Von der Reportage zur Ikone
Fotografen in Krisen- und Kriegsregionen können aufrütteln und Aufmerksamkeit erzeugen. Manche ihrer Werke erhalten sogar einen Platz im kollektiven Gedächtnis. Die Ausstellung "Frontline" in Düsseldorf zeigt berühmte und aktuelle Beispiele.
Die schwarzen Haare der Demonstranten glänzen wie eingegelt, die Luft ist durchsetzt von einem weiß-gräulichen Schleier. Wie Ascheflocken regnen die Tropfen herunter, die aus einem im Dunst kaum sichtbaren Wasserwerfer in die Luft geschleudert wurden. Die Demonstranten stehen dicht gedrängt, wollen nach links. Hinter ihnen ragen hohe Gebäude in die Höhe – die Fluchtwege sind begrenzt. Einige recken ihre Arme in die Höhe, zwei Finger zum Victory-Zeichen gespreizt. Ein Bild, das der Fotograf Dominic Nahr gleich nach seiner Ankunft in Kairo aufgenommen hat, am 29. Januar, nach den Freitagsgebeten auf dem Tahrir-Platz:
"Und da hat’s erst leicht angefangen und dann ging’s richtig heftig zu. Und die Wasserkanonen waren erst der Anfang, und nachher war es Tränengas. Und ich weiß noch, es war so der Anfang von dem Moment, es war wie eine Party."
Der 28-Jährige, in der Schweiz geboren, hat in den USA studiert und ist inzwischen am ehesten in Nairobi zu Hause. Die Konflikte des Globus ziehen ihn an. So wie die ägyptische Revolution. 30 seiner Bilder sind in Düsseldorf zu sehen. Dominic Nahr dokumentiert die Entwicklung der Ereignisse als Erzählung: die erschöpften Soldaten der Armee, die Flugblätter, mit denen ein Lager im anderen Zweifel zu säen versucht, das Feuerwerk am Tag, als Mubarak zurücktrat und schließlich ein Boot mit Feiernden, das rötlich beleuchtet auf dem schwarzen Nil schwimmt. Bilder zweier Wochen:
"Ich versuche einfach, die besten Bilder zu machen, von was ich fühle und sehe, was vor mir ist. Und es ist eine große Ehre. Ich fühle, dass es eine der größten Ehren ist, die man haben kann, an der Frontlinie von Geschichte sein zu dürfen. Die andere Motivation ist zu versuchen, wie man die Wahrheit, was man sieht, so zu übersetzen in Fotos, dass andere Leute es auch verstehen. Und dass es fast genauso ist, wie ich es erfahren habe."
Nahr will sich beweisen. Gelingt es ihm, könnte er in naher Zukunft den Schritt vom Nominierten zum Vollmitglied der renommierten Fotoagentur Magnum schaffen. Fast alle Fotos in Düsseldorf stammen von Magnum-Fotografen. Die Ausstellung ist geteilt nach Epochen. Am Anfang stehen Fotos von Robert Capa, David Seymour oder dem Franzosen Henri Cartier-Bresson, dem Magnum-Gründer. Auch sie waren unmittelbar an der Frontlinie. Im spanischen Bürgerkrieg Ende der 30er-Jahre, bei der Landung der Alliierten in der Normandie 1944, im Konzentrationslager Bergen-Belsen kurz nach dessen Befreiung – viele dieser Bilder sind oft reproduziert, sind zur Ikone geworden.
Im zweiten Flügel des Museums dagegen sind Bilder aus der Gegenwart zu sehen, entstanden in den vergangenen Monaten beim Umsturz in Ägypten und Libyen. Hinter der Kamera standen fünf junge Fotografen; einer von ihnen ist Dominic Nahr. Mit ihnen hat Werner Lippert, der Direktor des NRW-Forums, die Aufnahmen ausgewählt:
"Das jüngste Foto ist von August 2011, und da kann man sich vorstellen, dass man nicht weiß: Ist das Foto richtig gut? Bewirkt es was? Ist es ein gut gemachtes Foto, ist es ein richtiges Foto? Wie geht das aus, was wir da zeigen?"
Der Umbruch in der arabischen Welt ist noch lange nicht zu Ende, und bei den Fotografien von diesen Ereignissen ist noch völlig offen, ob sie einmal die Kraft und die Beständigkeit der klassischen Magnum-Fotografien haben werden. Die aktuellen Bilder hängen nun erstmals in einer Ausstellung, gerahmt und als Erzählung komponiert. Entstanden sind diese Bilder aber, um in Zeitungen und Zeitschriften wie Time, National Geographic oder der New York Times gedruckt zu werden. Der Berliner Kunsthistoriker Peter Geimer meint, der neue Kontext verändere auch die Bilder:
"Zugleich muss man sich klarmachen, dass das diese Bilder natürlich auch ästhetisiert und vielleicht von den Konflikten ablenkt. Denn je mehr ich auf die Kunstfertigkeit des Fotografen achte, desto weniger stelle ich mir vielleicht die Frage, wer ist da eigentlich dargestellt oder welches Leid ist da gerade abgebildet."
Auch fotografisch exzellente Bilder brauchen oft eine Einordnung. Die fällt in der "Frontline"-Ausstellung aber meistens zu knapp aus. Dürre Bildunterschriften geben nur Hinweise, kaum Erläuterung. Die aber bräuchten gerade die Ereignisse, die erst wenige Wochen und Monate zurückliegen. In der Ausstellung bleibt deshalb manchmal das Besondere des Augenblicks im Dunkel – das Besondere, das letztlich Grund dafür war, bestimmte Bilder in die Ausstellung aufzunehmen und andere nicht.
