Von Frauen, Katzen und dem Nahost-Konflikt

Die englische Schriftstellerin Marina Lewycka legt mit ihrem Roman "Das Leben kleben" eine gewitzte Biografie zweier Frauen vor, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die dennoch zusammengehören.
Mit dem pointierten Witz in ihrer "Kurzen Geschichte des Traktors auf Ukrainisch" hat sie bereits die Leser unterhalten, und umso besser tut sie es mit ihrem neuen Roman. Marina Lewycka, die englische Schriftstellerin mit ukrainischen Eltern, die Autorin, die 1946 in einem Displaced-Persons-Camp in Kiel geboren wurde – sie legt ihr drittes Buch vor und steigert sich erneut.

"We are all made of glue" - Wir sind alle aus Klebstoff - so heißt ihr Roman im Original und er stellt zwei Frauen vor, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten: Georgie Sinclair, aus deren Perspektive erzählt wird, ist eine Frau Mitte 40, die mit ihrem Job als Redakteurin einer Fachzeitschrift für Klebstoffe verständlicherweise unzufrieden ist. Sie versucht sich am Romanschreiben - es kommt aber nur Kitsch dabei heraus.

Georgie hat zwei Kinder und einen Mann, den sie gerade aus dem gemeinsamen Haus geschmissen hat, weil sie sich von ihm nicht wahrgenommen fühlte. Seine alten Platten landen im Müllcontainer, aber bevor sie weggeschafft werden können, holt sie jemand heraus und lernt dabei Georgie kennen: Mrs. Shapiro - eine alte jüdische Dame mit einer entbehrungsreichen Geschichte, einem großen, verlotterten Haus, unzähligen Katzen, die sie nach Komponisten benennt, vergammelten Lebensmitteln in der Küche und einer Schnäppchen-Manie. Eine Cat-Lady – schrullig, aber stilvoll, mit ausgeprägtem Humor und einer ganz eigenen Wahrnehmung der Wirklichkeit. "Darlink!" ruft sie Georgie jedes Mal, "Darlink!". Gerne hebt sie, so formuliert es die Erzählerin, "eine behandschuhte Hand - zwischen den Fingern waren Löcher - wie eine verschrobene Monarchin, die eine Untertanin grüßt."

Was die beiden verbindet: Sie sind auf der Suche. Georgie nach einer neuen Perspektive in ihrem Leben, Mrs. Shapiro nach jemandem, mit dem sie außer mit ihren Katzen reden kann. Sie hat viel zu erzählen, über ihre Emigrationsgeschichte, über ihren Mann, über ihre alten Träume und Traumata. Als dann ihr Haus von Immobilienmaklern belagert wird und ein Handwerker ins Haus kommt, um es vor dem Verfall zu retten, bekommt der Roman bald eine Dimension zu viel: der Handwerker ist Palästinenser und das Haus heißt Kanaan, wie das Gelobte Land.

Eine Jüdin und ein Palästinenser in Kanaan, dazwischen Georgie, die Katzen und die Makler. Und, als ob es nicht an religionsgeschichtlichen Superbezügen reichte, verliert sich auch noch Georgies Sohn in Weltuntergangsseiten im Netz von denen eine "Armageddon" heißt. Eine Drehung weniger wäre besser gewesen.

Dennoch: Man sieht Marina Lewycka das Zuviel an Symbolik nach. Sie macht es locker wett durch ihren wunderbar abgründigen Humor, immer pointiert, nie die Figuren preisgebend, sondern sie verständlich und zugänglich haltend. Das sind die großen Stärken des Romans: seine Klarheit und Direktheit, seine Situationskomik und seine kluge Dramaturgie, die auf ein hervorragendes Handwerk der Autorin schließen lässt. Marina Lewyckas Bücher sind ein "good read", wie man in ihrer Heimat sagen würde: keine große Sprachkunst, aber eine Lesefreude, die für die Dauer des Buches Wirkung zeigt und danach etwas verblasst, aber nur etwas.

Besprochen von Vladimir Balzer

Marina Lewycka: Das Leben kleben. Roman
dtv, 458 Seiten, 14,90 Euro
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