Von der Lust an der Katastrophe
In seinen ersten beiden Büchern widmete sich der deutsche Publizist Ulrich Teusch der Globalisierung und der Klimaveränderung. Sein neustes Sachbuch nun trägt den Titel "Die Katastrophengesellschaft" und geht der Frage nach, warum wir aus Schaden nicht klug werden. Es ist ein mit viel Emotion, Ironie und bisweilen Zynismus geschriebenes Werk.
Was eine Katastrophe ist, weiß jedes Kind: der Untergang der Titanic, der 11. September, der Tsunami oder die alltäglich gewordene Klimakatastrophe. Die Medien sind, wenn es geht, live dabei.
Ob es dabei immer um Information geht oder ob da manchmal eher ein Katastrophen-Voyeurismus befriedigt wird, dieser Frage und anderen ist der deutsche Publizist Ulrich Teusch nachgegangen. Sein neuestes Sachbuch trägt den Titel "Die Katastrophengesellschaft. Warum wir aus Schaden nicht klug werden" .
Teuschs Anwort darauf ist zunächst einmal weder originell noch neu, dafür aber allzumenschlich: Entweder wir wollen nicht aus Schaden klug werden, oder wir können nicht oder beides: das bekannte Bestiarium aus Dummheit und Bequemlichkeit oder auch aus Macht- und Geldgier in Management und Politik.
Grundlage Teuschs ist der alte psychologische Allgemeinplatz, dass menschliches Empfinden und Wahrnehmung sehr subjektiv sind. Teusch stellt gleich zu Beginn die Frage: Wissen Sie, wo Sie am 11. September waren? Und er fragt weiter: Wissen Sie, wo Sie am 26. April 1986 waren? Das war der Tag der Tschernobyl-Katastrophe. Wir begreifen die Relativität unserer Wahrnehmung.
Das Buch-Cover zeigt ein fast surreales Foto vom 11. September: im Hintergrund die brennenden Twin Towers, im Vordergrund aber diesseits des East Rivers eine Gruppe Menschen, die aussieht, als würde sie ein idyllisches Sommer-Picknick veranstalten. Interessanterweise wurde dieses Foto bis heute von allen internationalen Print-Medien abgelehnt: Von einer Katastrophe erwartet man katastrophale Bilder.
Genüsslich beschreibt Teusch die Medienberichterstattung von der Oder-Flut 1997: Der Mensch führt Krieg gegen die Natur: "eine Materialschlacht der Superlative, Sandsack-Bomber, der Fluss startet einen zweiten Angriff mit Torpedostämmen. Der Versuch, mit Schaufeln bewaffnet, aus der Defensive herauszukommen" usw. Die alltägliche Kriegsmetaphorik grenzt an Gehirnwäsche; da gibt es "Grabenkämpfe" in der Politik, und ein "Kanzlerkandidat wird abgeschossen".
Thematische Übersichtlichkeit darf man von Teuschs Buch nur schwerpunktartig erwarten. Aber das ist auch nicht so schlimm. Wir haben es ja, wie uns der Pressetext des Verlages schon mitteilt, mit einem Essay zu tun. Das Wort Essay kommt vom Lateinischen "exagium", das heißt "Probe", "Versuch" - also der Versuch einer vielschichtigen und intelligenten Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle, politische und gesellschaftliche Phänomene eines Themas betrachtet werden. Dieser Definition wird der Autor gerecht.
In 22 Einzelkapiteln widmet sich Teusch den Schwerpunkten Klimakatastrophe, Psychologie, Medien und besonders unserem Technik-Selbstverständnis. Darüber hinaus bietet "Die Katastrophengesellschaft" auch eine sehr zitatreiche Darstellung beziehungsweise Zusammenfassung sowohl des Diskurses zeitgenössischer Soziologie wie historischer philosophischer Ansätze von Seneca über Kant bis zu Marx als auch literarischer Adaptionen des 19. und 20. Jahrhunderts, wie zum Beispiel von Max Frisch und Walter Benjamin.
"Die Katastrophengesellschaft" ist ein sehr lebendiges Buch, deutlich mit viel Emotion geschrieben, was sich oft in Ironie und Zynismus äußert - Passagen wie: "Die größten Triumphe feiert die Demokratie bei schönem Wetter." Oder: "Das einfache Volk verdrängt Probleme. Die Gebildeten tun es zwar auch, aber auf gebildetere Art und Weise." Oder da heißen Kapitel: "Ja, mach nur einen Plan" oder Hape Kerkeling zitierend "Das ganze Leben ist ein Quiz".
Die Botschaft von Ulrich Teusch ist im Prinzip einfach. Der Mensch muss begreifen, dass sich Katastrophen nicht durch noch so raffinierte Technik verhindern lassen: Auch ein Öko-Auto lässt sich nicht auf den Komposthaufen werfen, und auch Energiesparlampen wachsen nicht auf Bäumen.
Teusch hat an das Ende seines Buches ein Zitat von Walter Benjamin gestellt: "Dass es 'so weiter geht', ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene."