Etwas unterscheidet die Ära der klassischen Magnum-Fotografen ganz grundsätzlich von der Gegenwart: Heute gibt es bei den meisten Ereignissen hunderte Handy-Fotos und Amateurvideos, die den Profi-Aufnahmen Konkurrenz machen. Wie diese oft verwackelten und ungefilterten, aber dafür ganz unmittelbaren Amateurfotos die Arbeit der professionellen Fotografen verändern, darauf gibt die Ausstellung keine Antwort.
Interview mit Dominic Nahr im Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur
Informationen des NRW-Forums Düsseldorf
"Und da hat’s erst leicht angefangen und dann ging’s richtig heftig zu. Und die Wasserkanonen waren erst der Anfang, und nachher war es Tränengas. Und ich weiß noch, es war so der Anfang von dem Moment, es war wie eine Party."
Der 28-Jährige, in der Schweiz geboren, hat in den USA studiert und ist inzwischen am ehesten in Nairobi zu Hause. Die Konflikte des Globus ziehen ihn an. So wie die ägyptische Revolution. 30 seiner Bilder sind in Düsseldorf zu sehen. Dominic Nahr dokumentiert die Entwicklung der Ereignisse als Erzählung: die erschöpften Soldaten der Armee, die Flugblätter, mit denen ein Lager im anderen Zweifel zu säen versucht, das Feuerwerk am Tag, als Mubarak zurücktrat und schließlich ein Boot mit Feiernden, das rötlich beleuchtet auf dem schwarzen Nil schwimmt. Bilder zweier Wochen:
"Ich versuche einfach, die besten Bilder zu machen, von was ich fühle und sehe, was vor mir ist. Und es ist eine große Ehre. Ich fühle, dass es eine der größten Ehren ist, die man haben kann, an der Frontlinie von Geschichte sein zu dürfen. Die andere Motivation ist zu versuchen, wie man die Wahrheit, was man sieht, so zu übersetzen in Fotos, dass andere Leute es auch verstehen. Und dass es fast genauso ist, wie ich es erfahren habe."
Nahr will sich beweisen. Gelingt es ihm, könnte er in naher Zukunft den Schritt vom Nominierten zum Vollmitglied der renommierten Fotoagentur Magnum schaffen. Fast alle Fotos in Düsseldorf stammen von Magnum-Fotografen. Die Ausstellung ist geteilt nach Epochen. Am Anfang stehen Fotos von Robert Capa, David Seymour oder dem Franzosen Henri Cartier-Bresson, dem Magnum-Gründer. Auch sie waren unmittelbar an der Frontlinie. Im spanischen Bürgerkrieg Ende der 30er-Jahre, bei der Landung der Alliierten in der Normandie 1944, im Konzentrationslager Bergen-Belsen kurz nach dessen Befreiung – viele dieser Bilder sind oft reproduziert, sind zur Ikone geworden.
Im zweiten Flügel des Museums dagegen sind Bilder aus der Gegenwart zu sehen, entstanden in den vergangenen Monaten beim Umsturz in Ägypten und Libyen. Hinter der Kamera standen fünf junge Fotografen; einer von ihnen ist Dominic Nahr. Mit ihnen hat Werner Lippert, der Direktor des NRW-Forums, die Aufnahmen ausgewählt:
"Das jüngste Foto ist von August 2011, und da kann man sich vorstellen, dass man nicht weiß: Ist das Foto richtig gut? Bewirkt es was? Ist es ein gut gemachtes Foto, ist es ein richtiges Foto? Wie geht das aus, was wir da zeigen?"
Der Umbruch in der arabischen Welt ist noch lange nicht zu Ende, und bei den Fotografien von diesen Ereignissen ist noch völlig offen, ob sie einmal die Kraft und die Beständigkeit der klassischen Magnum-Fotografien haben werden. Die aktuellen Bilder hängen nun erstmals in einer Ausstellung, gerahmt und als Erzählung komponiert. Entstanden sind diese Bilder aber, um in Zeitungen und Zeitschriften wie Time, National Geographic oder der New York Times gedruckt zu werden. Der Berliner Kunsthistoriker Peter Geimer meint, der neue Kontext verändere auch die Bilder:
"Zugleich muss man sich klarmachen, dass das diese Bilder natürlich auch ästhetisiert und vielleicht von den Konflikten ablenkt. Denn je mehr ich auf die Kunstfertigkeit des Fotografen achte, desto weniger stelle ich mir vielleicht die Frage, wer ist da eigentlich dargestellt oder welches Leid ist da gerade abgebildet."
Auch fotografisch exzellente Bilder brauchen oft eine Einordnung. Die fällt in der "Frontline"-Ausstellung aber meistens zu knapp aus. Dürre Bildunterschriften geben nur Hinweise, kaum Erläuterung. Die aber bräuchten gerade die Ereignisse, die erst wenige Wochen und Monate zurückliegen. In der Ausstellung bleibt deshalb manchmal das Besondere des Augenblicks im Dunkel – das Besondere, das letztlich Grund dafür war, bestimmte Bilder in die Ausstellung aufzunehmen und andere nicht.
Etwas unterscheidet die Ära der klassischen Magnum-Fotografen ganz grundsätzlich von der Gegenwart: Heute gibt es bei den meisten Ereignissen hunderte Handy-Fotos und Amateurvideos, die den Profi-Aufnahmen Konkurrenz machen. Wie diese oft verwackelten und ungefilterten, aber dafür ganz unmittelbaren Amateurfotos die Arbeit der professionellen Fotografen verändern, darauf gibt die Ausstellung keine Antwort.
Interview mit Dominic Nahr im Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur
Informationen des NRW-Forums Düsseldorf