Von Gregor Sander

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem Volksliedboom, mit einem Kompositionswettbewerb und mit Kritik am Literaturnobelpreisträger Maria Vargas Llosa.
"Was bedeutet der neue Volksliedboom?," fragt Christof Siemes in der Wochenzeitung DIE ZEIT und stellt fest: "Das Volk singt wieder. Und es ist ihm nicht mal peinlich."

Ursache für diese - doch etwas altbackene Feststellung - sind die deutschen Charts.

"Die CD "Wenn ich ein Vöglein wär" behauptet sich neben Lady Gaga. Opernstars singen darauf deutsche Volkslieder, und weil der Plattenproduzent weiß, was das deutsche Gemüt im Weihnachtsgeschäft sucht, hat er gleich "Volkslieder II" nachgelegt. Goldgelb wie adventliches Spritzgebäck liegen sie nun auf den Bestsellertischen der Kulturkaufhäuser."

Das ist dann doch des Guten zuviel für Siemes, und die Schuldigen sind im Bürgertum zu finden:

"Doch nun sind der wanderlustige Müller, und der liebe Augustin wieder salonfähig; als Statussymbol einer neuen Bürgerlichkeit gehört neben dem Biobrot, dem umweltfreundlichen Auto und einem Exemplar von Uwe Tellkamps "Turm" auch ein schönes Liederbuch zur renovierten Altbauwohnung."

Trotz des Missbrauchs der Volkslieder durch die Nationalsozialisten und trotz Adornos Kritik in seinem Essay "Kritik des Musikanten" hören und singen die Deutschen offensichtlich wieder Volkslieder, und dafür hat Christof Siemes in der ZEIT nur eine Erklärung:

"So ist es kein Zufall, dass die Konjunktur des deutschen Volkslieds mit der Leitkulturdebatte einher geht und die Bundeskanzlerin das Ende von Multikulti verkündet."

Wir legen hier dann doch lieber eine andere Platte auf und lesen in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Das Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig hat einen Kompositionswettbewerb zum Thema Fast Food ausgeschrieben."

Hier besteht also garantiert keine Kitschgefahr und Stefan Reiser stellt in der FR fest:

"Bei der Frage "Wie klingt ein Hamburger?" geht es nicht um Banalitäten und Geräusche aus der Frittenbude. Es geht um mehr, wenn die Frittenbude im Land von Bach und Beethoven steht und "Fast Food" das Thema eines Kompositionswettbewerbs
ist."

Finanziert wurde dieser Wettbewerb ausgerechnet vom Inhaber eines sächsischen Fast-Food-Restaurants. Fünf Minuten durften die Stücke lang sein, und Stefan Reiser ist auf den Geschmack gekommen:

"Zum Beispiel die "Sterile Food Cantata" von Pèter Köszeghy. Der ungarische Komponist, der seit 1992 in Berlin lebt, hat dafür stundenlang in Fast-Food-Restaurants gesessen, um die Atmosphäre einzufangen – Geräusche von klappernden Plastiktabletts oder kauenden Menschen. Das alles ist Teil seiner Komposition und fließt per Zuspielband ein. "Das ist das Skelett für das Stück", sagt Köszeghy, der außerdem einen Sänger, Klarinette, Trompete und Schlagzeug als Besetzung ausgewählt hat."

Da besteht die Gefahr des Mitsingens und des Charterfolges natürlich nicht.

Dass man es nicht allen Recht machen kann, erfährt auch Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa bei der Kritik für seine Nobelpreisrede.

"Die gute Literatur", sagte der 74-Jährige, "baut Brücken zwischen den unterschiedlichsten Personen, was wir durch sie an Genuss, Leid oder Verblüffung erleben, vereint uns unabhängig von Sprachen, Glaubensvorstellungen, Bräuchen, Gewohnheiten und Vorurteilen, die uns trennen."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zeigt sich Burkhard Müller mit Sätzen wie diesem gar nicht zufrieden.

"Nein, Mario Vargas Llosa hat am Dienstag in Stockholm keine gute Rede gehalten. Er glänzte durch Verwechselbarkeit."

In der Tageszeitung DIE WELT ersetzt Richard Kämmerlings in der Nobelpreisrede des Peruaners zum Spaß einfach das Wort Literatur mit dem Wort Werbung. Das klingt dann so:

""Die gute Werbung baut Brücken zwischen den unterschiedlichsten Personen."

oder

"Durch die Schuld der Werbung leben wir in beständigem Zwist mit der mittelmäßigen Wirklichkeit. Die Werbung ist ein Zauberwerk, das uns vorgaukelt, zu haben, was wir nicht haben, zu sein, was wir nicht sind."

"Klängen die Sätze dann weniger wahr?," fragt Kämmerlings in der WELT und wartet wohl nicht auf eine Antwort.