Von der Stuntman-Show bis zur Darkroom-Installation
Im <papaya:link href="http://www.hamburgerbahnhof.de/" text="Hamburger Bahnhof" title="Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin" target="_blank" /> in Berlin zeigen derzeit vier Künstler aus Albanien, Deutschland, Italien und Kanada ihre Arbeiten. Sie reichen von der Kunstaktion, bei der der Künstler durch ein Fenster springt, bis zu einer sadomasochistischen Installation, die an einen Darkroom erinnert. Einer von ihnen wird den Preis der Nationalgalerie für junge Kunst 2005 erhalten.
Radikaler als John Bock kann man Kunst wohl kaum aus den Museumsmauern befreien: Auf dem Höhepunkt seiner Performance springt der Aktionskünstler durch ein Fenster im Erdgeschoss des Hamburger Bahnhofs, landet Kunstblutverschmiert auf dem Rasen, eilt zur nahe gelegenen Sandkrugbrücke und lässt sich von dort oben sechs Meter tief auf ein den Kanal entlangfahrendes Schiff fallen:
" Milch! Milch! Die Milchelastizität lebe hoch.... Ich schwebe - im Weltraum....ich mach mal Rechtsrolle ... "
Vorher hat Bock im Museum noch herrlich absurden Blödsinn verzapft und in einer theatralischen Rede kühn den Bogen vom Kuhstall ins Weltall geschlagen. Eine Aktion, die Erinnerungen aufkommen lässt an die Zeit, als eine Kunstaktion noch eine KunstAKTION war. An Zeiten, in denen Joseph Beuys mit Wölfen hauste, und Wolf Vostell Autos einbetonierte oder Salatköpfe per Zug quer durch die Republik schuckelte. Eine Performance, die vor einer zu ernsten Kunstbetrachtung bewahrt und zum Lachen zwingt. Auch wenn es dann doch mal zu albern wird.
" Wo ist das Zahlenrad der Selbstzerstörung. Weiter auf die Koppel, auf dieser Koppel ist Gras und das verwandelt sich in einen Izo Schizo Traum. Und da stecken auch gleich zwei rostige Indifferenzkurven drin "
Provozierend die Institution Museum in Frage stellen will auch Monica Bonvicini mit ihrer Installation. Ja, der Besucher kann sich sogar daran beteiligen und sich in lacklederne Schaukeln schwingen, die von der Decke baumeln. Mit Öffnungen für Arme und Beine darin, mit Haken, Ösen und rasselnden Ketten ist es eine angedeutete Spielwiese für Freunde des sadomasochistischen Sex.
Monica Bonvicini: " Ich arbeite schon seit Jahren mit dem Begriff Fetischismus. Und das ist eine Art Ästhetik, die vielleicht anfangs schockierend wirkt. Aber ich denke immer: Kunst ist vielleicht der ultimative Fetisch. Das ist eben eine andere Möglichkeit, mit Kunst umzugehen."
Dass es um den Fetisch geht, ist wohl nicht zu übersehen in dieser Rauminstallation. Aber eine künstlerische Aussage, die vermisst man angesichts dieser gar nicht so schockierenden Anspielung auf einen Darkroom dann doch. Die Provokation wirkt aufgesetzt und ist trotz des Kettengerassels bald vergessen.
Ein wenig erfolgreicher versucht Angela Bulloch die Ordnung des musealen Raumes durcheinander zu bringen. Sie hat eine Decke und einen Fußboden in die Kleihues-Halle eingezogen und sie so gegeneinander verschoben, als ob sie in Bewegung geraten wären. Nur ein Spinnennetzartig verwobenes Gewirr von Fäden scheint dieses bühnenartige Gebilde vor dem auseinanderdriften zu bewahren.
"Der Entzauberte Wald" nennt die Kanadierin ihr Werk. Ein Titel, der sich einem aber erst erschließt, wenn man um die Bedeutung der ab und an im Lichtkegel auftauchenden unzähligen Metallplättchen weiß, die an der Wand aufgereiht sind. Es sind Plättchen, mit denen die Bäume im Berliner Tiergarten systematisch durchnummeriert werden ...
Der Titel, den Anri Sala seinem Videofilm gegeben hat, ist einleuchtender:
"Long Sorrow" auf Deutsch der "Lange Jammer" heißt das Hauptgebäude im Märkischen Viertel. Dieser Trabantenstadt mit ihrer kastigen, kühlen Architektur setzt der gebürtige Albaner eine Free-Jazz-Improvisation entgegen:
Vor einem Fenster im 18. Stockwerk steht Jemeel Moondoc in luftiger Höhe und spielt sein Saxofon. Was ist innen, was ist außen, fragt der Betrachter sich angesichts irritierend wechselnder Perspektiven. Und was ist mit der Schwerkraft? Denn worauf der Musiker steht dort oben, dass ist nie zu erkennen.
