Von Gregor Sander

Was lief schief bei der Einheit? "Die Zeit" gibt jede Menge Tipps für die nächste Wiedervereinigung. Ulf Poschardt leidet in der "Welt" mit dem Wendeverlierer Ku'Damm. "Süddeutsche", "taz" und "FR" räsonieren über den neuen Roman von Breat Easton Ellis.
Obwohl die Deutschen ja als sehr effizient gelten, ist es ihnen nicht gelungen, die "Friedliche Revolution" und die Wiedervereinigung in einem Jahr abzuhandeln. Zur Strafe müssen sie nun zweimal hintereinander irgendwie das Gleiche feiern.

Die Wochenzeitung DIE ZEIT hat diese Woche für "20 Dinge, die wir bei der nächsten Wiedervereinigung besser machen" gleich zwei Seiten des Feuilletons frei geräumt.

Die meisten Dinge sind irgendwie bekannt, wenn etwa Christof Siemes fordert: "Auch mal nach Westen gucken." Oder Mark Schieritz zu Bedenken gibt, dass der "Währungstausch eins zu viereinhalb" vielleicht wirtschaftlich doch besser gewesen wäre.

Jens Jessen ist da schon radikaler mit seiner Forderung: "Bonn vergessen." Nichts erscheint ihm nachträglich gespenstischer als die Debatte um den Regierungsumzug. Und so wünscht Jessen sich: "Bonn wird einfach vergessen" (und das könnte man sogar heute noch mit etwas gutem Willen hinkriegen.

Der ostdeutsche ZEIT-Autor Christoph Dieckmann stellt unter der Überschrift: Schluss mit der Westalgie fest:

"Seit der Vereinigung aber sind alle nationalen Medien westdeutsch geworden – auch in ihrem Blick gen Osten und in dessen Geschichte. Mit regionaler Ostalgie kann ich leben. Was jedoch nervt, ist die Alleinvertretungsanmaßung der Westalgie."

Ein paar Zeilen später fordert dann ein mit dem Kürzel EJ geschützter Autor tatsächlich: "Christa Wolf nicht kränken (auch wenn es schwerfällt) und überhaupt netter sein zu den Kulturschaffenden Ost." Über dieser Forderung stand übrigens: "Klappe halten."

In der Tageszeitung DIE WELT macht sich Ulf Poschardt Sorgen um einen besonderen Wendeverlierer: Den Westberliner Boulevard Kurfürstendamm:

"Nach dem Fall der Mauer verfiel der Ku’damm langsam und mit ihm 'die hohe Kulturmission, den Berlinern das Flanieren zu lehren', wie Franz Hessel dies einst beschrieb. Der Westen schmollte, weil alle Welt sich nur noch für die historische wie die modische Mitte der Hauptstadt zu interessieren schien."

Dies könnte anders werden, weil der Ku’damm gerade wiederentdeckt wird, so Poschard, und weil der britische Architekt David Chipperfield der alten Prachtmeile ein neues Gesicht verpassen will.

"Die spektakulären Entwürfe Chipperfields, die er den von einer Bürgerinitiative aufgeschreckten Bezirkspolitikern präsentierte, sind so ziemlich das Beste, was West-Berlin passieren könnte. Doch anstatt dem Investor und dem Architekten für diese Zivilisationsleistung zu danken, gängelt die Politik einen der bedeutenden Baumeister der Gegenwart und lässt an vielen anderen Orten stillose Investoren gewähren,"

- meint Ulf Poschard in der WELT.

"Imperial Bedrooms" - heißt der neue Roman von Breat Easton Ellis. Der Autor von "American Psycho" hat eine Fortsetzung seines ersten Romans "Unter Null" rund um den Drehbuchautor Clay geschrieben. Aber warum?, fragt sich in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Jens-Christian Rabe.

"Der Autor selbst, der seine Bücher nicht systematisch konzipiert, sondern in der Regel einfach anfängt zu schreiben, wollte wissen, wie es heute um seine alte Hauptfigur Clay und all das übrige alte Personal der Gegenwart steht."

Ihn habe interessiert, so Ellis in einem Gespräch mit der amerikanischen Zeitschrift "Interview", wohin seine Figuren der radikale Narzissmus ihrer Generation wohl geführt habe.

So richtig will Rabe der Roman in der SZ nicht gefallen. Ganz im Gegensatz zu Wiebke Porombka in der TAZ:

"Genau dieses personifizierte Nichts wird zum Zentrum, um das die verstörende Gewalt kreist, die auch beim siebten Ellis-Roman nicht leichter zu ertragen ist. Symptomatisch ist der Satz, mit dem 'Imperial Bedrooms' endet. Vor allem aber ist er derart schmerzvoll und grausam, dass man nur wünschen kann, dass er so wenig wie möglich mit der Realität zu tun hat, weder mit der des Autors noch mit der des Erzählers: 'Ich habe nie jemanden gemocht und ich habe Angst vor allen.'"

Christoph Schröder formuliert seine Kritik in der FRANKFURTER RUNDSCHAU lieber knackig:

"'Imperial Bedrooms' ist ein ziemlich läppisches, mit kurzen Gewaltsequenzen aufgepepptes Literaturhäppchen."