Honoré de Balzac: "Von Edelfedern, Phrasendreschern und Schmierfinken. Die schrägen Typen der Journaille"
Herausgegeben und übersetzt von Rudolf von Bitter
Manesse Verlag, München 2016
320 Seiten, 19,95 Euro
Balzacs bittere Bonmots über Journalisten
Erstmals erscheinen Honoré de Balzacs Polemiken auf Journalisten und Kritiker in deutscher Sprache. Vieles, was der große französische Autor beklagt, ist leider noch immer aktuell. Doch in Zeiten von "Lügenpresse"-Vorwürfen hinterlässt die Lektüre einen faden Beigeschmack.
"Wenn es die Presse nicht gäbe, dürfte man sie nicht erfinden."
"Man richtet die Presse zugrunde, wie man eine Gesellschaft zugrunde richtet: indem man ihr alle Freiheit lässt."
"Je weniger Gedanken man hat, desto leichter erhebt man sich."
Um spitze Bonmots dieser Art ist Honoré de Balzac in seiner Polemik über die Journalisten nicht verlegen. Er hält von ihnen wenig bis gar nichts. In seiner Wut über schlechte Kritiken seiner Bücher und den Verfall eines Berufsstandes an sich macht er sich die Mühe einer Typologie, in der er Journalisten in Unterarten kategorisiert, zum Beispiel in den "Nihilogen", das "Faktotum" und den "Zeilenangler".
Balzacs Polemik ist eine Diagnose seiner Zeit
Balzac gesteht den Journalisten zu, dass sie nur der Gesellschaft geben, was sie haben will: "In Frankreich findet das Publikum Leute mit Überzeugungen langweilig und geistig bewegliche Menschen charakterlos." Seine Polemik gegen die Journalisten ist somit eigentlich eine Diagnose seiner Zeit, mit der er zum Beispiel die Nähe zwischen Journalismus und Politik beschreibt – viele Journalisten wechseln nach einer gewissen Karriere auf politische Posten.
Dieses Phänomen trifft man heute zum Glück seltener an, aber vieles andere, was Balzac aufstößt, kann man leider wiedererkennen: die "Quarkschläger", die ihre Artikel nach den Wünschen der Leser-Masse ausrichten; den Mangel an Auslandskorrespondenten und Recherchen, die keine Zeitung mehr bezahlen kann; der Platzmangel in den Zeitungen, der keinen Raum für ausführliche Analysen lässt; die Neigung der Feuilletons zur leichten Muse.
Gegengewicht zu Balzacs ätzender Kritik
Herausgeber und Übersetzer Rudolf von Bitter belässt es nicht bei Balzacs Journalisten-Bashing, sondern fügt dem Buch noch allerlei andere verwandte Texte bei. Die Replik des Autors und Kritikers Jules Janin, in der er diesen "anständigen Beruf" verteidigt, der "so schwierig und gefährlich ist wie sonst kaum einer", ist ein wohltuendes Gegengewicht zu Balzacs ätzender Kritik. Und Balzacs Plädoyer für ein Urheberrecht, das den Autoren erlaubt, von ihren Werken zu leben, wirkt in Zeiten illegaler Downloads überraschend aktuell.
Balzacs Texte sind, wie man es von ihm kennt, voll von literarischen und politischen Anspielungen, was zum Teil dazu führt, dass Fußnoten wiederum auf das ausführliche Nachwort verweisen müssen. Rudolf von Bitter gibt alles, um kurz und präzise die zum Verständnis nötigen Informationen zu liefern. Trotzdem ist die Lektüre für eine heutige Leserin wegen der vielen Namen und Bezüge nicht ganz ohne Mühen.
Erinnerungen an die "Lügenpresse"-Vorwürfe
Und dass vieles, was Balzac analysiert, auch heute noch gilt, verleiht dem Buch zwar Aktualität, aber auch einen faden Beigeschmack. Denn die pointierten, bösen Bonmots über Journalisten und Kritiker ähneln allzu sehr billigen "Lügenpresse"-Vorwürfen unserer Zeit. Balzacs spitze Feder ist den heutigen flachen Pamphleten zwar um Längen überlegen. Trotzdem sehnt man sich angesichts von zunehmendem Rechtspopulismus in Europa, Donald Trump und AfD eher nach differenzierten Betrachtungen als nach vereinfachenden Polemiken. Seien sie noch so treffend beobachtet und pointiert formuliert.