Von Klaus Pokatzky

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" druckt die Rede ab, die der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zum 50. Todestag Thomas Manns in der Lübecker Marienkirche gehalten hat. Der "Tagesspiegel" spricht mit dem Regisseur Christoph Schlingensief über den Wahlkampf. Und der Maler Gerhard Richter erzählt dem "Spiegel", wie die Millionensummen auf ihn wirken, die bei Auktionen mit seinen Werken erzielt werden.
Wenn Thomas Manns Todestag sich zum fünfzigsten Male jährt, muss dessen natürlich in seiner Geburtsstadt Lübeck würdig gedacht werden - Bundespräsident Horst Köhler inklusive. DIE WELT beschreibt, wie dabei am Wochenende "das Intime … im Repräsentativen durchaus" aufging. Wenn Lübeck des 50. Geburtstages Thomas Manns gedenkt, darf eine Rede des deutschen Großkritikers nicht fehlen, Ehrenessen durch den Bundespräsidenten inklusive. Und wenn Marcel Reich-Ranicki in Lübeck zu Thomas Mann spricht, dann muss seine FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG die Rede natürlich in vollem Wortlaut abdrucken - eine Zeitungsseite reicht dafür nicht aus:

"Das habe ich mir nie träumen lassen - dass ich in der Lübecker Marienkirche, in der Thomas Mann getauft und konfirmiert wurde, über ihn aus Anlaß seines fünfzigsten Todestags werde sprechen dürfen."
Wenn der Regisseur Christoph Schlingensief dem Berliner TAGESSPIEGEL ein Interview zum Wahlkampf gibt, dann wissen wir hinterher auch nicht, was wir nun wählen sollen:

"Ich kann die FDP nicht wählen, ich kann die Grünen nicht wählen, die SPD konnte ich schon damals in Oberhausen nicht wählen."

Die Lafontaine-Links-Partei kann er als "ziemlich unangenehm" auch nicht wählen und die Union auch nicht: "Meine Eltern sind so eingefleischte CDUler, dass ich ein Problem damit hätte."

Wenn der Katholik Christoph Schlingensief der WELT vor dem Weltjugendtag in Köln ein Interview zu seiner "neuen Religiosität" und seiner "Church of Fear" (COF), "so etwas wie das schlechte Gewissen der großen Kirchen", dann erfahren wir endlich auch, wen der katholische Regisseur Christoph Schlingensief wählen würde: "Den Kanzlerkandidaten, der mir erzählt, dass er auch nicht mehr weiter weiß, den wähle ich."

Wenn der Medienforscher Lutz Hachmeister der BERLINER ZEITUNG ein Interview zum bevorstehenden "TV-Duell zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel am 4. September" gibt, dann gibt er beiden auch Ratschläge:

"Bei Schröder besteht immer die Gefahr, dass er zu arrogant wird, dass er zu überlegen und zu lässig agiert. Frau Merkel hat Probleme beim Formulieren ganzer Sätze und wirkt zu trutschig."
Wenn Angela Merkel dem Wahlvolke direkt - und nicht nur durch eine Kamera - ins Auge blickt, etwa auf dem Kasseler Königsplatz, dann ist die FRANKFURTER ALLGEMEINE dabei. "Frau Merkels Redeweise geht alles Verführerische ab. Sie gibt sich gar keine Mühe, das Wohlwollen des Publikums zu gewinnen", findet hinterher Patrick Bahners, der Feuilletonchef des Blattes und als bekennender Donaldist ein Anhänger des Universums von Entenhausen:

"Ihre Stilberater haben sie aus den Hosenanzügen befreit und ihr Spitzen in die Haare gedreht. Doch ihr Vortrag bleibt formlos und uncharmant. Die Sätze haben keine Melodie, die Worte keine Farbe. Sie zerstückelt jeden Satz wie eine Wurstverkäuferin den Schinkenspeck und ein Waffenlobbyist die Millionen."

Wir Donaldisten könnten auch sagen: So ähnlich wie Daisy Duck.

Wenn der Gitarrist Keith Richards - der Ende der Woche mit seinen Rolling Stones eine Welttournee startet, dem SPIEGEL ein Interview gibt, und darin gefragt wird, ob heute nicht "jeder Depp dank moderner und preiswerter Technik seine Hausmusik professionell aufnehmen könne", dann ist seine Antwort zumindest differenziert:

"Kann schon sein, dass heute mehr Irre als früher Platten machen, aber vielleicht sind darunter auch Supertalente, die sonst nie entdeckt würden."

Wenn der Maler Gerhard Richter hingegen vom SPIEGEL interviewt und befragt wird, wie die Millionen-Summen auf ihn wirken, die bei Auktionen mit seinen Werken erzielt werden, dann erfahren wir wieder einmal, dass Geld durchaus nicht nur glücklich macht:

"Von solchen Rekordsummen zu hören ist natürlich erst mal sehr erfreulich, und zugleich ist es erschreckend. Vor allem aber taugt so was nicht als Motivation zur Arbeit."