Von der Spaßguerilla zum Serienmord
So wie die Kampflieder und Symbole der Nazis von Bolschewisten und Kommunisten abgekupfert waren, so ist das Bekennervideo der Zwickauer Neonazigruppe ein später Abklatsch der linksradikalen Spaßguerilla der 70er-Jahre, meint der Schriftsteller Hans Christoph Buch.
Die Erfinder des rosaroten Panthers waren und sind für die Schandtaten des Zwickauer Nazitrios so wenig verantwortlich wie die Gründer der Motorenwerke Neckarsulm, deren Akronym NSU die Mörderbande zu ihrer Selbstbezeichnung als "Nationalsozialistischer Untergrund" inspirierte. Das "Bekennervideo" löste eine Welle der Empörung aus, die ebenso ungeheuchelt wie parteiübergreifend war. So weit, so gut, aber dabei wird übersehen, dass die Linkspartei, als Nachfolgeorganisation der SED in den neuen Bundesländern fest verankert, wenig bis gar nicht zur Bekämpfung der dort grassierenden Ausländerfeindlichkeit beigetragen hat. Im Vergleich zu Kirchen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen, die in Problemgebieten Flagge zeigten und dem Rechtsextremismus mutig entgegentraten, wirkte das Engagement der Linkspartei halbherzig und lasch, so als freue sie sich klammheimlich über die mangelnde Durchsetzungskraft des demokratischen Staats.
Das Wort "klammheimlich" steht hier nicht von ungefähr, denn es stand im Mittelpunkt des heute vergessenen Mescalero-Skandals, der im Herbst 1977 die Bundesrepublik aufmischte. Unter dem Pseudonym Mescalero hatte ein Göttinger Student sich vom bewaffneten Kampf der RAF distanziert, gleichzeitig aber seine stille Genugtuung über die Ermordung des Generalbundesanwalts Buback zum Ausdruck gebracht, wofür er sich später bei dessen Sohn entschuldigt hat. Dass der Anonymus nicht nur seine Privatmeinung artikulierte, zeigte sich, als Dutzende Professoren und Hunderte Studenten, unterstützt von Tausenden engagierter Bürger, sich mit dem Verfasser des Texts solidarisierten und Versuche, ihn strafrechtlich zu belangen, als Kriminalisierung Andersdenkender diffamierten.
Die Überreaktion der Strafvollzugsbehörden war auch darauf zurückzuführen, dass die Bagatellisierung der Gewalt einen Grad erreicht hatte, der nicht mehr hinnehmbar war: Von "Burn, warehouse, burn!", dem Motto der Kaufhausbrandstifter Baader und Ensslin, bis zur kaltblütigen Hinrichtung des entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, dessen "klägliche und korrupte Existenz" ein Killerkommando der RAF mit gezielten Schüssen beendete. All das klang doppelt zynisch mit Blick auf die Banalisierung der Gewalt unter dem Stichwort "Spaßguerilla", das dem Umkreis der "Bewegung zweiter Juni" entstammt, einer Sympathisantengruppe der RAF, die in Anknüpfung an die Tupamaros in Uruguay die Karnevalisierung des Terrors propagierte. Mit anarchistischer Propaganda der Tat hatte all das wenig zu tun, eher mit der Verhöhnung der Opfer, die bis dahin ein Monopol sadistischer SS-Schergen und rechter Todesschwadronen gewesen war.
Hier schließt sich der Kreis: So wie die Kampflieder und Symbole der Nazis von Bolschewisten und Kommunisten abgekupfert waren, ist das Bekennervideo aus Zwickau ein später Abklatsch der linksradikalen Spaßguerilla der 70er-Jahre, die sich von den Bankeinbrüchen der Panzerknackerbande ebenso inspirieren ließ wie vom im Geld schwimmenden Millionär Dagobert Duck. Hitler und Stalin liebten Zeichentrickfilme, das ist bekannt, und von den Walt Disney-Studios in Hollywood führt ein direkter Weg zum rosaroten Panther, was nicht heißen soll, dass die Menschenverachtung der Neonazis mit der antiautoritären Revolte von 1968 gleichgesetzt werden darf: Dazwischen klaffen Welten, aber laut Marx taucht der Maulwurf der Revolution immer dort, wo man ihn am wenigsten erwartet, aus dem Untergrund auf.
Hans Christoph Buch, 1944 in Wetzlar geboren, wuchs in Wiesbaden und Marseille auf und las im Jahr seines Abiturs (1963) bereits vor der Gruppe 47. Mit 22 Jahren veröffentlichte er seine Geschichtensammlung "Unerhörte Begebenheiten". Ende der 60er-Jahre verschaffte er sich Gehör als Herausgeber theoretischer Schriften, von Dokumentationen und Anthologien. Auch mit seinen Essays versuchte er, politisches und ästhetisches Engagement miteinander zu versöhnen. Erst 1984 erschien sein Romandebüt: "Die Hochzeit von Port au Prince".