Rezensiert von Lutz Bunk
Ulrich Teusch: Die Katastrophengesellschaft.
Warum wir aus Schaden nicht klug werden.
Rotpunktverlag 2008
229 Seiten, 19,80 Euro
Ob es dabei immer um Information geht oder ob da manchmal eher ein Katastrophen-Voyeurismus befriedigt wird, dieser Frage und anderen ist der deutsche Publizist Ulrich Teusch nachgegangen. Sein neuestes Sachbuch trägt den Titel "Die Katastrophengesellschaft. Warum wir aus Schaden nicht klug werden" .
Teuschs Anwort darauf ist zunächst einmal weder originell noch neu, dafür aber allzumenschlich: Entweder wir wollen nicht aus Schaden klug werden, oder wir können nicht oder beides: das bekannte Bestiarium aus Dummheit und Bequemlichkeit oder auch aus Macht- und Geldgier in Management und Politik.
Grundlage Teuschs ist der alte psychologische Allgemeinplatz, dass menschliches Empfinden und Wahrnehmung sehr subjektiv sind. Teusch stellt gleich zu Beginn die Frage: Wissen Sie, wo Sie am 11. September waren? Und er fragt weiter: Wissen Sie, wo Sie am 26. April 1986 waren? Das war der Tag der Tschernobyl-Katastrophe. Wir begreifen die Relativität unserer Wahrnehmung.
Das Buch-Cover zeigt ein fast surreales Foto vom 11. September: im Hintergrund die brennenden Twin Towers, im Vordergrund aber diesseits des East Rivers eine Gruppe Menschen, die aussieht, als würde sie ein idyllisches Sommer-Picknick veranstalten. Interessanterweise wurde dieses Foto bis heute von allen internationalen Print-Medien abgelehnt: Von einer Katastrophe erwartet man katastrophale Bilder.
Genüsslich beschreibt Teusch die Medienberichterstattung von der Oder-Flut 1997: Der Mensch führt Krieg gegen die Natur: "eine Materialschlacht der Superlative, Sandsack-Bomber, der Fluss startet einen zweiten Angriff mit Torpedostämmen. Der Versuch, mit Schaufeln bewaffnet, aus der Defensive herauszukommen" usw. Die alltägliche Kriegsmetaphorik grenzt an Gehirnwäsche; da gibt es "Grabenkämpfe" in der Politik, und ein "Kanzlerkandidat wird abgeschossen".
Thematische Übersichtlichkeit darf man von Teuschs Buch nur schwerpunktartig erwarten. Aber das ist auch nicht so schlimm. Wir haben es ja, wie uns der Pressetext des Verlages schon mitteilt, mit einem Essay zu tun. Das Wort Essay kommt vom Lateinischen "exagium", das heißt "Probe", "Versuch" - also der Versuch einer vielschichtigen und intelligenten Abhandlung, in der wissenschaftliche, kulturelle, politische und gesellschaftliche Phänomene eines Themas betrachtet werden. Dieser Definition wird der Autor gerecht.
In 22 Einzelkapiteln widmet sich Teusch den Schwerpunkten Klimakatastrophe, Psychologie, Medien und besonders unserem Technik-Selbstverständnis. Darüber hinaus bietet "Die Katastrophengesellschaft" auch eine sehr zitatreiche Darstellung beziehungsweise Zusammenfassung sowohl des Diskurses zeitgenössischer Soziologie wie historischer philosophischer Ansätze von Seneca über Kant bis zu Marx als auch literarischer Adaptionen des 19. und 20. Jahrhunderts, wie zum Beispiel von Max Frisch und Walter Benjamin.
"Die Katastrophengesellschaft" ist ein sehr lebendiges Buch, deutlich mit viel Emotion geschrieben, was sich oft in Ironie und Zynismus äußert - Passagen wie: "Die größten Triumphe feiert die Demokratie bei schönem Wetter." Oder: "Das einfache Volk verdrängt Probleme. Die Gebildeten tun es zwar auch, aber auf gebildetere Art und Weise." Oder da heißen Kapitel: "Ja, mach nur einen Plan" oder Hape Kerkeling zitierend "Das ganze Leben ist ein Quiz".
Die Botschaft von Ulrich Teusch ist im Prinzip einfach. Der Mensch muss begreifen, dass sich Katastrophen nicht durch noch so raffinierte Technik verhindern lassen: Auch ein Öko-Auto lässt sich nicht auf den Komposthaufen werfen, und auch Energiesparlampen wachsen nicht auf Bäumen.
Teusch hat an das Ende seines Buches ein Zitat von Walter Benjamin gestellt: "Dass es 'so weiter geht', ist die Katastrophe. Sie ist nicht das jeweils Bevorstehende, sondern das jeweils Gegebene."
Rezensiert von Lutz Bunk
Ulrich Teusch: Die Katastrophengesellschaft.
Warum wir aus Schaden nicht klug werden.
Rotpunktverlag 2008
229 Seiten, 19,80 Euro