Von innerer Unruhe angetrieben

Von Christian Geuenich |
Für seinen Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin ist der 33-jährige Regisseur Bastian Günther mit dem angesehenen "First Steps Award" für Nachwuchsfilmer ausgezeichnet worden. Mit seinem Langfilm-Debüt "Autopiloten" lud ihn die Berlinale ein. Eigentlich läuft alles bestens für den Nachwuchsregisseur und trotzdem treibt ihn, wie auch seine Figuren, eine innere Unruhe an.
Bastian Günther: "Es geht immer um eine gewisse Einsamkeit, die jede Figur in sich trägt, Menschen, die unterwegs sind, ‚Einsamkeit im Transit’ nenne ich es gern. Es geht auch um die Unruhe oder die Angst des Mittelstandes. Im Grunde geht es einem nicht schlecht, aber die Gedanken, die man hat, ‚War’s das jetzt, leb ich richtig oder hab ich das erreicht, was ich wollte, gibt’s noch mehr, was ist noch drin für mich’, das sind Fragen, das interessiert mich einfach."

Der 33-jährige Nachwuchsregisseur und Drehbuchautor Bastian Günther sitzt an einem Tisch in einem kleinen Besprechungsraum mit Neonröhre in der Kölner Produktionsfirma Lichtblick Film. Er wirkt erschöpft, ist unrasiert, hat tiefe Ringe unter den blauen Augen, das Schnupfenspray steht griffbereit auf dem Tisch.

"Also jetzt langsam merke ich wirklich, wie ich nicht mehr kann, also man merkt wie der Körper abbaut, aber das ist auch irgendwie normal, wenn man wirklich fast anderthalb Jahre nur gearbeitet hat."

Allein ein dreiviertel Jahr hat der Nachwuchsregisseur mit den dunkelblonden, verwuschelten Haaren und der ruhigen Ausstrahlung am Drehbuch für sein Kinodebüt "Autopiloten" geschrieben. In einer WG in Berlin-Kreuzberg, die er mit dem Produzenten seiner letzten Filme teilt.

"Aber in dem Augenblick, wo du schreibst, bist du natürlich allein in deinem Zimmer, und dann bist du natürlich schon froh, wenn du mal zum Bäcker gehen kannst und unter Leute kommst."

Trotzdem mag Bastian Günther diese Drehbuchphasen, in denen er sich die Zeit frei einteilen kann. Dann kann er seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen: Nachmittags im Kino zwei Filme am Stück gucken. Film ist sein Lebensinhalt, bei dem die Freizeit wie im letzten halben Jahr auch schon einmal zu kurz kommt – Zeit für eine Freundin hat er nicht, die zwei neuen Paar Fußballschuhe stehen unbenutzt in seinem Zimmer. Das alles erzählt er ganz ruhig und doch merkt man, dass hinter dieser Fassade ein äußerst emotionaler, sensibler Mensch steckt.

"Wenn ich mich freu, dann freu ich mich auch eher so innerlich und auch Ärger schluck ich eher runter, ich flipp nicht aus am Set oder so. Privat auch nicht, das ist ne Typsache. Trotzdem bin ich natürlich ein emotionaler Mensch."

Aufgewachsen ist Bastian Günther in einem 5000-Einwohner-Dorf im Westerwald. Seine Eltern sind selbständig, verkaufen Büromaschinen. Die erste große Begeisterung fürs Filmemachen kommt, als er mit 16 den handlungsarmen Schwarz-Weiß-Film "Stranger than Paradise" von Jim Jarmusch sieht.

"Wo alle gesagt haben, ‚Bäh, passiert nix, total langweilig, oh, bin ich eingeschlafen’, und ich war wirklich sehr angetan von dem Film, also das Lakonische, die Kamera und die Schwarz-Weiß-Bilder, das hat mir alles sehr gut gefallen. Wo ich gedacht hab, Mann, das ist toll, so einen Film zu machen."

Nach schlechtem Abitur und dem Zivildienst geht er 1996 nach Köln, studiert dort Englisch, Sport und Sozialwissenschaften für das Lehramt. Die meiste Zeit arbeitet er allerdings als Fahrer, Set-Assistent oder Regie-Praktikant beim Film. Im Jahr 2000, mit 26, gelingt ihm die Aufnahme an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin.

Nach verschiedenen Kurzfilmen begleitet er 2003 für den Dokumentarfilm "Bleib zu Hause im Sommer" den skurrilen Hamburger Liedermacher Bernd Begemann durch Clubs und Hinterzimmer.

"Was mir bei seinen Liedern und Liedtexten sehr gut gefällt, ist, dass er im Grunde ein ähnliches Thema verfolgt, was ich auch in meinen Filmen hab, nämlich die Probleme des Alltags, die Probleme des Mittelstandes, das ist dann auch so eine Art Inspiration für mich gewesen."

Begemann hat extra zwei Lieder für den Schlagersänger Heinz in "Autopiloten" geschrieben. Das Schlusslied ist von einem Album Begemanns.

2005 dreht er mit "Ende einer Strecke" seinen Abschlussfilm an der Filmhochschule, bekommt dafür den angesehenen "First Steps Award" für Nachwuchsfilmer. Mit seinem Kinodebüt "Autopiloten" hat er im Ruhrgebiet jetzt einen unaufgeregten Episodenfilm gedreht, in dem die vier Figuren wie fremdgesteuert einem Wunschbild nachjagen. 24 Stunden aus dem Leben des erfolglosen Schalker Bundesliga-Trainers Georg, des alternden Schlagersängers Heinz, des rastlosen Fernsehreporters Dieter und 24 Stunden aus dem Leben von Jörg, dem Vertreter für Badewannenlifte.

Jörg: "Und die Sitzfläche besteht aus einem extrem belastungsfähigen Plastikmaterial, was natürlich sämtliche Arten von Badezusätzen, Ölen und Salzen verträgt, und bis zu 2000 Kilogramm tragen kann. Nicht dass Sie jemals dieses Gewicht erreichen würden. Wenn Sie heute bestellen, dann müssen Sie nur eine Anzahlung von zehn Prozent leisten, so nett sind wir zu Ihnen."

Bastian Günthers Figuren haben alle eine innere Unruhe, sind getrieben, unzufrieden mit dem Leben. Eine innere Zerrissenheit, die der Nachwuchsregisseur auch von sich selbst kennt.

"Wenn ich jetzt mit allem total zufrieden wär und immer total entspannt innerlich wär, dann würde ich vielleicht Komödien drehen oder irgendwelche seichten Filmchen für nen Privatsender oder so was. Natürlich ist es manchmal auch ein bisschen quälend eine innere Unruhe zu haben, auf der anderen Seite ist es auch für den kreativen Prozess schon wichtig."

Bastian Günther ist ein eher pessimistischer Mensch. Er weiß, dass es in der Filmwelt keine sicheren Jobs gibt, dass das Hochgelobte morgen schon wieder vergessen sein kann, auch wenn ihm seit der Berlinale-Einladung alle auf die Schulter klopfen.

"Also jetzt davon auszugehen, dass alles weiterhin so super läuft wie in den letzten zwei Jahren, das wär ja Blödsinn, also dann würde ich glaube ich nicht mehr so gut arbeiten. Es ist auch immer ein Ansporn, diesen Druck zu haben. Man muss nur gucken, dass man sich seine Inseln schafft, wo man auch sein Privatleben auf die Reihe kriegt. Irgendwann in fünf Jahren bin ich dann total durchgeknallt und mache Filme übers Filmemachen oder so, das soll’s ja auch nicht sein."