Von der Zukunft eingeholt
In den 90er-Jahren bemühte sich das Festival Transmediale um Blicke in die Zukunft und pries das Internet als großes Medium der Demokratisierung. Darüber lächelt die heutige Generation Facebook nur müde. Das diesjährige Motto "Futurity Now" spiegelt also ironisch den Umstand, dass das hauptamtliche Zukunftsausleuchten längst überholt ist.
Dass die Zukunft auch nicht mehr das ist, was sie mal war, vermutete auch schon der selige Karl Valentin zu Zeiten, in denen die Vorstellung des Internets noch in etwa so weit entfernt war wie ein anderes Universum. "Futurity Now", dieser für deutsche Zungen nicht ganz so leichtgängige Festivaltitel der diesjährigen Transmediale, der sich vielleicht vom Filmtitel "Apocalypse Now" ableitet, drückt im Grunde nichts anderes aus als Karl Valentins Bonmot.
Für die transmediale, dieses Festival, das sich in der Gegenwart hauptamtlich um die digitale Zukunft kümmern soll, gibt es im Moment nämlich auch nicht viel anderes zu berichten, als dass es von ebendieser Zukunft inzwischen weitgehend eingeholt worden ist.
Stephen Kovats, der künstlerische Leiter, scheint das zu spüren und sucht nach Wegen aus der Sinnkrise. Ein Versuch ist, das Festival selbst in seinem Anspruch, überhaupt noch Zukunft zeigen zu können, kritisch und ironisch zu beleuchten:
"'Futurity' an sich übersetzt man so grob wie 'Zukünftigkeit'. Futurity ist das qualitative Merkmal für das, was wir glauben, dass es vielleicht zukunftsträchtig ist. Wir sind im Jahr 2010. Wir sind in einer gewissen Art der Zukunft angekommen, also zumindest in dem, was verbildlicht worden war im 20. Jahrhundert, was Zukunft sein wird. Also wir leben das heute, wir sind längst in einer total vernetzten, digitalen Community unterwegs. Die Netzwerke sind auch für jedermann und jede Frau längst selbstverständlich."
Die Krise des Begriffs der Zukunft, das hat Kovats durchaus erkannt, ist auch die inhaltliche Krise seines Festivals und dessen aus den frühen 90er-Jahren datierenden Anspruches, dem Internet eine demokratische Utopie einzuhauchen. Für die Generation Facebook sind solche Utopien allerdings ungefähr so attraktiv wie Opas erhobener Zeigefinger. Also versucht sich die Transmediale nun als eine Art technologisches Umweltfestival:
"Wir sehen auch, dass zum Beispiel in vielen unserer globalen Systeme viel von dem Vertrauen, das wir in die Technologie gesteckt haben, wie zum Beispiel in den automatischen Lauf der Finanzmärkte, dass solche Sachen nicht funktionieren. Wir brauchen auch eine andere Art von Verhältnis zwischen Gesellschaft und unserem technologischen Umfeld, und dabei haben wir auch diesen Begriff Zukunft neu und anders zu definieren."
Unter den technologischen Naturschutz fällt dabei üblicherweise der Mensch, der vor den Gefahren einer außer Kontrolle geratenen Technologie bewahrt werden soll. Aber ob die Behauptung der maschinengemachten Weltkrisen und des Menschen als Opfer seiner eigenen Erfindungen tatsächlich so stimmt? Die Ausstellung, die zusammen mit dem Transmediale Award für Videokunst und einer medientheoretischen Konferenz seit jeher das große Aushängeschild des Festivals ist, fahndet nach Beweisen:
"Wie Sie sehen, befinden wir uns hier in einem sehr dunklen Raum. Der erste Raum, in den das Publikum hineinkommt, ist seltsam und schön zugleich. Es ist das Gelände der 'Paparazzi Bots' des US-amerikanischen Künstlers Ken Rinaldo. Diese merkwürdigen Apparate symbolisieren viele der Themen dieses 'Futurity'-Festivals, sie sind hybride Gestalten, etwas zwischen Kamera und Kameramann, extrem ausgeklügelte Meisterwerke der Ingenieurskunst, zugleich sind sie extrem simpel und direkt. Jeder dieser Roboter hat eine Kamera, mit der er die Besucher der Ausstellung fotografiert, und versucht sich durch die Bilder, die hier auf einem Bildschirm erscheinen, selbst in Szene zu setzen."
