Von Klaus Pokatzky
Beherrschendes Thema ist die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Die Süddeutsche Zeitung beschäftigt sich in einer Glosse damit, wie es ist, wenn eigene Leistungen noch einmal unter anderem Namen veröffentlich werden.
"Man verliert die Orientierung in der Sprachordnung, wenn ein Wort plötzlich in neuem Kontext auftaucht." Das lasen wir in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Wir könnten auch sagen: Man verliert die Orientierung in der Promotionsordnung, wenn ganz, ganz viele Worte und Wörter in neuem Kontext auftauchen. "Im Fall von "verpeilt" steckt Orientierungslosigkeit im Wort selbst." Das schrieb die SÜDDEUTSCHE in einer kleinen Glosse über das Wort "verpeilt". Ein schönes Wort für diese Woche. "Im Englischen sagt man übrigens: "Not to be with it" – so, als sei man für einen Augenblick aus der Welt gefallen." Verpeilt und aus der Welt gefallen fühlt sich leicht der, der feststellt, dass seine eigenen geistigen Leistungen noch einmal unter anderem Namen veröffentlicht werden.
"Dann kamen zunehmend Artikelanfragen von verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Da merkte ich plötzlich, dass mich einige als Autor ernst nehmen." Das sagte im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG nicht Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg über seine Doktorarbeit, sondern das sagte ein berühmtes Opfer eines Plagiats: "Airen" nennt er sich ganz bescheiden – der Blogger, den vor ziemlich genau einem Jahr Helene Hegemann in ihrem Bestseller "Axolotl Roadkill" geistig beklaut hatte.
"Der Skandal ist jetzt vorbei, und alles, was nun kommt, ist ein Zeichen dafür, dass es weitergeht, sagte Airen noch: Das nächste Buch wird entscheidend sein. Umso mehr möchte ich mir damit Zeit lassen; es soll das Beste werden, was ich je geschrieben habe."
Zeit lassen sollte man sich vielleicht auch für seine Dissertation – vor allem, wenn sie 475 Seiten stark ist, mit rund tausend Fußnoten und einer 50-seitigen Literaturliste. "Insgesamt 86 Zeilen, mehr als die Hälfte des ganzen Artikels, hat er aus meinem Text in seine Arbeit übernommen: 86 Zeilen, in denen ich pointiert eine Meinung vertrete – und zwar meine Meinung." Das schrieb die Publizistin Klara Obermüller in der Tageszeitung DIE WELT – nachdem die Deutsche Presseagentur Frühmorgens bei ihr angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass der Bundesminister der Verteidigung, der übrigens auch Verantwortung trägt für zwei Universitäten der Bundeswehr, in seiner Doktorarbeit aus einem Leitartikel von Klara Obermüller abgeschrieben hatte, der vor Jahren in der "NZZ am Sonntag" erschien war. "Abgeschrieben, wohlverstanden", stellte Klara Obermüller fest, "nicht zitiert oder paraphrasiert, und zwar eine längere Passage ganz ohne Anführungs- und Schlusszeichen, ohne Namensnennung und ohne Quellenangabe." Die "NZZ am Sonntag" ist ja die Sonntagsausgabe der "Neuen Zürcher Zeitung" – und in Zürich kamen die Verlagsmanager da gleich auf eine Idee, die zeigte, "wie schnell und intelligent digitales Marketing sein kann", wie die SÜDDEUTSCHE lobte. Die NZZ-Leute gestalteten nämlich ein Werbebanner fürs Internet, "an allen coolen Agenturen vorbei", das eine Titelseite der "NZZ am Sonntag" zeigt und darunter steht: "'Summa cum laude' – Universität Bayreuth".
"Auf Spiegel Online wurde das Schlagwort Guttenberg gebucht", erfuhren wir aus der SÜDDEUTSCHEN: "Alle Artikel, die es enthalten, waren nun mit dem NZZ-Banner versehen." Aber wozu brauchen Menschen eigentlich einen Doktortitel? "Welche Anrede klingt eigentlich besser, Herr Baron oder Herr Doktor?", fragte in der NEUEN ZÜRCHER Joachim Güntner – und antwortete sogleich: "Für gute Republikaner ist das keine Frage." Für Claudius Seidl auch nicht. "Das sind die Restbestände einer bürgerlichen Statuspolitik, welche, weil der Ritterschlag aus der Mode gekommen und die Erhebung in den erblichen Grafenstand nicht mehr zeitgemäß war, sich auf die Eroberung akademischer Titel konzentrierte", schreibt Claudius Seidl in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG: "Der Doktor war, von oben betrachtet, gewissermaßen der Freiherr des kleinen Mannes." Und die Tageszeitung TAZ höhnte zum Freiherrn mit dem Doktortitel: "Doktor ist einfach sein bislang vergessener, elfter Vorname."
