Von Jens Brüning

Die "Süddeutsche" erinnert daran, dass die erste Spam-Mail vor gut 30 Jahren verschickt wurde. Außerdem in den Feuilletons: Der Maler Vincent van Gogh soll sich nicht selbst das Ohr abgeschnitten haben. Und die "Frankfurter Rundschau" fragt, ob nicht auch Italienisch, Türkisch, Arabisch und Griechisch an den Schulen als Wahlfächer angeboten werden sollten.
"Die erste Spam-Mail wurde am 3. Mai 1978 verschickt", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Tobias Moorstedt erläutert in schöner Ausführlichkeit, was wir schon immer über die lästigste Begleiterscheinung der modernen Kommunikation wissen wollten. Wir lernen die Strategie der Datenmüll-Versender kennen und bekommen Hinweise auf besonders geschickt verpackte Wurm- und Virus-Packungen. Moorstedt schreibt:

"Die Lektüre des Spam-Ordners ist eine Lektion darin, auf wie viele verschiedene Arten man Viagra schreiben kann, ohne Viagra zu schreiben."

Weil die mechanisierte Müll-Mail-Polizei sonst ja gnadenlos zupacken würde. Tobias Moorstedt kommt nach allerhand Ausflügen in die Werbewelt und andere Regionen der Sprachspielerei zu dem Ergebnis:

"Die Spam-Mails sind die literarische Avantgarde einer Zeit, in der die Maschinen über die Köpfe ihrer Erfinder und Benutzer hinweg miteinander sprechen."

Die Menschen nämlich sitzen vor ihren Apparaten und bekommen gar nicht mit, was sich hinter der Bildschirmoberfläche alles abspielt, wie da gerungen wird um die Worterkennung und den Eintritt in das System. Schade an sich. Man könnte spannende Romane aus diesem Stoff gewinnen.

Etwas von einem Roman steckte auch im Leben des Malers Vincent van Gogh. Es ist nun ein Buch erschienen, in dem die Sache mit dem Ohr ausführlich erörtert wird. Van Gogh hatte sich ja 1888 in einem Anfall von Wahn die linke Ohrmuschel abgeschnitten. In dem Buch von Rita Wildgans und Hans Kaufmann nun wird behauptet und – wie Bärbel Küster in ihrer Rezension in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG meint – nachgewiesen, dass es der Malerfreund Gauguin war, der dem aufbrausenden van Gogh mit dem Degen das Ohr abschlug. Es habe danach ein Schweigegelöbnis zwischen beiden gegeben, aus dem dann die Legende mit der Selbstverstümmelung wurde. Bärbel Küster schreibt:

"Die Autoren unterfüttern ihre Thesen minutiös mit einer Fülle von Briefmaterial, versteckten Hinweisen aus Texten, Skizzen und Werken Gauguins."

Und die SZ-Autorin wundert sich:

"Es ist erstaunlich zu sehen, auf welch dünnem Eis Myriaden von Wissenschaftlern, Kunstliebhabern und Filmemachern sich bisher bewegten."

Nun also das Buch zum Ohr. Wir lesen in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG:

"Ob Selbstverletzung oder Degenhieb – die Verstümmelung war in jedem Fall ein Ritterschlag, der Vincent van Gogh zu einer gut verkäuflichen Marke des wilden, wahnsinnigen Künstlers machte."

Eine ganz andere Strategie wandte der Deutsch-Franzose Adelbert von Chamisso an:

"Aller Welt Freund zu sein, war sein stärkster Charakterzug."

Chamissos Biografin Beatrix Langner schreibt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU über den "Chamisso-Preis", der vor 25 Jahren erstmals vergeben wurde. Die nach dem berühmten Wahlpreußen benannte Auszeichnung ehrt Deutsch schreibende ausländische Schriftsteller. Es gibt in Langners Artikel einige bedenkenswerte Vorschläge. Zum Beispiel:

"Arabische Deutsche würden gutes Arabisch bei dem Dichter Abbas Beydoun und gutes Deutsch bei dem Dichter Said lernen."

Der Libanese Beydoun hat tatsächlich einmal als Arabischlehrer gearbeitet, der Exil-Iraner Said kam als 17-jähriger Student nach Deutschland und war zwei Jahre lang Präsident des Deutschen PEN-Zentrums. Beatrix Langner meint:

"Warum nicht neben Französisch und Englisch auch Italienisch, Türkisch, Arabisch und Griechisch, die Sprachen der größten Minderheiten, als Wahlfächer an deutschen Schulen?"

Zum Schluss macht die Autorin einen wahrhaft revolutionären Vorschlag. Wir lesen in der FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Warum nicht den Chamisso-Preis umbenennen in den Kleinen Gott der Freundlichkeit und ihn zukünftig jedem geben, der zur Verständigung zwischen den Sprachen und Ethnien beiträgt, nicht nur Einwanderern? Das wäre echte Unsterblichkeit."