Von Karl dem Großen bis 2012
Regisseur Leonhard Koppelmann hat aus einem Dutzend Epochen-Features eine abwechslungsreiche und in sich stimmige Chronik geschaffen. Die Wanderung durch 1200 Jahre deutscher Geschichte ist nicht nur lehrreich, sondern ist auch auf dem neuesten Forschungsstand.
"Die Herrschaft Karls des Großen"
Es beginnt mit der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800, als von einem "Deutschland" noch keine Rede ist. Europa ist damals ein Flickenteppich, doch der große Karolinger legt die Grundlage für den Zusammenhalt der Stämme im Jahr 955, als Otto der Erste die Expansion der Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg stoppt.
"Der Sieg gegen die Ungarn, erstritten mit sächsischen, fränkischen, bayerischen und lothringischen Kämpfern, galt vielen Historikern als Geburtsstunde der Deutschen."
Was man in grauer Vorzeit in der Schule gelernt hat und damals vielleicht langweilig fand - hier wird es lebendig gemacht. Regisseur Leonhard Koppelmann hat es geschafft, aus einem Dutzend Epochen-Features von zwölf verschiedenen Autoren eine akustisch abwechslungsreiche und in sich stimmige Chronik zu fügen. Jeder Autor hatte einen Geschichtswissenschaftler an der Seite, der Fakten einordnet, Zusammenhänge erklärt und - wo möglich - einen Bezug zu heute herstellt.
"Das ist ja ein Charakteristikum des deutschen Spätmittelalters, dass die großen Modernisierungsleistungen gar nicht bei den Königen stattfinden, sondern in diesen Adelsherrschaften. Wenn man so will, kann man sagen, die föderale Struktur Deutschlands ist in dieser Zeit angelegt."
Weil die Geschichtsforschung sich stark auf schriftliche Quellen stützt, ist sie zu weiten Teilen die Historie der Herrschenden: Arme Menschen schreiben meist keine Briefe, verfassen keine Urkunden oder gar Bücher. Die Feature-Autoren haben sich darum bemüht, auch über das Leben der sogenannten kleinen Leute zu berichten.
Um die Epochen unserer Geschichte akustisch zu bebildern, sind natürlich auch die Originaltöne historischer Persönlichkeiten hilfreich, die in den Archiven lagern. Die ältesten deutschen Töne auf Phonographenwalzen stammen von Bismarck von 1889, sind aber kaum mehr zu verstehen.
Das Hörbuch wartet aber mit kaum älteren Aufnahmen auf Schallplatten aus dem Wilhelminischen Kaiserreich auf, die noch erstaunlich gut zu verstehen sind. Hier der damalige Oberbefehlshaber Hindenburg, der im Ersten Weltkrieg nach der Schlacht von Tannenberg 1914 eine Rede an die Soldaten hält.
Danach geht es abwärts mit den Deutschen: Die akustische Reise zeichnet den fahrlässigen Weg nach in die schrecklichen Jahre des nationalsozialistischen Terrors. Zeitungsartikel, Ausschnitte aus damals zeitgenössischen Romanen und private Tagebuchaufzeichnungen kommen als Quellen hinzu, lassen diese Zeit nahe heran rücken an den Hörer:
"1. April 1933. Mit Flammenschrift steht dieser Tag in mein Herz eingegraben. Vor allen jüdischen Geschäften, Anwaltskanzleien, ärztlichen Sprechstunden, Wohnungen, stehen junge Bürschchen, in Uniform, mit Schildern: ‘Wer beim Juden kauft, der ist ein Volksverräter’."
Dem geteilten Nachkriegsdeutschland und den vergangenen rund 20 Jahren seit der Wiedervereinigung widmet das Hörbuch jeweils ein eigenes Kapitel.
"Ungarn hat heute damit begonnen, die seit 40 Jahren bestehenden Grenzbefestigungen zu Österreich abzubauen."
Einführung des Euro, islamistischer Terror und Bankenkrise: Zum Ende des Hörbuchs wird das Land zunehmend von einer globalisierten Welt geprägt.
Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund des mörderischen Trios aus Thüringen hat auch noch Eingang gefunden in diese Tour de force von Karl dem Großen bis zur Gegenwart des Jahres 2012.
Trotz aller Schattenseiten der Geschichte Deutschlands sollte das Hörbuch wohl hoffnungsfroh enden. Dafür bot sich die Antrittsrede des ehemaligen ostdeutschen Dissidenten und neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck an:
"Ich empfinde mein Land vor allem als ein Land des Demokratiewunders . (..) Auch jener Teil unserer Geschichte darf nicht vergessen sein, der die Neugründung einer politischen Kultur der Freiheit, die gelebte Verantwortung, die Friedensfähigkeit und die Solidarität unseres Volkes umfasst. Das ist kein Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur, das ist eine Paradigmenergänzung."
