Von Gerd Brendel
Bang blicken die Kollegen aus den Feuilleton-Redaktionen auf die Hauptstadt-Kultur und sehen nichts Gutes auf sie zukommen. Einen Weg aus dem dunklen Sparsumpf versucht der Berliner "Tagesspiegel" zu weisen. Die Zeitung stellt außerdem die Aufzeichnungen des jüdischen Breslauers Willy Cohn vor, die es mit den Aufzeichnungen von Viktor Klemperer aufnehmen können.
Bang blicken die Kollegen aus den Feuilleton-Redaktionen auf die Hauptstadt-Kultur und sehen nichts Gutes auf sie zukommen: Thomas E. Schmidt zeichnet in der ZEIT das pompöse aber konfliktscheue Bild einer Kulturpolitik ohne Kultursenator: Anhand der Länderregierungen von Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die ebenfalls ohne Kultusminister auskommen, spekuliert er, was passiert, wenn "der Chef persönlich murkelt":
"Wo Kultur Sache der Staatskanzleien ist, wird sie zur Staatskultur, zur reinen Verwaltungsaufgabe", "
prophezeit Schmidt. Ein Kulturpolitiker mit eigenem Geschäftsbereich signalisiere dagegen Gestaltungswillen. Im besten Fall sei er ein Mittler zwischen öffentlicher Hand und freier Kulturgesellschaft. Wenn er fehle, regierten Haushälter und politische Taktierer.
Das befürchtet wohl auch der Chef der Opernstiftung Michael Schindhelm: TAZ und WELT zitieren einmütig noch einmal seine Ein-Satz-Kritik:
" "Das ist doch ein Widerspruch, zu sagen, wir wollen alle Opern erhalten, haben aber nur Geld für zwei."
Einen Weg aus dem dunklen Spar-Sumpf weist Elmar Weingarten im TAGESSPIEGEL. Der Kurator des Hauptstadtkulturfonds präsentiert seine Version föderaler Umverteilungs-Arithmetik zur Rettung aller drei Opernhäuser: Sein "dritter Weg" läuft auf eine Übernahme der Staatsoper durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hinaus. Alternativ schlägt der Kulturfunktionär eine Beteiligung des Bundes an der Opernstiftung vor und verweist auf das Erfolgsmodell "Berliner Festspiele", dessen Etat sich ja auch Bund und Land teilen.
"Berlin hat nun einmal drei wichtige Operneinrichtungen" schreibt Weingarten, "jede mit großer und eigener Geschichte." "Es" – also Berlin – "muss zeigen, dass es diese verdient."
Deutschland am 9. November:
"An diesem Tag ist wieder einmal viel von Geschichte die Rede,"
beginnt Berthold Seewald seine Glosse in der WELT um an eine historische Fußnote der deutschen Geschichte zu erinnern: Verstaatlichte Kunstgüter aus ehemals regierenden Adelshäusern. Allzu gern würden die Adelssprösslinge der Häuser Baden und Wettin die Konjunktur auf dem Kunstmarkt für sich nutzen, wenn sie die Rückgabe enteigneter Bilder fordern, vermutet Seewald und warnt die Landespolitiker von Baden-Württemberg und Sachsen vor zuviel Nachgiebigkeit:
"Es gehe schließlich um Familien," doziert er , "deren Reichtum sich nicht nur auf Leistung , sondern auf Gottesgnadentum gründete und auf eine Revolution, die sich scheute, die sozialen Strukturen des Kaiserreichs zu verändern."
An den ersten Höhepunkt nationalsozialistischer Ausrottungspolitik morgen vor 68 Jahren erinnert Thomas Lackmann im TAGESSPIEGEL. Er stellt die Aufzeichnungen des jüdischen Breslauers Willy Cohn vor: Die Tagebücher des Deutschlehrers, glühenden Patrioten, Heimatforschers und frommen Synagogenbesuchers könnten es durchaus mit den Aufzeichnungen von Viktor Klemperer aufnehmen.