Übrigens: Der Doktor in Aussetzung Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg hatte einen Großvater – den Karl Theodor Maria Georg Achaz Eberhardt Josef Freiherr von und zu Guttenberg. Das war ein kluger Politiker der CSU. Er starb 1972 und veröffentlichte ein Jahr zuvor Memoiren – unter dem Titel "Fußnoten". Bei Amazon im Internet sind noch fünf gebrauchte Ausgaben zu erhalten. Ab 30 Euro. Der Tipp stammt von einem aufmerksamen Kollegen. Hier wird nicht plagiiert.
"Gerade wer in Traditionen lebt, weiß, dass jedes neue Werk durch die Interpretation und den Remix des Alten entsteht", schrieb in der WELT Dr. Ulf Poschardt – angereichert mit der redaktionellen Anmerkung: "Der Autor hat in Berlin bei Friedrich Kittler über "DJ Culture" promoviert." Auch "Summa cum laude"? – hätten wir da gerne noch gewusst. "Traurig für uns ist, dass nun der einzige Hoffnungsträger, den das bürgerliche Lager in der Politik überhaupt noch aufzubieten hatte, beschädigt ist", meinte ebenfalls in der WELT Dr. Tilman Krause: "Denn selbst wenn Guttenberg nicht als Scharlatan aus dieser Affäre hervorgeht, bleibt doch der Verdacht auf Dünnbrettbohrerei."
Hinweis der Redaktion: "Der Autor hat in Berlin bei Horst Domdey über Friedrich Sieburg promoviert." Was hatte noch Airen, das berühmte Plagiatsopfer des vorigen Jahres im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN gesagt? "Mein Leben bleibt wild. Es sind die Extreme, die mich am Leben und am Schreiben halten." Und: "Schritt für Schritt wachse ich in ein neues Leben hinein."
Zum Hineinwachsen in ein neues Leben empfehlen wir der "Copy and Paste"- Generation, den jungen "Kopier und Füg ein"-Menschen, eine Software aus den USA. "Ein kleines Programm, eine App, macht es möglich, per iPhone und iPad zu beichten." Das erfuhren wir aus der Beilage Christ und Welt in der Wochenzeitung DIE ZEIT. ""Confession" heißt es und kostet knapp 1,50 Euro. Einmal heruntergeladen, lässt es sich auch ohne Internetverbindung nutzen." Doch, alle Plagiatoren mal herhören: ""Der Benutzer muss sich anmelden, sein Passwort wird bei jeder Beichtgelegenheit abgefragt.""
"Dann kamen zunehmend Artikelanfragen von verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Da merkte ich plötzlich, dass mich einige als Autor ernst nehmen." Das sagte im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG nicht Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg über seine Doktorarbeit, sondern das sagte ein berühmtes Opfer eines Plagiats: "Airen" nennt er sich ganz bescheiden – der Blogger, den vor ziemlich genau einem Jahr Helene Hegemann in ihrem Bestseller "Axolotl Roadkill" geistig beklaut hatte.
"Der Skandal ist jetzt vorbei, und alles, was nun kommt, ist ein Zeichen dafür, dass es weitergeht, sagte Airen noch: Das nächste Buch wird entscheidend sein. Umso mehr möchte ich mir damit Zeit lassen; es soll das Beste werden, was ich je geschrieben habe."
Zeit lassen sollte man sich vielleicht auch für seine Dissertation – vor allem, wenn sie 475 Seiten stark ist, mit rund tausend Fußnoten und einer 50-seitigen Literaturliste. "Insgesamt 86 Zeilen, mehr als die Hälfte des ganzen Artikels, hat er aus meinem Text in seine Arbeit übernommen: 86 Zeilen, in denen ich pointiert eine Meinung vertrete – und zwar meine Meinung." Das schrieb die Publizistin Klara Obermüller in der Tageszeitung DIE WELT – nachdem die Deutsche Presseagentur Frühmorgens bei ihr angerufen und ihr mitgeteilt hatte, dass der Bundesminister der Verteidigung, der übrigens auch Verantwortung trägt für zwei Universitäten der Bundeswehr, in seiner Doktorarbeit aus einem Leitartikel von Klara Obermüller abgeschrieben hatte, der vor Jahren in der "NZZ am Sonntag" erschien war. "Abgeschrieben, wohlverstanden", stellte Klara Obermüller fest, "nicht zitiert oder paraphrasiert, und zwar eine längere Passage ganz ohne Anführungs- und Schlusszeichen, ohne Namensnennung und ohne Quellenangabe." Die "NZZ am Sonntag" ist ja die Sonntagsausgabe der "Neuen Zürcher Zeitung" – und in Zürich kamen die Verlagsmanager da gleich auf eine Idee, die zeigte, "wie schnell und intelligent digitales Marketing sein kann", wie die SÜDDEUTSCHE lobte. Die NZZ-Leute gestalteten nämlich ein Werbebanner fürs Internet, "an allen coolen Agenturen vorbei", das eine Titelseite der "NZZ am Sonntag" zeigt und darunter steht: "'Summa cum laude' – Universität Bayreuth".
