Von der Leyens Visionen

Von Jacqueline Boysen |
Auch innerhalb der Union provoziert Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen mit ihren Positionen immer wieder heftigen Widerspruch. Nun hat die christdemokratische Vorkämpferin für einen konservativen Feminismus ihre Visionen in Buchform vorgelegt.
Verhalten lächelt sie, die zart gebaute, fernsehgerecht überschminkte und ob ihrer Zähigkeit geschmähte wie bewunderte Bundesfamilienministerin. Ursula von der Leyen posiert zusammen mit der Autorin des Buches, der Fernsehjournalistin Maria von Welser geduldig für die Fotografen - beide routiniert, aber die Ministerin wie hinter einer Maske versteckt, die Medienfrau dagegen offensiv im Spiel mit den Kameras.

Die beiden Frauen haben erkannt, "Wir müssen", wie der Titel ihres Buches prosaisch verheißt, "unser Land für die Frauen verändern". Und sie spüren schon – getreu dem altem Diktum vom einstigen Bundespräsidenten Roman Herzog – einen Ruck durchs Land gehen. Viel sei in Bewegung geraten in der Frauen- oder besser Familienpolitik, die doch eigentlich zunächst einem Verfassungsgrundsatz gerecht werden sollte, so die simple Analyse von Frau von Welser

"Wir wollen erstmal den GG Art. 3 gleiches Recht für Frauen und Männer in diesem Land. Es gibt immer noch nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit, sprich Frauen haben noch nicht die gleichen Chancen, wenn sie sich für den Beruf entscheiden, müssen immer noch."

Mit der Feststellung, Frauen sind in dieser Gesellschaft, auch wenn sie auf Kinder verzichten, per se nicht so erfolgreich wie ihre männlichen Mitstreiter, bahnt sich keine Revolution an. Es geht auch nicht um parteipolitische Spiegelfechtereien über die Lufthoheit über Kinderbetten oder gar um Männerfeindlichkeit – es geht den beiden Damen vielmehr darum, den Feuilleton-Begriff des "konservativen Feminismus" mit Leben zu füllen. Sie würzen die aktuelle Debatte über das individuell auszutarierende Gleichgewicht zwischen Familie und Beruf mit weiteren 225 Seiten. Der Ministerin bot ein solches Buchprojekt die Möglichkeit, unabhängig vom politischen Alltagsgeschäft "konzentriert und gezwungen" wie sie sagt, ein großes Bild zu zeichnen von ihrer Gesellschaftsvision. Dreimal zwei Stunden hätte sie mit der Autorin intensive Gespräche geführt – das in optimistischem Grün gehaltene Buch gibt diese in Interviewform wieder. Doch wirklich angewiesen auf ein zusätzliches Verbreitungsmedium scheint die selbstbewusste Ministerin nicht zu sein – längst rangieren ihre Themen nicht mehr unter Gedöns:

"Ob es Innovation ist, ob es Umwelt, Finanz- oder Landwirtschaftsthemen oder Bildung – so breit der Kabinettstisch gefächert ist: ohne Kinder und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und innovationsfähig zu sein, was zusammenhängt, gehen diese Dinge nicht. Und insofern hat man als Familienministerin ganz viel mitzureden."

So unbedarft Maria von Welsers Fragen daherkommen, den Antworten der Ministerin ist zu entnehmen, was wir über die Familienpolitik in der Generation nach Rita Süßmuth längst wissen: Dogmatismus ist der christdemokratischen Vorkämpferin der Familie denkbar fremd, als Ärztin und Mutter von sieben Kindern ist sie pragmatisch, als Politiker-Tochter auch abgebrüht. Außerdem verlässt sie sich auf eine mächtige Schutzpatronin:

"Es ist eine unglaubliche Hilfe für meine Themen, eine Frau an der Spitze zu haben, die ein sicheres Gespür dafür hat, wie wichtig diese Debatten sind und die sie zulässt. Insofern spielt die Persönlichkeit Merkel eine Rolle, da bin ich mir ganz sicher."

Ebenso sicher sei sie, dass die Debatte über den rechten Weg in der Kinderbetreuung sich allmählich versachliche, auch Unternehmen langsam aber sicher und aus purer Notwendigkeit familienfreundlicher würden und sich – nicht zuletzt – die Polemik gegenüber ihrer Person als Rabenmutter verflüchtige – hier allerdings scheint der Wunsch Vater des Gedankens. Natürlich ist Ursula von der Leyen auf eine Frage nach den bischöflichen Ausfällen gegenüber berufstätigen Müttern, den vermeintlichen Gebärmaschinen, gefasst:

"Als das Wort in der Welt war, war meine erste Reaktion, dass es schmerzlich ist, dass mit so einem hässlichen Wort die Debatte polarisiert wird. Das erste war, als Protestantin, eine Kirche sollte doch für alle Lebensentwürfe da offen sein. Das war nicht spürbar. Ich bin oft bereit, mich mit Menschen zu treffen, hier muss die Anregung wohl von dem kommen, der das Wort genommen hat. Solche Worte wie Gebärmaschine schließen aber die Tür zu."

Nein, hier soll nicht Eva Herman konterkariert werden. Auch die jüngsten Einlassungen von Hirnforschern oder Kinderpsychologen über die Bedeutung der Mutter als erster und wichtigster Bezugsperson für eine spätere stabile Persönlichkeit werden nicht berührt. Was dann? Maria von Welser, übrigens allein erziehende Mutter von zwei Kindern, hat das Glück, dass Frau von der Leyen diese Maske trägt, hinter die zu schauen reizvoll sein kann. Man kann aber sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wieder einmal eine Fernsehgröße aus der Generation der Entscheidungsträger sich einer gesellschaftspolitischen Debatte bemächtigt, die von der folgenden, weit mehr noch betroffenen Generation viel offener geführt wird. Wie sagt Frau von Welser selbst:

"Das Ziel ist klar, es ist ein langer Weg."
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