Von der Leyen hält Elterngeld für verfassungskonform
Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, CDU, hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken bei der Einführung des neuen Elterngeldes.
Wenn es für Frauen und Männer die gleichen Bedingungen bei der Auszahlung gebe, befürchte sie im Gegensatz zu ihrem Parteikollegen Jürgen Rüttgers keine verfassungsmäßigen Probleme, sagte von der Leyen am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Rüttgers hatte kritisiert, dass Väter zwei Monate zur Kinderbetreuung verpflichtet werden sollten.
Moderation: Jörg Degenhardt
Degenhardt:Sie, aber auch viele andere finden, in diesem Land werden zu wenige Kinder geboren. Braucht es ein anderes Klima für Eltern und deren Nachwuchs? Wie kann man das ändern? Darüber möchte ich mit der Ministerin sprechen. Guten Morgen, Frau von der Leyen!
Leyen: Guten Morgen!
Degenhardt:Trotz der Finanznot des Bundes will die große Koalition Milliardenbeträge zur Förderung von Eltern und Kindern aufbringen. Zum Beispiel für das Elterngeld ab 2007, das gibt es aber nur, wenn auch die Väter mindestens zwei Monate zu Hause bleiben. Ist das verfassungskonform? Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Herr Rüttgers, bezweifelt das.
Leyen: Zunächst einmal: Das Elterngeld gibt es grundsätzlich für die Eltern die ersten acht Monate, völlig unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Also, ob sie erwerbstätig bleiben, ob sie ausschließlich sich um die Kinder kümmern oder untereinander aufteilen Beruf und Familie. Dann gibt es zwei Monate, die darf die Mutter nehmen, und dann gibt es zwei Monate, die darf der Vater nehmen. Wir haben hier sehr stark gelernt auch vom Ausland. In Norwegen und Schweden zum Beispiel gibt es diese Vätermonate, in England auch, und diese Länder haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass das auch den Vätern den Rücken stärkt, wenn sie zwei oder drei Monate die Elternzeit nehmen können, dann ihr Einkommen nicht auf Null einbricht, sondern sie bekommen das Elterngeld. Und dass sie dann auch die erste tiefe Bindung zum Kind haben können und mal lernen wie das ist, wenn man 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche sich eben um dieses kleine Neugeborene kümmert. Die Schweden haben 40 Prozent inzwischen der Väter, die diese Vatermonate nehmen, und es hat dem Land gut getan, es hat der Wirtschaft gut getan.
Degenhardt:Es sind aber nicht mehr Kinder geboren worden?
Leyen: In Schweden ist die Geburtenrate höher als bei uns in Deutschland. Mit dem Elterngeld ist die Geburtenrate gestiegen. Und was ganz entscheidend ist, ich glaube das ist das, was das Elterngeld auch mit sich bringt, die Vatermonate, es ist ein neues Klima entstanden, nämlich dass die Menschen verstanden haben, und die Wirtschaft vor allem auch verstanden hat, junge Menschen, die gut ausgebildet sind, die wünschen sich Kinder, aber die wollen gerne auch weiter im Beruf arbeiten und das gilt für Mütter wie für Väter. Denn Kinder brauchen die Mütter, sie brauchen aber auch die Väter. Und hier eine neue Arbeitskultur zu entwickeln, dass beides geht, dass wir beides schaffen wollen, nämlich die Kinder und die Talente in den Beruf einbringen, das ist ganz wichtig. Denn wenn wir dies nicht tun, dann passiert das, was in Deutschland in den letzten 30 Jahren passiert ist, immer mehr Menschen verzichten auf Kinder.
Degenhardt:Und Sie haben keine Probleme damit, dass es vielleicht verfassungsrechtliche Bedenken haben könne? Das war ja meine Frage. Das war ja auch der Einwand Ihres Parteifreundes Herr Rüttgers.
