Von Gudrun Ensslin bis Angela Kasner
Das deutsche Pfarrhaus ist ein besonderes Biotop, es brachte Verbrecher und Philosophen, Schriftsteller und Spitzenpolitiker hervor. Dokumentiert wird seine Bedeutung im Pfarrhausarchiv in Eisenach.
"Manchmal kommt man sich vor wie ein Archäologe, der unerforschte und relativ unbekannte Themen bearbeitet. Auch ist mir aufgefallen, dass wir über Dokumente verfügen, über Literatur, zum Teil auch über Briefwechsel, Zeitungsartikel, die in anderen Bibliotheken und Archiven nicht zu finden sind."
Burkhardt Breitsprecher betreut das Evangelische Pfarrhausarchiv in Eisenach. Wie seine Frau Cornelia ist er Museologe im dortigen Lutherhaus.
Cornelia Breitsprecher: "Wir haben hier ein Exponat, das nach Berlin gehen wird und in der dortigen Pfarrhausaustellung präsentiert wird. Es ist ein sehr schönes Foto von einer Pfarrersfamilie."
Es ist die Familie des Pastors Hafermann aus Ostfriesland. Eine ganze Sippe blickt selbstbewusst in die Kamera.
"In dieser Pfarrhausfamilie waren zwölf Pfarrer vorhanden, das waren zum einen der Pfarrer Martin Hafermann, acht seiner Söhne waren Pfarrer und auch drei Schwiegersöhne. Das zeigt auch sehr schön, dass man in diesen Kreisen untereinander wieder geheiratet hat. Man blieb oftmals unter sich."
Im Mai 1925 wurde das Pfarrhausarchiv auf dem Pfarrertag in Hamburg gegründet. Initiator war der Merseburger Pfarrer August Angermann, der im Verband Evangelischer Pfarrervereine Mitglied war. Aus heutiger Sicht ein eher zwielichtiger Zeitgenosse. Burkhardt Breitsprecher erzählt, dass eine Horst-Wessel-Büste auf seinem Schreibtisch stand. Ein klarer Hinweis, dass Pfarrer Angermann zu den deutschnationalen Pastoren gehörte, die es in der Zwischenkriegszeit zahlreich gab. Sie suchten Halt bei den Nationalsozialisten, weil ihr protestantisches Selbstverständnis nach dem verlorenen Krieg aus dem Lot geraten war.
"Kirche und Thron waren ja eine enge Verbindung eingegangen. Und mit dem Abdanken des Kaisers war natürlich auch der Pfarrerstand nicht mehr so angesehen, und große Kreise der Bevölkerung hatten sich von der Kirche abgewandt. Man wollte der Bevölkerung zeigen: Schaut her, es ist nicht nur Negatives aus dem Pfarrhaus gekommen, sondern auch sehr viel Gutes. Sehr viele bedeutende Personen sind aus dem Pfarrhaus hervorgegangen, die wichtig waren für die Kultur."
Burkhardt Breitsprecher betreut das Evangelische Pfarrhausarchiv in Eisenach. Wie seine Frau Cornelia ist er Museologe im dortigen Lutherhaus.
Cornelia Breitsprecher: "Wir haben hier ein Exponat, das nach Berlin gehen wird und in der dortigen Pfarrhausaustellung präsentiert wird. Es ist ein sehr schönes Foto von einer Pfarrersfamilie."
Es ist die Familie des Pastors Hafermann aus Ostfriesland. Eine ganze Sippe blickt selbstbewusst in die Kamera.
"In dieser Pfarrhausfamilie waren zwölf Pfarrer vorhanden, das waren zum einen der Pfarrer Martin Hafermann, acht seiner Söhne waren Pfarrer und auch drei Schwiegersöhne. Das zeigt auch sehr schön, dass man in diesen Kreisen untereinander wieder geheiratet hat. Man blieb oftmals unter sich."
Im Mai 1925 wurde das Pfarrhausarchiv auf dem Pfarrertag in Hamburg gegründet. Initiator war der Merseburger Pfarrer August Angermann, der im Verband Evangelischer Pfarrervereine Mitglied war. Aus heutiger Sicht ein eher zwielichtiger Zeitgenosse. Burkhardt Breitsprecher erzählt, dass eine Horst-Wessel-Büste auf seinem Schreibtisch stand. Ein klarer Hinweis, dass Pfarrer Angermann zu den deutschnationalen Pastoren gehörte, die es in der Zwischenkriegszeit zahlreich gab. Sie suchten Halt bei den Nationalsozialisten, weil ihr protestantisches Selbstverständnis nach dem verlorenen Krieg aus dem Lot geraten war.