Manchmal scheint er zu schweben. Oder sein Kopf wirkt wie eingeklemmt in dem rechteckigen, gekippten Fenster. Die Blicke aus diesem Fenster, auf das sanft hin- und herwiegende Haupt, auf die grau und gradlinigen Häuser, den weiten Himmel sind eine leise ironische Anspielung auf das in der Kunst vergangener Jahrhunderte häufig gewählte Motiv des "Ausblicks".
Herrlich absurd wirkt Salas Film auch, wenn die im Haar des Musikers festgesteckten Blumen das 18 Stockwerke tiefer wachsende Grün komplettieren.
Anri Sala: " Die Dinge in einen absurden Zusammenhang mit anderen Dingen zu bringen ist meine Art, diese Dinge zu hinterfragen. Und wenn man nicht hinterfragt, dann nimmt man das einfach alles als gegeben hin. "
"The Long Sorrow" von Anri Sala ist eine schräg melancholische Abhandlung über Freiheiten in einer noch so festgefügten Umgebung. Der "Lange Jammer" ist voll von recht kurzweiliger melancholischer Heiterkeit. Damit ist Salas' Wettbewerbsbeitrag wohl der, der am ehesten den Ansprüchen für diesen Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst genügt.
Nämlich neugierig zu machen auf das, was in der so lebendigen jungen Kunstszene in Berlin geschieht. Und die Entwicklungen in dieser Szene widerzuspiegeln. Denn Salas' Video ist die einzige Arbeit in dieser Ausstellung, deren Inhalt so greifbar ist, dass sich überhaupt etwas drin spiegeln kann.
Ansonsten ist das Gezeigte doch zu belanglos, um zu überzeugen.
Zumal John Bocks herrlich blödelnde Performance zwar Spaß macht – aber auch nur, wenn man live dabei ist. Die abgefilmte Aktion, im Nachhinein betrachtet, wird dagegen blass aussehen.
Service:
Im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin, stellen Anri Sala (Albanien), John Bock (Deutschland), Monica Bonvicini (Italien) und Angela Bulloch (Kanada) vom 2. September bis 16. Oktober 2005 ihre Arbeiten vor. Der Preis der Nationalgalerie für junge Kunst, der mit 50.000 Euro einer der höchst dotierten Kunstpreise ist, wird zum dritten Mal vergeben. Die Entscheidung über die Preisvergabe fällt eine Jury am 27. September und kürt damit den neuen Preisträger / die neue Preisträgerin 2005.
" Milch! Milch! Die Milchelastizität lebe hoch.... Ich schwebe - im Weltraum....ich mach mal Rechtsrolle ... "
Vorher hat Bock im Museum noch herrlich absurden Blödsinn verzapft und in einer theatralischen Rede kühn den Bogen vom Kuhstall ins Weltall geschlagen. Eine Aktion, die Erinnerungen aufkommen lässt an die Zeit, als eine Kunstaktion noch eine KunstAKTION war. An Zeiten, in denen Joseph Beuys mit Wölfen hauste, und Wolf Vostell Autos einbetonierte oder Salatköpfe per Zug quer durch die Republik schuckelte. Eine Performance, die vor einer zu ernsten Kunstbetrachtung bewahrt und zum Lachen zwingt. Auch wenn es dann doch mal zu albern wird.
" Wo ist das Zahlenrad der Selbstzerstörung. Weiter auf die Koppel, auf dieser Koppel ist Gras und das verwandelt sich in einen Izo Schizo Traum. Und da stecken auch gleich zwei rostige Indifferenzkurven drin "
Provozierend die Institution Museum in Frage stellen will auch Monica Bonvicini mit ihrer Installation. Ja, der Besucher kann sich sogar daran beteiligen und sich in lacklederne Schaukeln schwingen, die von der Decke baumeln. Mit Öffnungen für Arme und Beine darin, mit Haken, Ösen und rasselnden Ketten ist es eine angedeutete Spielwiese für Freunde des sadomasochistischen Sex.
Monica Bonvicini: " Ich arbeite schon seit Jahren mit dem Begriff Fetischismus. Und das ist eine Art Ästhetik, die vielleicht anfangs schockierend wirkt. Aber ich denke immer: Kunst ist vielleicht der ultimative Fetisch. Das ist eben eine andere Möglichkeit, mit Kunst umzugehen."