Leyen: Wenn es für Männer und für Frauen die gleichen Bedingungen gibt, dann wird es keine verfassungsrechtlichen Bedenken geben. Es ist ja auch so, dass wer nicht möchte, der braucht die Elternzeit nicht zu nehmen, so wie das heute auch der Fall ist. Auch heute ist schon Zeit für die Väter reserviert, allerdings ohne Elterngeld, also sie bekommen dann keinen Lohnersatz, wer nicht möchte, kann weiterleben wie bisher, nur die jungen Väter, die sagen, ich möchte für mein Kind ein, zwei Monate auch wirklich Zeit am Anfang des Lebens haben, gleiches gilt für die jungen Mütter, die stehen heute nicht mehr mittellos dar, sondern werden dann das Elterngeld bekommen und werden eine echte Alternative haben auch in den Betrieben, in den Unternehmen wird das natürlich den Stellenwert der Elternarbeit aufwerten. Und nur wenn wir in der Arbeitswelt auch gedanklich und von dem Zeitablauf Raum und Zeit für Kinder schaffen, dann werden wir diese Arbeitskultur, die auch Kinder zulässt schaffen können.
Degenhardt:Ich bleibe noch mal bei Herr Rüttgers, Ihr stellvertretender Parteichef hat nämlich auch eine soziale Schifflage kritisiert. Die Menschen bekommen um so mehr für ihre Kinder, je mehr sie verdienen. Herr Rüttgers sagt, das sei unsozial.
Leyen: Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung, das heißt bei der Geburt eines Kindes fällt ja typischerweise Einkommen völlig weg. Bei Alleinerziehenden fällt die gesamte Lebensgrundlage weg, nämlich sie haben kein Einkommen mehr. Eine Lohnersatzleistung heißt, wenn man vorher eine bestimmte Höhe hatte, dann geht das Elterngeld, zu zwei Dritteln wird das ausgezahlt diese bestimmte Höhe des Einkommens, allerdings maximal 1800 Euro. Und ich möchte einfach noch mal eine Lanze brechen, weil viele junge Menschen sagen, dies ist jetzt eine Alternative für uns, dass wir im ersten Lebensjahr des Kindes nicht vor Null stehen, sondern all die Apothekenhelferinnen, die Krankengymnasten, der Handwerksmeister, diese jungen Menschen, die junge Assistenzärztin, am Anfang ihres Lebens, haben dann, wenn ein Kind geboren ist, einen Teil ihres Einkommens im ersten Lebensjahr. Und dann ist ganz klar das Signal des Staates, danach sind sie für den Lebensunterhalt des Kindes verantwortlich, das heißt, sie müssen ihn verdienen.
Degenhardt:Frau von der Leyen, zu einem familienfreundlicheren Klima in unserer Gesellschaft gehört auch die Unterstützung für die, die mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert sind, gerade erst hat der Hungertod der siebenjährigen Jessica die Öffentlichkeit erschüttert, wie wollen Sie denn Eltern, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, helfen?
Leyen: Dies ist eines der dringendsten Probleme in Deutschland. Ich denke wir müssen viel stärker hinschauen bei den Kindern, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Und zwar ganz am Anfang des Lebens. Wir wissen inzwischen, dass am Ende der Schwangerschaft und in den ersten Wochen, Monaten und Jahren eines Kindes, die Weichen für seine spätere Entwicklung gestellt werden. Und da ist ganz entscheidend, dass diese Kinder verlässliche Bindung haben. Und wenn die Mutter oder der Vater, die typischerweise dieses Schaffen, die der sichere Hafen für die Kinder sind. Wenn diese Eltern überfordert sind, wenn Gewalt in der Familie herrscht, wenn Armut herrscht, wenn die Eltern drogensüchtig sind, oder wenn sie einfach nicht fähig sind zu erziehen, dann denke ich, müssen wir genauer am Anfang des Lebens hinschauen und diesen Kindern helfen.
Wir wollen ein Frühförderungsprogramm für diese Kinder anfangen, beginnen in Deutschland, in dem Familienhebammen in die Familien gehen und stabilisierend wirken, später die Familienhelfer, den Kindern eine Struktur eine verlässliche Bindung geben, dafür Sorgen, dass die Eltern zum Beispiel wieder an Arbeit kommen, damit sie einen geregelten Tagesablauf haben, dass die Kinder andere Kinder erleben, und nicht nur vor dem Fernseher geparkt werden. Am Anfang des Lebens entscheidet sich, ob die Kinder ihre Talente entfalten können, die angelegt sind, oder ob diese Kinder verkümmern. Und wir haben bisher die Augen hier geschlossen, das ist für mich eines der wichtigsten Gebiete hier genauer hinzuschauen.