Besprochen von Vanja Budde
Der Hörverlag (Hg.): Unterwegs in der Geschichte Deutschlands: 800 bis heute
Diverse Autoren und Sprecher, Regie: Leonhard Koppelmann
12 CDs, ca. 900 Minuten, 49,99 Euro
Es beginnt mit der Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800, als von einem "Deutschland" noch keine Rede ist. Europa ist damals ein Flickenteppich, doch der große Karolinger legt die Grundlage für den Zusammenhalt der Stämme im Jahr 955, als Otto der Erste die Expansion der Ungarn auf dem Lechfeld bei Augsburg stoppt.
"Der Sieg gegen die Ungarn, erstritten mit sächsischen, fränkischen, bayerischen und lothringischen Kämpfern, galt vielen Historikern als Geburtsstunde der Deutschen."
Was man in grauer Vorzeit in der Schule gelernt hat und damals vielleicht langweilig fand - hier wird es lebendig gemacht. Regisseur Leonhard Koppelmann hat es geschafft, aus einem Dutzend Epochen-Features von zwölf verschiedenen Autoren eine akustisch abwechslungsreiche und in sich stimmige Chronik zu fügen. Jeder Autor hatte einen Geschichtswissenschaftler an der Seite, der Fakten einordnet, Zusammenhänge erklärt und - wo möglich - einen Bezug zu heute herstellt.
"Das ist ja ein Charakteristikum des deutschen Spätmittelalters, dass die großen Modernisierungsleistungen gar nicht bei den Königen stattfinden, sondern in diesen Adelsherrschaften. Wenn man so will, kann man sagen, die föderale Struktur Deutschlands ist in dieser Zeit angelegt."
Weil die Geschichtsforschung sich stark auf schriftliche Quellen stützt, ist sie zu weiten Teilen die Historie der Herrschenden: Arme Menschen schreiben meist keine Briefe, verfassen keine Urkunden oder gar Bücher. Die Feature-Autoren haben sich darum bemüht, auch über das Leben der sogenannten kleinen Leute zu berichten.
Um die Epochen unserer Geschichte akustisch zu bebildern, sind natürlich auch die Originaltöne historischer Persönlichkeiten hilfreich, die in den Archiven lagern. Die ältesten deutschen Töne auf Phonographenwalzen stammen von Bismarck von 1889, sind aber kaum mehr zu verstehen.
Das Hörbuch wartet aber mit kaum älteren Aufnahmen auf Schallplatten aus dem Wilhelminischen Kaiserreich auf, die noch erstaunlich gut zu verstehen sind. Hier der damalige Oberbefehlshaber Hindenburg, der im Ersten Weltkrieg nach der Schlacht von Tannenberg 1914 eine Rede an die Soldaten hält.
Danach geht es abwärts mit den Deutschen: Die akustische Reise zeichnet den fahrlässigen Weg nach in die schrecklichen Jahre des nationalsozialistischen Terrors. Zeitungsartikel, Ausschnitte aus damals zeitgenössischen Romanen und private Tagebuchaufzeichnungen kommen als Quellen hinzu, lassen diese Zeit nahe heran rücken an den Hörer:
"1. April 1933. Mit Flammenschrift steht dieser Tag in mein Herz eingegraben. Vor allen jüdischen Geschäften, Anwaltskanzleien, ärztlichen Sprechstunden, Wohnungen, stehen junge Bürschchen, in Uniform, mit Schildern: ‘Wer beim Juden kauft, der ist ein Volksverräter’."
Dem geteilten Nachkriegsdeutschland und den vergangenen rund 20 Jahren seit der Wiedervereinigung widmet das Hörbuch jeweils ein eigenes Kapitel.
"Ungarn hat heute damit begonnen, die seit 40 Jahren bestehenden Grenzbefestigungen zu Österreich abzubauen."
Einführung des Euro, islamistischer Terror und Bankenkrise: Zum Ende des Hörbuchs wird das Land zunehmend von einer globalisierten Welt geprägt.
Der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund des mörderischen Trios aus Thüringen hat auch noch Eingang gefunden in diese Tour de force von Karl dem Großen bis zur Gegenwart des Jahres 2012.
Trotz aller Schattenseiten der Geschichte Deutschlands sollte das Hörbuch wohl hoffnungsfroh enden. Dafür bot sich die Antrittsrede des ehemaligen ostdeutschen Dissidenten und neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck an:
"Ich empfinde mein Land vor allem als ein Land des Demokratiewunders . (..) Auch jener Teil unserer Geschichte darf nicht vergessen sein, der die Neugründung einer politischen Kultur der Freiheit, die gelebte Verantwortung, die Friedensfähigkeit und die Solidarität unseres Volkes umfasst. Das ist kein Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur, das ist eine Paradigmenergänzung."
Besprochen von Vanja Budde
Der Hörverlag (Hg.): Unterwegs in der Geschichte Deutschlands: 800 bis heute
Diverse Autoren und Sprecher, Regie: Leonhard Koppelmann
12 CDs, ca. 900 Minuten, 49,99 Euro