"Auf Spiegel Online wurde das Schlagwort Guttenberg gebucht", erfuhren wir aus der SÜDDEUTSCHEN: "Alle Artikel, die es enthalten, waren nun mit dem NZZ-Banner versehen." Aber wozu brauchen Menschen eigentlich einen Doktortitel? "Welche Anrede klingt eigentlich besser, Herr Baron oder Herr Doktor?", fragte in der NEUEN ZÜRCHER Joachim Güntner – und antwortete sogleich: "Für gute Republikaner ist das keine Frage." Für Claudius Seidl auch nicht. "Das sind die Restbestände einer bürgerlichen Statuspolitik, welche, weil der Ritterschlag aus der Mode gekommen und die Erhebung in den erblichen Grafenstand nicht mehr zeitgemäß war, sich auf die Eroberung akademischer Titel konzentrierte", schreibt Claudius Seidl in der neuen FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG: "Der Doktor war, von oben betrachtet, gewissermaßen der Freiherr des kleinen Mannes." Und die Tageszeitung TAZ höhnte zum Freiherrn mit dem Doktortitel: "Doktor ist einfach sein bislang vergessener, elfter Vorname."
Übrigens: Der Doktor in Aussetzung Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg hatte einen Großvater – den Karl Theodor Maria Georg Achaz Eberhardt Josef Freiherr von und zu Guttenberg. Das war ein kluger Politiker der CSU. Er starb 1972 und veröffentlichte ein Jahr zuvor Memoiren – unter dem Titel "Fußnoten". Bei Amazon im Internet sind noch fünf gebrauchte Ausgaben zu erhalten. Ab 30 Euro. Der Tipp stammt von einem aufmerksamen Kollegen. Hier wird nicht plagiiert.
"Gerade wer in Traditionen lebt, weiß, dass jedes neue Werk durch die Interpretation und den Remix des Alten entsteht", schrieb in der WELT Dr. Ulf Poschardt – angereichert mit der redaktionellen Anmerkung: "Der Autor hat in Berlin bei Friedrich Kittler über "DJ Culture" promoviert." Auch "Summa cum laude"? – hätten wir da gerne noch gewusst. "Traurig für uns ist, dass nun der einzige Hoffnungsträger, den das bürgerliche Lager in der Politik überhaupt noch aufzubieten hatte, beschädigt ist", meinte ebenfalls in der WELT Dr. Tilman Krause: "Denn selbst wenn Guttenberg nicht als Scharlatan aus dieser Affäre hervorgeht, bleibt doch der Verdacht auf Dünnbrettbohrerei."
Hinweis der Redaktion: "Der Autor hat in Berlin bei Horst Domdey über Friedrich Sieburg promoviert." Was hatte noch Airen, das berühmte Plagiatsopfer des vorigen Jahres im Interview mit der FRANKFURTER ALLGEMEINEN gesagt? "Mein Leben bleibt wild. Es sind die Extreme, die mich am Leben und am Schreiben halten." Und: "Schritt für Schritt wachse ich in ein neues Leben hinein."
Zum Hineinwachsen in ein neues Leben empfehlen wir der "Copy and Paste"- Generation, den jungen "Kopier und Füg ein"-Menschen, eine Software aus den USA. "Ein kleines Programm, eine App, macht es möglich, per iPhone und iPad zu beichten." Das erfuhren wir aus der Beilage Christ und Welt in der Wochenzeitung DIE ZEIT. ""Confession" heißt es und kostet knapp 1,50 Euro. Einmal heruntergeladen, lässt es sich auch ohne Internetverbindung nutzen." Doch, alle Plagiatoren mal herhören: ""Der Benutzer muss sich anmelden, sein Passwort wird bei jeder Beichtgelegenheit abgefragt.""