Von Hitler vertrieben, von Stalin verfolgt

Von Otto Langels |
Nach seiner Flucht vor den Nazis landete der Jazzmusiker Eddie Rosner 1939 in der Sowjetunion, wo er zum Star mit eigenem Jazzorchester aufstieg – bis er nach 1945 in die Verfolgungsmaschinerie des Stalinismus geriet. Erst gegen Ende seines Lebens konnte er in seine Geburtsstadt Berlin zurückkehren.
Die Historikerin Gertrud Pickhan und der Musikjournalist Maximilian Preisler haben jetzt eine Biografie über Eddie Rosner veröffentlicht.

Eddie Rosner, der mit Vornamen eigentlich Adolf Ignaz hieß und sich später Ady beziehungsweise Eddie nannte, wurde 1910 als letztes von fünf Kindern einer jüdischen Familie in Berlin geboren. Die Eltern stammten aus Polen. Sie schickten Eddie auf ein Konservatorium, wo er Klavier und Geige spielen lernte. Später wechselte er zur Trompete. Als professioneller Jazz- und Unterhaltungsmusiker kam er zu den Weintraubs Syncopators, einem der besten deutschen Jazzensembles in den 20er Jahren.

Maximilian Preisler, Autor der Biografie von Eddie Rosner:

"Also dass was die Weintraubs Syncopators hier vorgespielt haben, schräge Musik, die eigentlich an Jazz erinnert, da hat er seine ersten Karriereschritte unternommen und ist dann ganz schnell zum Jazzmeister avanciert. Er hat es vermocht zu swingen, das konnten damals wirklich nicht viele Jazzmusiker, die aus Deutschland kamen."

Die Weintraubs traten im berühmten Berliner Wintergarten-Varieté auf, sie standen mit Josephine Baker auf der Bühne und wirkten in mehr als 20 Tonfilmen mit, darunter im legendären "Blauen Engel". Friedrich Hollaender, der Leiter der Band, komponierte die Lieder für Marlene Dietrich, das Ensemble spielte die Musik.

"Es gibt eine schöne Anekdote, dass er Marlene Dietrich auch getroffen hat und für sie geschwärmt hat. Sie war nun glaube ich neun Jahre älter gewesen als er, aber immerhin. Im "Blauen Engel" spielen die Weintraubs Syncopators mit. Es gibt Fotos, die ihn zeigen beim Set. Und da ist er und Marlene auch zu sehen."

Trotz des Erfolgs hatte Eddie Rosner als jüdischer Jazzmusiker nach 1933 keine Zukunft in Deutschland. Zunächst trat er in Holland, Belgien und Frankreich auf, ging dann aber nicht nach Amerika wie viele andere Emigranten und auch nicht nach Australien – wie die meisten Mitglieder der Weintraubs.

"Ich glaube, das Wichtigste war, dass die Eltern aus Polen kamen, beide Elternteile in Auschwitz geboren, und das war ein Weg zurück auch. Er hoffte, dass es ein Weg in die Sicherheit sei, aber das war natürlich nicht der Fall."

In Polen heiratete Eddie Rosner eine Schauspielerin vom Jüdischen Theater in Warschau und gründete in Krakau eine neue Band. Nach dem deutschen Überfall im September 1939 musste er aber mit seiner Familie weiter nach Osten fliehen. Er hatte Glück und lernte in Weißrussland den Chef der dortigen kommunistischen Partei kennen, einen großen Jazzfan.

"Zum einen gab es innerhalb der russischen Nomenklatura tatsächlich Politiker, die ihn sehr stark förderten. Ponomarenko ist ein Name, der da immer wieder auftaucht, der ihn förderte. Das zweite ist, dass er ungemeinen Eindruck machte, weil er westliche Musik nach Russland, in die Sowjetunion brachte."

Eddie Rosner avancierte zum Leiter des Staatlichen Jazzorchesters Weißrusslands. Er reiste während des Krieges quer durch die Sowjetunion, spielte bei Truppenbesuchen an der Front und wurde begeistert gefeiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber änderte sich die Situation. Seine Musik bekam nunmehr das Etikett westlich und dekadent aufgedrückt. "Der Zar mit der goldenen Trompete", wie man ihn nannte, fiel dem stalinistischen Terror zum Opfer und verschwand im Gulag. Die Musik aber rettete ihm das Leben. Im sibirischen Lager gründete er eine Band und spielte für den Kommandanten und die Aufseher.

Nach Stalins Tod kam Eddie Rosner frei. In Moskau startete er eine zweite Karriere. Mit einem neuen Orchester, das mehr Unterhaltungsmusik als Jazz spielt, ging er auf Tournee und füllte Konzertsäle und Fußballstadien.

Eddie Rosner war ein gefeierter Star, aber er fühlte sich nicht heimisch in der Sowjetunion und wollte das Land verlassen. Nachdem die Behörden mehrere Anträge abgelehnt hatten, durfte er endlich 1973 ausreisen. Er kehrte in seine Geburtsstadt Berlin zurück, versuchte noch einmal als Jazzmusiker Fuß zu fassen, hatte aber keinen Erfolg. Die Musik, die ihn in der Sowjetunion populär gemacht hatte, war im Westen nicht gefragt.

"Vielleicht hat ihn eine gewisse Müdigkeit auch erfasst. Es war ein anstrengendes Leben, das er geführt hat in diesen zwei totalitären Herrschaften in Europa, durch die er beide hindurchgegangen ist, beide überlebt hat und dennoch nicht den Platz einnimmt heutzutage, den man ihm zugestehen müsste aufgrund seiner Biographie, aufgrund seiner hervorragenden Musik."

Jahrelang kämpfte Eddie Rosner vergeblich um eine bescheidene Entschädigung. Er starb 1976, vergessen und verarmt, und wurde auf dem Jüdischen Friedhof an der Heerstraße in Berlin beigesetzt.


Gertrud Pickhan, Maximilian Preisler: Von Stalin vertrieben, von Hitler verfolgt. Der Jazzmusiker Eddie Rosner
be.bra Verlag, Berlin 2010
168 S., 19,95 Euro