"Kirche und Thron waren ja eine enge Verbindung eingegangen. Und mit dem Abdanken des Kaisers war natürlich auch der Pfarrerstand nicht mehr so angesehen, und große Kreise der Bevölkerung hatten sich von der Kirche abgewandt. Man wollte der Bevölkerung zeigen: Schaut her, es ist nicht nur Negatives aus dem Pfarrhaus gekommen, sondern auch sehr viel Gutes. Sehr viele bedeutende Personen sind aus dem Pfarrhaus hervorgegangen, die wichtig waren für die Kultur."
In der DDR bot das Lutherhaus Freiräume
Dem beschädigten Ansehen sollte das Pfarrhausarchiv entgegenwirken. Es umfasst den gesamten deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich und die Schweiz, sowie christliche Gemeinden im Ausland, die deutsche Wurzeln hatten, wie die Siebenbürger Sachsen in Rumänien. Nach der Gründung kam das Pfarrhausarchiv zunächst nach Merseburg. Doch schon bald gab es Platzprobleme, deshalb zog das Archiv 1932 in das kurfürstliche Schloss in Wittenberg.
"Es waren drei Räume, die dort zur Verfügung standen, und da es auch dort schon bald an seine Grenzen kam, war geplant, ein großes Gebäude extra dafür zu bauen."
Der Zweite Weltkrieg hat einen Neubau verhindert. Heute befindet sich das Pfarrhausarchiv im Eisenacher Lutherhaus, das seit 1956 ein kirchliches Museum ist und zu DDR-Zeiten ideologisch nicht so festgelegt war.
"Es gab einen gewissen Freiraum hier. Man konnte Dinge oder Ausstellungsinhalte zeigen, die in staatlichen Museen in der Form nicht möglich gewesen wären. Insofern ist dann auch nach der Wende keine Änderung erfolgt, die Ausstellungen waren einfach verschlissen und mussten neu überarbeitet werden, aber inhaltlich war keine Änderung notwendig."
Bis heute werden die Sammlung und das Archiv ständig ergänzt und erweitert. Seit 2008 steht die umfangreiche Personendatei auch im Internet. 30.000 Pfarrer, Pfarrersfrauen und ihre Kinder – darunter bekannte Persönlichkeiten – sind digital abrufbar. Die Liste beginnt bei Paul Gerhard und reicht bis Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse und Albert Schweizer.
"Ein großer Teil des Bestandes nimmt die Forschungsbibliothek ein mit über 10.000 Bänden. Die ältesten Bücher gehen in das 16. Jahrhundert zurück, es geht in die Zeit 1519, 20, das sind dann schon Luther-Drucke, aber auch Luther-Mitstreiter, die schriftstellerisch tätig waren und deren Werke hier in dieser Bibliothek mit aufgenommen wurden."
"Es waren drei Räume, die dort zur Verfügung standen, und da es auch dort schon bald an seine Grenzen kam, war geplant, ein großes Gebäude extra dafür zu bauen."
Der Zweite Weltkrieg hat einen Neubau verhindert. Heute befindet sich das Pfarrhausarchiv im Eisenacher Lutherhaus, das seit 1956 ein kirchliches Museum ist und zu DDR-Zeiten ideologisch nicht so festgelegt war.
"Es gab einen gewissen Freiraum hier. Man konnte Dinge oder Ausstellungsinhalte zeigen, die in staatlichen Museen in der Form nicht möglich gewesen wären. Insofern ist dann auch nach der Wende keine Änderung erfolgt, die Ausstellungen waren einfach verschlissen und mussten neu überarbeitet werden, aber inhaltlich war keine Änderung notwendig."
Bis heute werden die Sammlung und das Archiv ständig ergänzt und erweitert. Seit 2008 steht die umfangreiche Personendatei auch im Internet. 30.000 Pfarrer, Pfarrersfrauen und ihre Kinder – darunter bekannte Persönlichkeiten – sind digital abrufbar. Die Liste beginnt bei Paul Gerhard und reicht bis Friedrich Nietzsche, Hermann Hesse und Albert Schweizer.
"Ein großer Teil des Bestandes nimmt die Forschungsbibliothek ein mit über 10.000 Bänden. Die ältesten Bücher gehen in das 16. Jahrhundert zurück, es geht in die Zeit 1519, 20, das sind dann schon Luther-Drucke, aber auch Luther-Mitstreiter, die schriftstellerisch tätig waren und deren Werke hier in dieser Bibliothek mit aufgenommen wurden."
Sanierung für 1,8 Millionen Euro
Es sind Schätze, die längst noch nicht alle gehoben sind. Bei seiner Arbeit ist Burkhardt Breitsprecher auf den Pfarrer Peter Süßmilch gestoßen, der viele Berufe und Interessen hatte.
