Von der Studentin zur Prinzessin

Rezensiert von Birgit Koß |
Wenn ein einfaches österreichisches junges Mädchen erfährt, dass ihr Ehemann den Titel "Großer Herr über den Himmel" trägt und ein echter Prinz ist, dann könnte es der Beginn eines Märchens sein.
Es war einmal Inge Sargent, die als Austauschstudentin in Colorado den Bergbaustudenten Sao Kya Seng aus Birma kennen lernt - Anfang der 50er Jahre keine unproblematische Beziehung in den USA. Inge Sargent bekommt eine schnelle, aber deutliche Einführung in den alltäglichen Rassismus. Doch die mutige junge Frau entscheidet sich für ihre Liebe, heiratet den Birmanen und beschließt, mit ihm in seine Heimat zu gehen.

Erst bei der Ankunft traut Sao Kya Seng sich zu gestehen, dass er in seiner Heimat kein einfacher Ingenieur, sondern ein Prinz ist. So wird aus Inge Sargent die "Mahadevi - himmlische Prinzessin". Die beiden regieren Hispaw, einen der etwa dreißig Shan-Staaten, die gemeinsam eine halbautonome Region innerhalb der Birmanischen Union bildete zum Beginn der 50er Jahre.

Mit Elan und neuen Ideen versucht der Prinz nach demokratischen Prinzipien zu regieren. Die Reisbauern erhalten das Land, das sie bebauen als Eigentum. Als Bergbauingenieur interessiert ihn die Nutzung der vielen Bodenschätze seines Landes. Er möchte die Landwirtschaft modernisieren …

Währenddessen lernt die Mahadevi nicht nur die Sprache, sondern die Kultur seines Landes kennen und lieben. Sie sucht und findet ihren Platz im gesellschaftlichen Leben, engagiert sich im sozialen Bereich und unterstützt ihren Mann. Spätestens mit der Geburt der beiden Töchter scheint das Märchen wahr zu werden.

Doch es gibt in jedem Märchen auch einen Bösewicht. Hier heißt der Ne Win, ist General und bringt mit einem Militärputsch 1962 die Macht über Birma an sich. Viele Menschen werden verhaftet, gefoltert und getötet. Auch Sao Kya Seng wird inhaftiert. Über sein weiteres Schicksal gibt es keine endgültige Quelle, aber es besteht kaum Zweifel, dass er dem Militärregime zum Opfer gefallen ist. Nach einer Zeit des Zweifelns, des Hoffens und des Kampfes verlässt Inge Sargent schließlich mit ihren beiden Töchtern das Land.

Der Verdienst dieses Buches ist es, dass es eine sehr genaue und aufschlussreiche Analyse über die Situation des südostasiatischen Staates Birma in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem persönlichen Lebensbericht von Inge Sargent verknüpft. Ein sehr ausführliches Vorwort des Birma-Kenners Bertil Lintner bietet viele Hintergrundinformationen zur politischen Situation von Birma und über die Ethnie der Shan. Die dann folgende Geschichte verknüpft persönliche Erfahrungen, die Auseinandersetzung mit einer völlig fremden Kultur und die politische Entwicklung zu einer sehr bewegenden und spannend zu lesenden Geschichte.

… und wenn er nicht gestorben wär’, dann regierten sie noch heute und wären glücklich bis zum Ende Ihrer Tage?


Inge Sargent: Dämmerung über Birma. Mein Leben als Shan-Prinzessin
Aus dem Englischen von Cécile Lecaux.
Unionsverlag, Zürich 2006,. 288 Seiten