Von Jens Brüning

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet über Pläne für einen "Holocaust in Palästina", macht mit Peter Handke einen Waldspaziergang unweit von Paris und fragt Dichter, wovon sie eigentlich leben.
"Die Bürokratie des Todes stand schon bereit", lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Joachim Käppner berichtet von Planungen für die Fortführung des Mordes an den europäischen Juden im Nahen Osten. Die Stuttgarter Historiker Klaus-Michael Mallmann und Martin Cüppers entdeckten in den Archiven der Zentralstelle zur Fahndung nach NS-Verbrechern detaillierte Pläne für einen "Holocaust in Palästina", ein "geplantes deutsch-arabisches Massenverbrechen". Erwin Rommel, der als "Wüstenfuchs" in die Kriegstagebücher des Zweiten Weltkriegs einging, wäre nach diesen Funden möglicherweise ein ebensolcher Kriegsverbrecher geworden wie seine Feldmarschalls-Kameraden auf Ostfeldzug. Es fand sich nur kein Dokument, das für Rommels Wissen von diesen Vernichtungsplänen gesprochen hätte. Zum Genozid in Nahost kam es schon "dank des britischen Sieges bei El Alamein" nicht.

Themenwechsel: "In der Tasche liegen die Judasohren", steht auf der Aufmacherseite des Feuilletons der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in einem Artikel von Thomas Steinfeld. Der war zu Besuch im Südwesten von Paris und hat mit dem Schriftsteller Peter Handke einen Waldspaziergang unternommen. Die beiden Herren sammelten Pilze namens "Judasohren". Man kann sie mit Ingwer und Bouillon zu einer leckeren Suppe verkochen, die leicht nussig schmeckt. Zu finden sind in diesem Wald auch "verfallene Unterstände für deutsche Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg". Wir erfahren, dass sich der Dichter "schon immer mit dem Vergessenwerden beschäftigt" habe, und dass der Wald ein industriell genutzter Wald ist, also keiner, in dem irgendwelche Romantik aufkommen könnte. Darum ist es interessant zu wissen, dass hier einst so viele russische Immigranten wohnten, dass es seitdem eine russisch-orthodoxe Kirche in diesem Pariser Vorstadtnest gibt. Vladimir Nabokov gehörte zu ihnen. Und in diesem Wald also schrieb Peter Handke seinen Roman "Mein Jahr in der Niemandsbucht", geborgen unter Büschen, mit dem Bleistift Blatt für Blatt füllend, Pilze suchende alte Männer grüßend, die noch intakte deutsche Panzer mit eigenen Augen sahen. Es muss sehr kalt in diesem Wald sein.

Drei Seiten weiter hinten in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG erfahren wir, wovon unsere Dichter eigentlich leben. Es ging ja dieser Tage die Nachricht um, dass sehr viel öffentliches Geld vom "Deutschen Literaturfonds" in eine österreichische Literaturzeitschrift gesteckt werde. Fehlt nun das Geld für die hiesige Dichterlandschaft? Neunzehn Antworten hat die SZ gesammelt, und nur ganz wenige sind böse über Zuwendungen in Form von Stipendien oder Preisen.

Thomas Lang meint: "Es ist ja unternehmerischer Wahnsinn, einen Roman zu schreiben." Und Peter Stamm freut sich: "Es ist mir immer etwas peinlich, Geld geschenkt zu bekommen." Albert Ostermaier gibt die ausführlichste Antwort, deren Kernsatz lautet: "Unser Autorenbild ist in vielem zutiefst verlogen." Trost kommt von Martin Mosebach, der in zivilisierter Zurückhaltung der Mutmaßung Auslauf gibt, "viele zu fördern, in der Hoffnung, dann die Richtigen gelegentlich mitzuerwischen", sei ein guter Ausweg. Nur der Jüngste unter den befragten Dichtern, Clemens Meyer, meint: "Ich hätte es auch ohne Förderung geschafft." Er hat aber nicht "Nein" gesagt, als man ihn fördern wollte.

"Nur der Irrtum weist den Weg zur Wahrheit", ist die Überschrift eines Plädoyers für die Meinungs- und Redefreiheit, das der Soziologe Wolfgang Sofsky in der Tageszeitung DIE WELT veröffentlicht. Es gibt darin einen sehr spannenden Absatz über Gott und das, was der kann, will, beziehungsweise unterlässt und was aus diesem Verhalten zu folgern wäre. Der wichtigste Satz aber lautet:

"Selbst wenn alle Wahrheiten bereits bekannt wären, so könnte man dennoch auf die Redefreiheit nicht verzichten."