Degenhardt:Ursula von der Leyen, die neue Familienministerin hier im Programm von Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank für das Gespräch!
Moderation: Jörg Degenhardt
Degenhardt:Sie, aber auch viele andere finden, in diesem Land werden zu wenige Kinder geboren. Braucht es ein anderes Klima für Eltern und deren Nachwuchs? Wie kann man das ändern? Darüber möchte ich mit der Ministerin sprechen. Guten Morgen, Frau von der Leyen!
Leyen: Guten Morgen!
Degenhardt:Trotz der Finanznot des Bundes will die große Koalition Milliardenbeträge zur Förderung von Eltern und Kindern aufbringen. Zum Beispiel für das Elterngeld ab 2007, das gibt es aber nur, wenn auch die Väter mindestens zwei Monate zu Hause bleiben. Ist das verfassungskonform? Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Herr Rüttgers, bezweifelt das.
Leyen: Zunächst einmal: Das Elterngeld gibt es grundsätzlich für die Eltern die ersten acht Monate, völlig unabhängig davon, wie sie sich verhalten. Also, ob sie erwerbstätig bleiben, ob sie ausschließlich sich um die Kinder kümmern oder untereinander aufteilen Beruf und Familie. Dann gibt es zwei Monate, die darf die Mutter nehmen, und dann gibt es zwei Monate, die darf der Vater nehmen. Wir haben hier sehr stark gelernt auch vom Ausland. In Norwegen und Schweden zum Beispiel gibt es diese Vätermonate, in England auch, und diese Länder haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass das auch den Vätern den Rücken stärkt, wenn sie zwei oder drei Monate die Elternzeit nehmen können, dann ihr Einkommen nicht auf Null einbricht, sondern sie bekommen das Elterngeld. Und dass sie dann auch die erste tiefe Bindung zum Kind haben können und mal lernen wie das ist, wenn man 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche sich eben um dieses kleine Neugeborene kümmert. Die Schweden haben 40 Prozent inzwischen der Väter, die diese Vatermonate nehmen, und es hat dem Land gut getan, es hat der Wirtschaft gut getan.
Degenhardt:Es sind aber nicht mehr Kinder geboren worden?
Leyen: In Schweden ist die Geburtenrate höher als bei uns in Deutschland. Mit dem Elterngeld ist die Geburtenrate gestiegen. Und was ganz entscheidend ist, ich glaube das ist das, was das Elterngeld auch mit sich bringt, die Vatermonate, es ist ein neues Klima entstanden, nämlich dass die Menschen verstanden haben, und die Wirtschaft vor allem auch verstanden hat, junge Menschen, die gut ausgebildet sind, die wünschen sich Kinder, aber die wollen gerne auch weiter im Beruf arbeiten und das gilt für Mütter wie für Väter. Denn Kinder brauchen die Mütter, sie brauchen aber auch die Väter. Und hier eine neue Arbeitskultur zu entwickeln, dass beides geht, dass wir beides schaffen wollen, nämlich die Kinder und die Talente in den Beruf einbringen, das ist ganz wichtig. Denn wenn wir dies nicht tun, dann passiert das, was in Deutschland in den letzten 30 Jahren passiert ist, immer mehr Menschen verzichten auf Kinder.
Degenhardt:Und Sie haben keine Probleme damit, dass es vielleicht verfassungsrechtliche Bedenken haben könne? Das war ja meine Frage. Das war ja auch der Einwand Ihres Parteifreundes Herr Rüttgers.
Leyen: Wenn es für Männer und für Frauen die gleichen Bedingungen gibt, dann wird es keine verfassungsrechtlichen Bedenken geben. Es ist ja auch so, dass wer nicht möchte, der braucht die Elternzeit nicht zu nehmen, so wie das heute auch der Fall ist. Auch heute ist schon Zeit für die Väter reserviert, allerdings ohne Elterngeld, also sie bekommen dann keinen Lohnersatz, wer nicht möchte, kann weiterleben wie bisher, nur die jungen Väter, die sagen, ich möchte für mein Kind ein, zwei Monate auch wirklich Zeit am Anfang des Lebens haben, gleiches gilt für die jungen Mütter, die stehen heute nicht mehr mittellos dar, sondern werden dann das Elterngeld bekommen und werden eine echte Alternative haben auch in den Betrieben, in den Unternehmen wird das natürlich den Stellenwert der Elternarbeit aufwerten. Und nur wenn wir in der Arbeitswelt auch gedanklich und von dem Zeitablauf Raum und Zeit für Kinder schaffen, dann werden wir diese Arbeitskultur, die auch Kinder zulässt schaffen können.
