Von Jens Brüning

Kaum ein Feuilleton meckert über Udo Lindenbergs Musical-Premiere in Berlin, die "Neue Zürcher Zeitung" schreibt über die Probleme, die Osteuropäer mit Westeuropa haben könnten und die "Süddeutsche Zeitung" kümmert sich um das Hinscheiden der deutschen Sprache.
"Glückliches Ende, glücklicher Udo", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Renate Meinhof hat die Premiere des Musicals mit Hut im Musical-Theater am Potsdamer Platz gesehen und fand das Ergebnis drei Spalten breit respektabel. Die anderen Blätter haben auch wenig zu meckern, sind teilweise gar von Lindenbergs fiktiver Bühnen-Biografie enthusiasmiert, bloß Harald Peters von der Tageszeitung DIE WELT saß gefühlsmäßig im falschen Stück. Dabei endete alles sehr harmonisch, wie wir nun wieder der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG entnehmen:

"Bei der Party nach der Premiere bieten Kellnerinnen Eierlikör an. Sie tragen Faltenröcke, grau, und FDJ-Blusen, sehr blau."

Gemeint sind die Blusen. Renate Meinhof resümiert: "Es ist an alles gedacht."

Im Rückblick ist vieles etwas verschwommen, ähnlich der Lindenbergschen "Likörellen", jene auf Süßalkohol basierenden Farbblätter, mit denen der Sänger einen zweiten Zweig seines künstlerischen Schaffens offenbarte. Ungarn, so wird gesagt, sei "die lustigste Baracke im Ostblock" gewesen. Nun ist Ungarn Mitglied der Europäischen Union und der NATO und sitzt seit dem 1. Januar 2011 turnusmäßig dem Rat der Europäischen Union vor. Der in Berlin lebende Schriftsteller und Publizist Richard Wagner wurde 1952 in Rumänien geboren. Das liegt von Brüssel aus gesehen noch hinter Ungarn.

Wagner schreibt in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über die Probleme, die Osteuropäer mit Westeuropa haben können. Wir lesen:

"Belgien, das keine Regierung hat, jedenfalls keine, die das Wahlergebnis widerspiegeln würde, und damit auch keine parlamentarisch legitimierte, scheint dadurch nicht weniger demokratisch legitimiert zu sein als die von einer parlamentarischen Übermehrheit getragene ungarische Polter-Regierung."

Wagner vermutet: "Das liegt wohl an der Stabilität des abendländischen Gesamtkunstwerks, das sich heute 'Westen' nennt." Es ist ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, das Wagner in der NZZ darstellt, und natürlich gibt es blinde Flecken im Gruppenbild:

"Über Orbans Ungarn und über Ungarns Orban wurde in der letzten Zeit viel geschrieben, vom erfolgreichen Estland, das dieser Tage der Euro-Zone beitrat, ist wesentlich weniger die Rede, auch aus dem einfachen Grund, weil es in den Schreibstuben zurzeit als chic gilt, den Euro für tot zu erklären."

Richard Wagner sieht den an die Wand gemalten Tod des Euro so:

"Eine schönere Leiche hat es lange nicht gegeben. Kein Wunder, dass das Begräbnis noch aussteht."

Man trauert ja auch schon lange über das Hinscheiden der deutschen Sprache, vor allem an den "Service-Points" der Bahn AG. Nun fand im bayerischen Tutzing eine Tagung statt, auf der Wissenschaftler aller Fachgebiete um das Babylonische der Wissenschaftssprache rangen. Kristina Maidt-Zinke war für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG dabei und notierte unter anderem:

"Der Linguist Jürgen Trabant, der die Begeisterung für das 'globalesische' Englisch religiös motiviert sieht, räumte mit populären Illusionen über die 'Lingua franca' auf, die in Wahrheit ein 'Pidgin auf romanischer Basis in den Häfen des Mittelmeers' war."

Und wir lesen auch:

"Chinesen lernen neuerdings Latein statt Englisch."

Andrea Köhler fasst die zusammen, was in den USA nach dem "Blutbad von Arizona" als Ursachenforschung betrieben wird. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG schreibt sie:

"In den USA sind seit Ende der sechziger Jahre mehr als eine Million Menschen durch Schusswaffen umgekommen."

Das wird aber nichts an der Problembewältigung jenseits des Atlantiks ändern:

"Amerika bleibt bei seinem Ritual, das stets nach demselben Muster abläuft: Katastrophe, Schock, Schuldzuweisung. Und das große Vergessen."