques Duquesne: Maria. Die Mutter Jesu
Übersetzt von Christiane Seiler
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005
272 Seiten, 19,90 Euro.