Von Gregor Sander

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem Moselriesling, mit einer Pariser Ausstellung über Marcel Proust und mit der "Heidi"-Figur.
Erkenne die Lage! ruft uns Ijoma Mangold in der Wochenzeitung DIE ZEIT entgegen und meint dies im doppelten Sinne. Denn der Literaturkritiker sorgt sich um ein besonderes deutsches Kulturgut: Den Riesling. "Vielleicht weiß der deutsche Trinker, der ja lieber Pinot Grigio oder Chardonnay schlabbert, gar nicht, welches Prestige deutsche Rieslinge in der Welt genießen. Für die Weinwelt, die vor allem von der angelsächsischen Weinkritik geprägt wird, ist der Moselriesling ein nationales Monument, das Deutschland einzigartig macht."

Und eben dieser Moselriesling ist in Gefahr, betont Mangold in der ZEIT, bedroht durch ein Bauwerk der Schande, den Hochmoselübergang. "Auf 270 Millionen Euro werden die Kosten veranschlagt, 250 davon übernimmt der Bund. Im April 2009 kamen die ersten Bagger, um eines der anachronistischsten Bauprojekte der deutschen Geschichte in Angriff zu nehmen. Ein Betonviadukt, dessen Monströsität die Dresdner Waldschlösschenbrücke wie einen halbherzigen Ausrutscher erscheinen lässt. 160 Meter hoch wird die Brücke sein und 1,7 Kilometer lang. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD) rühmt das Projekt mit dem stolzen Hinweis, unter diese Brücke würde sogar der Kölner Dom passen!"

Verbinden soll dieses, in den Sechzigerjahren geplante Monstrum nun die Eifel und den Hunsrück. Um das zu verhindern traf sich in Berlin eine illustre Runde aus Politik und Weinkritik. "Hugh Johnson war natürlich da, ebenso seine einflussreiche Kollegin Jancis Robinson und der in Deutschland lebende Weinkritiker Stuart Pigott. Renate Künast hielt eine kämpferische Rede. Joschka Fischer gab sich die Ehre und erklärte kopfschüttelnd: "Der Hunsrück wird dadurch seine Probleme nicht lösen, das weiß jeder. Das ist alles gaga.""

Was soll man da noch sagen, denken wir uns und bedauern ein wenig, dass wir hier so trocken weitermachen müssen. In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG lesen wir, dass es in Paris seit Neuestem ein Handschriftenmuseum gibt, und dass dieses nun eine Ausstellung über Marcel Proust eröffnet. Johannes Willms schreibt
"Proust war bekanntlich ein geradezu frenetischer Briefschreiber, der mit seinem großen Bekannten- und Freundeskreis eine riesige Korrespondenz unterhielt. Tagtäglich, so wird glaubhaft versichert, habe er rund ein Dutzend Schreiben in seiner gut leserlichen, leicht nach rechtsgeneigten Handschrift verfasst. Sein zwischen 1880 und 1922 entstandenes Briefwerk, das der amerikanische Proust-Forscher Philip Kolb edierte, umfasst 21 Bände mit vielen tausend Briefe an aberhundert Adressaten."

Johannes Willms zeigt sich in der SZ begeistert von diesem neuen, 159. Museum in der französischen Hauptstadt. "Zwar ist jedes Museum seiner Bestimmung nach ein Ort, der Erinnerungen an die Gegenwart von Vergangenheit wecken will. Aber kein anderes Museum macht diese Ungleichzeitigkeit derart bewusst wie dieses, das einen Schatz von über 70.000 Manuskripten und Autographen birgt, von denen eine kleine Auswahl, die Zimelien des Bestands, in einer ständigen Ausstellung im Souterrain gezeigt wird."

Als Zimilien bezeichnet man übrigens seltene und wertvolle alte Schriften und Drucke. Dazu kann man das Kinderbuch "Heidi" von Johanna Spyri wohl noch nicht zählen. Wer diesem eidgenössischen Werk allerdings eine deutsche Vorlage unterschieben will, der bekommt es mit der NEUEN ZÜRICHER ZEITUNG zu tun. "Der in Zürich lebende deutsche Germanist Peter Büttner behauptet nun, Johanna Spyri habe für Figur und Geschichte der "Heidi" eine Vorlage benutzt, auf die er zufällig in der Bibliothek der Universität Frankfurt am Main gestoßen war: "Adelaide, das Mädchen vom Alpengebirge"."

Ein Dutzend Parallelstellen habe Büttner zwischen "Heidi" und der dreißig Seiten Erzählung eines gewissen Hermann Adam von Kamp gefunden. Ein bisschen wenig, befindet Sieglinde Geisel in der NZZ und legt dann genüsslich nach. "Beide Mädchen springen und hüpfen gern - doch Luftsprünge und Hüpfen findet man auch bei Pippi Langstrumpf."

Also, denken wir uns hier am Ende, lassen wir die Heidi in der Schweiz und kümmern wir uns um unsere nationalen Monumente. Darauf einen Moselriesling.