"Nur bei Cohn fehlt das Happy End."
schreibt er. Er wurde nach der Deportation in Kaunas ermordet. Lackmanns Leseempfehlung des "Tagebuchs vom Untergang des Breslauer Judentums" schließt mit einem Appell:
"Wen der Surfpatriotismus des WM-Sommers irritiert hatte, dem erschließen sich hier tiefere Abgründe von Vaterlandsliebe. Wem der Vertretungsanspruch deutscher Vertriebenenfunktionäre suspekt ist, der entdeckt einen schlesischen Lokalhistoriker als Heimatvertriebenen der ersten Stunde. Und wer das gefühlte Monopol heutiger Massenmedien auf die Darstellung von Wirklichkeit als totalitär empfindet, der begleite den klugen Zeitungsleser Willy Cohn in die Mühlen der Gewöhnung, Zermürbung, Verdrängung, Selbstverblendung."
"Wo Kultur Sache der Staatskanzleien ist, wird sie zur Staatskultur, zur reinen Verwaltungsaufgabe", "
prophezeit Schmidt. Ein Kulturpolitiker mit eigenem Geschäftsbereich signalisiere dagegen Gestaltungswillen. Im besten Fall sei er ein Mittler zwischen öffentlicher Hand und freier Kulturgesellschaft. Wenn er fehle, regierten Haushälter und politische Taktierer.
Das befürchtet wohl auch der Chef der Opernstiftung Michael Schindhelm: TAZ und WELT zitieren einmütig noch einmal seine Ein-Satz-Kritik:
" "Das ist doch ein Widerspruch, zu sagen, wir wollen alle Opern erhalten, haben aber nur Geld für zwei."
Einen Weg aus dem dunklen Spar-Sumpf weist Elmar Weingarten im TAGESSPIEGEL. Der Kurator des Hauptstadtkulturfonds präsentiert seine Version föderaler Umverteilungs-Arithmetik zur Rettung aller drei Opernhäuser: Sein "dritter Weg" läuft auf eine Übernahme der Staatsoper durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hinaus. Alternativ schlägt der Kulturfunktionär eine Beteiligung des Bundes an der Opernstiftung vor und verweist auf das Erfolgsmodell "Berliner Festspiele", dessen Etat sich ja auch Bund und Land teilen.
"Berlin hat nun einmal drei wichtige Operneinrichtungen" schreibt Weingarten, "jede mit großer und eigener Geschichte." "Es" – also Berlin – "muss zeigen, dass es diese verdient."
Deutschland am 9. November:
"An diesem Tag ist wieder einmal viel von Geschichte die Rede,"
beginnt Berthold Seewald seine Glosse in der WELT um an eine historische Fußnote der deutschen Geschichte zu erinnern: Verstaatlichte Kunstgüter aus ehemals regierenden Adelshäusern. Allzu gern würden die Adelssprösslinge der Häuser Baden und Wettin die Konjunktur auf dem Kunstmarkt für sich nutzen, wenn sie die Rückgabe enteigneter Bilder fordern, vermutet Seewald und warnt die Landespolitiker von Baden-Württemberg und Sachsen vor zuviel Nachgiebigkeit:
"Es gehe schließlich um Familien," doziert er , "deren Reichtum sich nicht nur auf Leistung , sondern auf Gottesgnadentum gründete und auf eine Revolution, die sich scheute, die sozialen Strukturen des Kaiserreichs zu verändern."
An den ersten Höhepunkt nationalsozialistischer Ausrottungspolitik morgen vor 68 Jahren erinnert Thomas Lackmann im TAGESSPIEGEL. Er stellt die Aufzeichnungen des jüdischen Breslauers Willy Cohn vor: Die Tagebücher des Deutschlehrers, glühenden Patrioten, Heimatforschers und frommen Synagogenbesuchers könnten es durchaus mit den Aufzeichnungen von Viktor Klemperer aufnehmen.
"Nur bei Cohn fehlt das Happy End."
schreibt er. Er wurde nach der Deportation in Kaunas ermordet. Lackmanns Leseempfehlung des "Tagebuchs vom Untergang des Breslauer Judentums" schließt mit einem Appell:
"Wen der Surfpatriotismus des WM-Sommers irritiert hatte, dem erschließen sich hier tiefere Abgründe von Vaterlandsliebe. Wem der Vertretungsanspruch deutscher Vertriebenenfunktionäre suspekt ist, der entdeckt einen schlesischen Lokalhistoriker als Heimatvertriebenen der ersten Stunde. Und wer das gefühlte Monopol heutiger Massenmedien auf die Darstellung von Wirklichkeit als totalitär empfindet, der begleite den klugen Zeitungsleser Willy Cohn in die Mühlen der Gewöhnung, Zermürbung, Verdrängung, Selbstverblendung."