Honor Hager, die aus Neuseeland kommende Kuratorin der Ausstellung, demonstriert die auf fahrbare Untersätze montierten Stative mit selbstauslösenden Kameras, die auf den Besucher zustürzen, sobald er den Raum betritt. Am Ende ist der Wiedererkennungseffekt der ganz heutigen Medienmaschinerie viel größer als der Verdacht, dass so die Medienapokalypse der Zukunft aussehen könnte.
Ebenso verhält es sich mit der beeindruckend-bedrückenden Videoinstallation "Data tron" des bekannten japanischen Medienkünstlers Ryuji Ikeda. Auf großformatigen Leinwänden lässt er die Programmdaten von Echtzeitübermittlungen der aktuellen weltweiten Börsenstände, Wetterberichte oder Klimavorhersagen ablaufen und choreografiert sie zu immer neuen Ornamenten der überwältigenden Datenflut.
Das Festival versucht sich als kritische Bestandsaufnahme, und doch läuft es seit geraumer Zeit der Entwicklung hinterher. Es bietet einen überzeugend gestalteten ästhetischen Rahmen, es verteidigt pflichtschuldig das Internet als demokratisches Medium in totalitären Gesellschaften. Und doch muss es, seit es von der Bundeskulturstiftung zum finanziell groß ausgestatteten Kulturleuchtturm erklärt wurde, die Rolle des Events spielen, des pädagogischen Vergnügungsparks mit Hochglanzappeal.
Die Niederungen des alltäglichen Gebrauchs, von millionenfach defekten Chips auf Bankkarten bis hin zur Kinderporno-Netzwerken, die für die heutige digitale Kultur vielleicht mindestens ebenso stilbildend sind, kommen allenfalls am Rand vor.
Vielleicht hat Stephen Kovats deshalb, wegen der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Festival-Präsentation und digitaler Wirklichkeit, nach der diesjährigen Transmediale eigentlich als künstlerischer Leiter zurücktreten wollen. Er darf nicht: Ein Nachfolger wurde bislang nicht gefunden.
Für die transmediale, dieses Festival, das sich in der Gegenwart hauptamtlich um die digitale Zukunft kümmern soll, gibt es im Moment nämlich auch nicht viel anderes zu berichten, als dass es von ebendieser Zukunft inzwischen weitgehend eingeholt worden ist.
Stephen Kovats, der künstlerische Leiter, scheint das zu spüren und sucht nach Wegen aus der Sinnkrise. Ein Versuch ist, das Festival selbst in seinem Anspruch, überhaupt noch Zukunft zeigen zu können, kritisch und ironisch zu beleuchten:
"'Futurity' an sich übersetzt man so grob wie 'Zukünftigkeit'. Futurity ist das qualitative Merkmal für das, was wir glauben, dass es vielleicht zukunftsträchtig ist. Wir sind im Jahr 2010. Wir sind in einer gewissen Art der Zukunft angekommen, also zumindest in dem, was verbildlicht worden war im 20. Jahrhundert, was Zukunft sein wird. Also wir leben das heute, wir sind längst in einer total vernetzten, digitalen Community unterwegs. Die Netzwerke sind auch für jedermann und jede Frau längst selbstverständlich."