Degenhardt:Ich bleibe noch mal bei Herr Rüttgers, Ihr stellvertretender Parteichef hat nämlich auch eine soziale Schifflage kritisiert. Die Menschen bekommen um so mehr für ihre Kinder, je mehr sie verdienen. Herr Rüttgers sagt, das sei unsozial.
Leyen: Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung, das heißt bei der Geburt eines Kindes fällt ja typischerweise Einkommen völlig weg. Bei Alleinerziehenden fällt die gesamte Lebensgrundlage weg, nämlich sie haben kein Einkommen mehr. Eine Lohnersatzleistung heißt, wenn man vorher eine bestimmte Höhe hatte, dann geht das Elterngeld, zu zwei Dritteln wird das ausgezahlt diese bestimmte Höhe des Einkommens, allerdings maximal 1800 Euro. Und ich möchte einfach noch mal eine Lanze brechen, weil viele junge Menschen sagen, dies ist jetzt eine Alternative für uns, dass wir im ersten Lebensjahr des Kindes nicht vor Null stehen, sondern all die Apothekenhelferinnen, die Krankengymnasten, der Handwerksmeister, diese jungen Menschen, die junge Assistenzärztin, am Anfang ihres Lebens, haben dann, wenn ein Kind geboren ist, einen Teil ihres Einkommens im ersten Lebensjahr. Und dann ist ganz klar das Signal des Staates, danach sind sie für den Lebensunterhalt des Kindes verantwortlich, das heißt, sie müssen ihn verdienen.
Degenhardt:Frau von der Leyen, zu einem familienfreundlicheren Klima in unserer Gesellschaft gehört auch die Unterstützung für die, die mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert sind, gerade erst hat der Hungertod der siebenjährigen Jessica die Öffentlichkeit erschüttert, wie wollen Sie denn Eltern, die ihren Aufgaben nicht gewachsen sind, helfen?
Leyen: Dies ist eines der dringendsten Probleme in Deutschland. Ich denke wir müssen viel stärker hinschauen bei den Kindern, die auf der Schattenseite des Lebens geboren werden. Und zwar ganz am Anfang des Lebens. Wir wissen inzwischen, dass am Ende der Schwangerschaft und in den ersten Wochen, Monaten und Jahren eines Kindes, die Weichen für seine spätere Entwicklung gestellt werden. Und da ist ganz entscheidend, dass diese Kinder verlässliche Bindung haben. Und wenn die Mutter oder der Vater, die typischerweise dieses Schaffen, die der sichere Hafen für die Kinder sind. Wenn diese Eltern überfordert sind, wenn Gewalt in der Familie herrscht, wenn Armut herrscht, wenn die Eltern drogensüchtig sind, oder wenn sie einfach nicht fähig sind zu erziehen, dann denke ich, müssen wir genauer am Anfang des Lebens hinschauen und diesen Kindern helfen.
Wir wollen ein Frühförderungsprogramm für diese Kinder anfangen, beginnen in Deutschland, in dem Familienhebammen in die Familien gehen und stabilisierend wirken, später die Familienhelfer, den Kindern eine Struktur eine verlässliche Bindung geben, dafür Sorgen, dass die Eltern zum Beispiel wieder an Arbeit kommen, damit sie einen geregelten Tagesablauf haben, dass die Kinder andere Kinder erleben, und nicht nur vor dem Fernseher geparkt werden. Am Anfang des Lebens entscheidet sich, ob die Kinder ihre Talente entfalten können, die angelegt sind, oder ob diese Kinder verkümmern. Und wir haben bisher die Augen hier geschlossen, das ist für mich eines der wichtigsten Gebiete hier genauer hinzuschauen.
Degenhardt:Ursula von der Leyen, die neue Familienministerin hier im Programm von Deutschlandradio Kultur. Vielen Dank für das Gespräch!