Von Gaunern und Ganoven

Ein Sachbuch für Jugendliche stellt die bekanntesten Gauner und Ganoven von Al Capone bis Dagobert vor. Nebenbei kann man viel über die technischen Möglichkeiten der Aufklärung von Verbrechen lernen.
Al Capone, dessen Namen zum Inbegriff für das organisierte Verbrechen geworden ist, beherrschte in den 1920 Jahren Chicago: Gegner ließ er beseitigen, Zeugen zum Verstummen bringen - Capone soll für mehr als 100 Morde verantwortlich gewesen sein. Er betrieb Spielhöllen, umging die Prohibition und gab jährlich mehr als 25 Millionen Dollar an Bestechungsgeldern aus. Obwohl er mehrfach festgenommen und verhört wurde, gelang es jahrelang nicht, ihm das Handwerk zu legen. Korrupte Polizisten verhinderten das.

Erst Eliot Ness legte ihm das Handwerk: Im November 1929 stürmen er und seine Männer abends halb zehn in 18 Schwarzbrennereien und verhaften 50 Männer. Dann nimmt sich Ness die Bierbrauereien vor und ruiniert auf diese Weise Capones Geschäft. 1931 wandert Al Capone schließlich für elf Jahre ins Kittchen. Allerdings nicht für die Morde, sondern wegen Steuerhinterziehung. Ironie des Schicksals: Noch in der Haft erkrankt Capone schwer, nach nur acht Jahren wird er vorzeitig entlassen. 1947 stirbt Al Capone – sein Name wird zum Mythos.

Die Geschichte des Schwerverbrechers Al Capone ist eine von insgesamt zwanzig Kriminalfällen, die Christine Schlitt in ihrem spannenden Jugendbuch erzählt. Im Stil einer Reportage geschrieben, taucht sie tief in die Verwicklungen und Abgründe der Verbrechen ein. Neben Al Capone lernt man die Schreckenstaten des Prostituiertenmörders Jack the Rippers kennen, die Taktiken des deutschen Kaufhauserpressers Dagobert oder den damaligen US-Staatsfeind Nummer eins, den Bankräuber John Dillinger. Damit ist das Buch fast so etwas wie ein "Who is Who" der bekanntesten Verbrecher. Das allein macht schon Spaß!

Darüber hinaus erfährt man immer auch viel über die genauen Umstände der jeweiligen Tat und ihrer Aufdeckung: Wie gelang es, die "Mona Lisa" aus dem Louvre zu entführen, warum spionierte Mata Hari oder wie schaffte es Ronnie Biggs, zwischen Glasgow und London einen ganzen Postzug auf offener Strecke anzuhalten? Außerdem erfährt man viel über die technischen Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung. In farbig unterlegten Kästen, "Wissen spezial" heißt diese Rubrik, lernt man, wie zum Beispiel Menschen anhand ihrer Zähne identifiziert werden können oder was ein Auslieferungsabkommen regelt. Zahlreiche Fotos und historische Dokumente lockern das Buch auf und laden zum Blättern ein.

Fast schon nebenbei taucht man so auch in die Zeitgeschichte ein, erfährt, welchen Schaden Verbrechen auch politisch anrichten können. Als am 6. Mai 1974 Willy Brandt sein Amt als Bundeskanzler aufgibt, geht der aufsehenerregendste Spionage-Fall in der deutsch-deutschen Geschichte zu Ende. Der DDR-Agent Günter Guillaume kennt intime Details über Brandt, das hat einen Kanzler in den 1970er Jahren noch erpressbar gemacht. Ob das heute noch so wäre, darf bezweifelt werden.

Besprochen von Roland Krüger

Christine Schlitt: "Berühmte Kriminalfälle. Von Verbrechern, Kriminalisten und Agenten"
Beltz & Gelberg, Weinheim 2010
172 Seiten, 16,95 Euro
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