Von Energiewirt bis Biogas

Schon der Titel stellt die richtige Frage und die Diskussion der letzten Monate bestätigt ihn nur: Erneuerbare Energien um jeden Preis? Heftig wird darüber gestritten, wie viel wir in Deutschland bereit sind, zum Beispiel für Strom aus Photovoltaik zu bezahlen und ob die Produktion von Biosprit aus Raps, Mais und Getreide nicht zu den steigenden Lebensmittelpreisen beiträgt, die Armen in den Entwicklungsländer wegen unseres Spritdurstes Hunger leiden.
Viele der Antworten finden sich in dem großformatigen, reich bebilderten und mit zahlreichen graphischen Darstellungen versehenen Sammelband, der das ganze Spektrum der Erneuerbaren Energien abdeckt. Er beginnt mit ganz allgemeinen, grundsätzlichen Abhandlungen über Nachhaltigkeit und Energiewende, Klimapolitik und Atomkraftsicherheit. Ausführlich wird jene Energie behandelt, die die Bauern liefern können. Ein Schwerpunkt liegt beim Thema Biogas. Zudem setzen sich die Autoren mit Wind- und Wasserkraft auseinander sowie mit Sonnen- und Passivhaus. Es gibt Tipps für Anträge zum ErneuerbareEnergienGesetz und Finanzierungshinweise.

Während die meisten der Artikel an ein breites Publikum gerichtet sind und keine besondere Vorbildung erfordern, allgemeinverständlich formulieren, gibt es einige Abhandlungen zur Biogasgewinnung, die so detaillierte Berechnungen bieten, dass sie wohl nur für Betreiber, Ingenieure oder Planer solcher Anlagen nützlich und begreifbar sind. An anderer Stelle wiederum wird so polemisch-beleidigt argumentiert, dass man die Lust verliert, den Artikel zu Ende zu lesen. Beides, Spezialwissen wie Politattacke ist ärgerlich und schmälert den Erkenntnisgewinn des Heftes.

Damit ist sowohl die Stärke als auch die Schwäche der Aufsatzsammlung benannt. Sie will zuviel. Man muss sich also die Rosinen aus dem Kuchen picken oder anders formuliert: jene Artikel heraussuchen, die nachvollziehbare Fakten und Daten liefern. Davon gibt es allerdings bei drei Dutzend Artikeln genug. Die meisten sind sehr konkret, sachlich, nüchtern, bringen gute, nachvollziehbare Argumente, enorm umfangreiches, handfestes Datenmaterial, bisweilen ganz konkrete Ratschläge.

So weist z.B. der Solartechnikexperte Andreas Henze anhand plausibler, nachvollziehbarer Hochrechungen nach, dass Deutschland seinen Strombedarf bis 2020 durchaus aus einem Mix Erneuerbarer Energien gewinnen kann, wenn denn deren Förderung, wie gerade vom Bundestag beschlossen, weiterläuft. Das geht durchaus ohne eine Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke und ohne den Neubau von Kohlekraftwerken. Bodenkundler Ernst Schrimpff und Landschaftsplaner Christian Schulze wiederum setzen sich in ihren Artikeln kritisch mit dem Anbau von Biomasse bzw. Energiepflanzen auseinander. Die beiden Autoren warnen zum einen vor übertriebenen Erwartungen und zum anderen vor den negativen Folgen ungehemmten Anbaus von Energiepflanzen für den Naturhaushalt und die Umwelt.

Die Grundtendenz aller Aufsätze ist gleich: die Erneuerbaren Energien sind nur ein vollwertiger Ersatz für fossile Brennstoffe, wenn es auf breiter Front gelingt, die Energieeffizienz zu steigern, unter anderem durch bessere Wärmedämmung, geringeren Treibstoffverbrauch im Verkehr, neue dezentrale Kraft-Wärme-Anlagen, die Strom und Warmwasser liefern. Die Landwirtschaft kann dazu ihren Teil beitragen. Doch zu Ölscheichs werden die Bauern kaum. Das zeigt der Sammelband ganz deutlich: Der Energiepflanzenanbau ist kein Selbstläufer und ihre Verwertung verlangt viel Ingenieurswissen. Vom Landwirt zum Energiewirt ist ein steiniger Weg. Aber es lohnt sich, ihn zu beschreiten.

Rezensiert von Johannes Kaiser


Michael Christian Medenbach: Erneuerbare Energien – um jeden Preis?,
Austernfischer Verlag Zeven 2008, 192 Seiten, 32 €