Die Krise des Begriffs der Zukunft, das hat Kovats durchaus erkannt, ist auch die inhaltliche Krise seines Festivals und dessen aus den frühen 90er-Jahren datierenden Anspruches, dem Internet eine demokratische Utopie einzuhauchen. Für die Generation Facebook sind solche Utopien allerdings ungefähr so attraktiv wie Opas erhobener Zeigefinger. Also versucht sich die Transmediale nun als eine Art technologisches Umweltfestival:
"Wir sehen auch, dass zum Beispiel in vielen unserer globalen Systeme viel von dem Vertrauen, das wir in die Technologie gesteckt haben, wie zum Beispiel in den automatischen Lauf der Finanzmärkte, dass solche Sachen nicht funktionieren. Wir brauchen auch eine andere Art von Verhältnis zwischen Gesellschaft und unserem technologischen Umfeld, und dabei haben wir auch diesen Begriff Zukunft neu und anders zu definieren."
Unter den technologischen Naturschutz fällt dabei üblicherweise der Mensch, der vor den Gefahren einer außer Kontrolle geratenen Technologie bewahrt werden soll. Aber ob die Behauptung der maschinengemachten Weltkrisen und des Menschen als Opfer seiner eigenen Erfindungen tatsächlich so stimmt? Die Ausstellung, die zusammen mit dem Transmediale Award für Videokunst und einer medientheoretischen Konferenz seit jeher das große Aushängeschild des Festivals ist, fahndet nach Beweisen:
"Wie Sie sehen, befinden wir uns hier in einem sehr dunklen Raum. Der erste Raum, in den das Publikum hineinkommt, ist seltsam und schön zugleich. Es ist das Gelände der 'Paparazzi Bots' des US-amerikanischen Künstlers Ken Rinaldo. Diese merkwürdigen Apparate symbolisieren viele der Themen dieses 'Futurity'-Festivals, sie sind hybride Gestalten, etwas zwischen Kamera und Kameramann, extrem ausgeklügelte Meisterwerke der Ingenieurskunst, zugleich sind sie extrem simpel und direkt. Jeder dieser Roboter hat eine Kamera, mit der er die Besucher der Ausstellung fotografiert, und versucht sich durch die Bilder, die hier auf einem Bildschirm erscheinen, selbst in Szene zu setzen."
Honor Hager, die aus Neuseeland kommende Kuratorin der Ausstellung, demonstriert die auf fahrbare Untersätze montierten Stative mit selbstauslösenden Kameras, die auf den Besucher zustürzen, sobald er den Raum betritt. Am Ende ist der Wiedererkennungseffekt der ganz heutigen Medienmaschinerie viel größer als der Verdacht, dass so die Medienapokalypse der Zukunft aussehen könnte.
Ebenso verhält es sich mit der beeindruckend-bedrückenden Videoinstallation "Data tron" des bekannten japanischen Medienkünstlers Ryuji Ikeda. Auf großformatigen Leinwänden lässt er die Programmdaten von Echtzeitübermittlungen der aktuellen weltweiten Börsenstände, Wetterberichte oder Klimavorhersagen ablaufen und choreografiert sie zu immer neuen Ornamenten der überwältigenden Datenflut.
Das Festival versucht sich als kritische Bestandsaufnahme, und doch läuft es seit geraumer Zeit der Entwicklung hinterher. Es bietet einen überzeugend gestalteten ästhetischen Rahmen, es verteidigt pflichtschuldig das Internet als demokratisches Medium in totalitären Gesellschaften. Und doch muss es, seit es von der Bundeskulturstiftung zum finanziell groß ausgestatteten Kulturleuchtturm erklärt wurde, die Rolle des Events spielen, des pädagogischen Vergnügungsparks mit Hochglanzappeal.
Die Niederungen des alltäglichen Gebrauchs, von millionenfach defekten Chips auf Bankkarten bis hin zur Kinderporno-Netzwerken, die für die heutige digitale Kultur vielleicht mindestens ebenso stilbildend sind, kommen allenfalls am Rand vor.
Vielleicht hat Stephen Kovats deshalb, wegen der sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Festival-Präsentation und digitaler Wirklichkeit, nach der diesjährigen Transmediale eigentlich als künstlerischer Leiter zurücktreten wollen. Er darf nicht: Ein Nachfolger wurde bislang nicht gefunden.