Aus seinen Veröffentlichungen: "In Kafkas Schloss", "Wie Karl May Adolf Hitler traf", "Blut im Schuh", "Tanzende Schatten", "Reise um die Welt in acht Nächten". Sein Roman "Apokalypse Afrika" erschien 2011 in der Anderen Bibliothek, der Essay "Haiti - Nachruf auf einen gescheiterten Staat" bei Wagenbach.
Das Wort "klammheimlich" steht hier nicht von ungefähr, denn es stand im Mittelpunkt des heute vergessenen Mescalero-Skandals, der im Herbst 1977 die Bundesrepublik aufmischte. Unter dem Pseudonym Mescalero hatte ein Göttinger Student sich vom bewaffneten Kampf der RAF distanziert, gleichzeitig aber seine stille Genugtuung über die Ermordung des Generalbundesanwalts Buback zum Ausdruck gebracht, wofür er sich später bei dessen Sohn entschuldigt hat. Dass der Anonymus nicht nur seine Privatmeinung artikulierte, zeigte sich, als Dutzende Professoren und Hunderte Studenten, unterstützt von Tausenden engagierter Bürger, sich mit dem Verfasser des Texts solidarisierten und Versuche, ihn strafrechtlich zu belangen, als Kriminalisierung Andersdenkender diffamierten.
Die Überreaktion der Strafvollzugsbehörden war auch darauf zurückzuführen, dass die Bagatellisierung der Gewalt einen Grad erreicht hatte, der nicht mehr hinnehmbar war: Von "Burn, warehouse, burn!", dem Motto der Kaufhausbrandstifter Baader und Ensslin, bis zur kaltblütigen Hinrichtung des entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, dessen "klägliche und korrupte Existenz" ein Killerkommando der RAF mit gezielten Schüssen beendete. All das klang doppelt zynisch mit Blick auf die Banalisierung der Gewalt unter dem Stichwort "Spaßguerilla", das dem Umkreis der "Bewegung zweiter Juni" entstammt, einer Sympathisantengruppe der RAF, die in Anknüpfung an die Tupamaros in Uruguay die Karnevalisierung des Terrors propagierte. Mit anarchistischer Propaganda der Tat hatte all das wenig zu tun, eher mit der Verhöhnung der Opfer, die bis dahin ein Monopol sadistischer SS-Schergen und rechter Todesschwadronen gewesen war.
Hier schließt sich der Kreis: So wie die Kampflieder und Symbole der Nazis von Bolschewisten und Kommunisten abgekupfert waren, ist das Bekennervideo aus Zwickau ein später Abklatsch der linksradikalen Spaßguerilla der 70er-Jahre, die sich von den Bankeinbrüchen der Panzerknackerbande ebenso inspirieren ließ wie vom im Geld schwimmenden Millionär Dagobert Duck. Hitler und Stalin liebten Zeichentrickfilme, das ist bekannt, und von den Walt Disney-Studios in Hollywood führt ein direkter Weg zum rosaroten Panther, was nicht heißen soll, dass die Menschenverachtung der Neonazis mit der antiautoritären Revolte von 1968 gleichgesetzt werden darf: Dazwischen klaffen Welten, aber laut Marx taucht der Maulwurf der Revolution immer dort, wo man ihn am wenigsten erwartet, aus dem Untergrund auf.
Hans Christoph Buch, 1944 in Wetzlar geboren, wuchs in Wiesbaden und Marseille auf und las im Jahr seines Abiturs (1963) bereits vor der Gruppe 47. Mit 22 Jahren veröffentlichte er seine Geschichtensammlung "Unerhörte Begebenheiten". Ende der 60er-Jahre verschaffte er sich Gehör als Herausgeber theoretischer Schriften, von Dokumentationen und Anthologien. Auch mit seinen Essays versuchte er, politisches und ästhetisches Engagement miteinander zu versöhnen. Erst 1984 erschien sein Romandebüt: "Die Hochzeit von Port au Prince".
Aus seinen Veröffentlichungen: "In Kafkas Schloss", "Wie Karl May Adolf Hitler traf", "Blut im Schuh", "Tanzende Schatten", "Reise um die Welt in acht Nächten". Sein Roman "Apokalypse Afrika" erschien 2011 in der Anderen Bibliothek, der Essay "Haiti - Nachruf auf einen gescheiterten Staat" bei Wagenbach.