Dass es um den Fetisch geht, ist wohl nicht zu übersehen in dieser Rauminstallation. Aber eine künstlerische Aussage, die vermisst man angesichts dieser gar nicht so schockierenden Anspielung auf einen Darkroom dann doch. Die Provokation wirkt aufgesetzt und ist trotz des Kettengerassels bald vergessen.
Ein wenig erfolgreicher versucht Angela Bulloch die Ordnung des musealen Raumes durcheinander zu bringen. Sie hat eine Decke und einen Fußboden in die Kleihues-Halle eingezogen und sie so gegeneinander verschoben, als ob sie in Bewegung geraten wären. Nur ein Spinnennetzartig verwobenes Gewirr von Fäden scheint dieses bühnenartige Gebilde vor dem auseinanderdriften zu bewahren.
"Der Entzauberte Wald" nennt die Kanadierin ihr Werk. Ein Titel, der sich einem aber erst erschließt, wenn man um die Bedeutung der ab und an im Lichtkegel auftauchenden unzähligen Metallplättchen weiß, die an der Wand aufgereiht sind. Es sind Plättchen, mit denen die Bäume im Berliner Tiergarten systematisch durchnummeriert werden ...
Der Titel, den Anri Sala seinem Videofilm gegeben hat, ist einleuchtender:
"Long Sorrow" auf Deutsch der "Lange Jammer" heißt das Hauptgebäude im Märkischen Viertel. Dieser Trabantenstadt mit ihrer kastigen, kühlen Architektur setzt der gebürtige Albaner eine Free-Jazz-Improvisation entgegen:
Vor einem Fenster im 18. Stockwerk steht Jemeel Moondoc in luftiger Höhe und spielt sein Saxofon. Was ist innen, was ist außen, fragt der Betrachter sich angesichts irritierend wechselnder Perspektiven. Und was ist mit der Schwerkraft? Denn worauf der Musiker steht dort oben, dass ist nie zu erkennen.
Manchmal scheint er zu schweben. Oder sein Kopf wirkt wie eingeklemmt in dem rechteckigen, gekippten Fenster. Die Blicke aus diesem Fenster, auf das sanft hin- und herwiegende Haupt, auf die grau und gradlinigen Häuser, den weiten Himmel sind eine leise ironische Anspielung auf das in der Kunst vergangener Jahrhunderte häufig gewählte Motiv des "Ausblicks".
Herrlich absurd wirkt Salas Film auch, wenn die im Haar des Musikers festgesteckten Blumen das 18 Stockwerke tiefer wachsende Grün komplettieren.
Anri Sala: " Die Dinge in einen absurden Zusammenhang mit anderen Dingen zu bringen ist meine Art, diese Dinge zu hinterfragen. Und wenn man nicht hinterfragt, dann nimmt man das einfach alles als gegeben hin. "
"The Long Sorrow" von Anri Sala ist eine schräg melancholische Abhandlung über Freiheiten in einer noch so festgefügten Umgebung. Der "Lange Jammer" ist voll von recht kurzweiliger melancholischer Heiterkeit. Damit ist Salas' Wettbewerbsbeitrag wohl der, der am ehesten den Ansprüchen für diesen Preis der Nationalgalerie für Junge Kunst genügt.
Nämlich neugierig zu machen auf das, was in der so lebendigen jungen Kunstszene in Berlin geschieht. Und die Entwicklungen in dieser Szene widerzuspiegeln. Denn Salas' Video ist die einzige Arbeit in dieser Ausstellung, deren Inhalt so greifbar ist, dass sich überhaupt etwas drin spiegeln kann.
Ansonsten ist das Gezeigte doch zu belanglos, um zu überzeugen.
Zumal John Bocks herrlich blödelnde Performance zwar Spaß macht – aber auch nur, wenn man live dabei ist. Die abgefilmte Aktion, im Nachhinein betrachtet, wird dagegen blass aussehen.
Service:
Im Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart, Berlin, stellen Anri Sala (Albanien), John Bock (Deutschland), Monica Bonvicini (Italien) und Angela Bulloch (Kanada) vom 2. September bis 16. Oktober 2005 ihre Arbeiten vor. Der Preis der Nationalgalerie für junge Kunst, der mit 50.000 Euro einer der höchst dotierten Kunstpreise ist, wird zum dritten Mal vergeben. Die Entscheidung über die Preisvergabe fällt eine Jury am 27. September und kürt damit den neuen Preisträger / die neue Preisträgerin 2005.