"Er war Mediziner, Mathematiker, Historiker, Philosoph, Sozialwissenschaftler, Theaterkritiker, Sprachwissenschaftler, Nationalökonom, Umweltpolitiker, Unternehmer und Epidemiologe. Sein Hauptwerk nennt sich: ‚Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt dem Tode und der Fortpflanzung desselben‘, das gilt als ein wegbereitendes und bahnbrechendes Werk in der Geschichte der Bevölkerungsstatistik."
In den unteren Räumen lässt sich Luthers Lebensweg verfolgen, während sich das Obergeschoss der Geschichte des deutschen Pfarrhauses widmet.
Im Dezember 2013 wird das Lutherhaus erst einmal geschlossen, dann wird es für 1,8 Millionen Euro saniert und bekommt einen Anbau. Wenn alles klappt, wird das Lutherhaus Mitte 2015 neu eröffnet, mit einem besucherfreundlichen Eingangsbereich und Platz für wechselnde Sonderausstellungen. Die neu konzipierte Dauerausstellung wird dann Luther und der Bibel gewidmet sein, denn die vielen Luther-Gedenkstätten in Thüringen und Sachsen-Anhalt gehen jetzt arbeitsteilig vor. Jeder Ort soll in seiner spezifischen Bedeutung gewürdigt werden: Eisleben als Geburts- und Sterbeort Luthers, Wittenberg als Wohnort des Reformators und eben auch Eisenach mit der Wartburg, wo Luther 1521 begann, die Bibel zu übersetzten.
"Er hat ja in diesen zehn Wochen seines zehnmonatigen Aufenthalts das Neue Testament aus dem griechischen Urtext in die deutsche Sprache übersetzt. Die vollständige Bibelübersetzung lag dann ja 1534 vor, aber hier in Eisenach liegt der Ursprung."
Mit der Bibelübersetzung wurde Luther zum Begründer der deutschen Hochsprache, was weitreichende Folgen für die Bildung und Erziehung hatte. Auch das soll in Eisenach gewürdigt werden. Das Pfarrhausarchiv will die Bedeutung des evangelischen Pfarrhauses dokumentieren. Dabei ist es selbst Teil einer Geschichte geworden, die sich mehr und mehr dem Ende zuneigt. Als Ort der Bildung und Orientierung verliert das Pfarrhaus an Bedeutung, umso wertvoller wird ein Archiv, das uns zeigt, was wir dem Pfarrhaus zu verdanken haben.
"Er war Mediziner, Mathematiker, Historiker, Philosoph, Sozialwissenschaftler, Theaterkritiker, Sprachwissenschaftler, Nationalökonom, Umweltpolitiker, Unternehmer und Epidemiologe. Sein Hauptwerk nennt sich: ‚Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts aus der Geburt dem Tode und der Fortpflanzung desselben‘, das gilt als ein wegbereitendes und bahnbrechendes Werk in der Geschichte der Bevölkerungsstatistik."
In den unteren Räumen lässt sich Luthers Lebensweg verfolgen, während sich das Obergeschoss der Geschichte des deutschen Pfarrhauses widmet.
Im Dezember 2013 wird das Lutherhaus erst einmal geschlossen, dann wird es für 1,8 Millionen Euro saniert und bekommt einen Anbau. Wenn alles klappt, wird das Lutherhaus Mitte 2015 neu eröffnet, mit einem besucherfreundlichen Eingangsbereich und Platz für wechselnde Sonderausstellungen. Die neu konzipierte Dauerausstellung wird dann Luther und der Bibel gewidmet sein, denn die vielen Luther-Gedenkstätten in Thüringen und Sachsen-Anhalt gehen jetzt arbeitsteilig vor. Jeder Ort soll in seiner spezifischen Bedeutung gewürdigt werden: Eisleben als Geburts- und Sterbeort Luthers, Wittenberg als Wohnort des Reformators und eben auch Eisenach mit der Wartburg, wo Luther 1521 begann, die Bibel zu übersetzten.
"Er hat ja in diesen zehn Wochen seines zehnmonatigen Aufenthalts das Neue Testament aus dem griechischen Urtext in die deutsche Sprache übersetzt. Die vollständige Bibelübersetzung lag dann ja 1534 vor, aber hier in Eisenach liegt der Ursprung."
Mit der Bibelübersetzung wurde Luther zum Begründer der deutschen Hochsprache, was weitreichende Folgen für die Bildung und Erziehung hatte. Auch das soll in Eisenach gewürdigt werden. Das Pfarrhausarchiv will die Bedeutung des evangelischen Pfarrhauses dokumentieren. Dabei ist es selbst Teil einer Geschichte geworden, die sich mehr und mehr dem Ende zuneigt. Als Ort der Bildung und Orientierung verliert das Pfarrhaus an Bedeutung, umso wertvoller wird ein Archiv, das uns zeigt, was wir dem Pfarrhaus zu verdanken haben.