Von knackenden Möhren und klickenden Bierdosen

Von Anke Schaefer |
Das Theaterstück "Katzelmacher" von Rainer Werner Fassbinder handelt von Fremdenhass. Studenten der Schauspielschule "Ernst Busch" geben den Figuren Farbe. Die Regie arbeitet mit feinen Mitteln der Spannung: zum Beispiel dem Knacken einer Möhre.
"Katzelmacher" ist ein altes Wort für Gastarbeiter und der Titel eines Theaterstücks von Rainer Werner Fassbinder, das er 1968 geschrieben hat, das von Projektion und Fremdenhass handelt und jetzt im Studio der Berliner Schaubühne Premiere hatte. In Koproduktion mit der Schauspielschule "Ernst Busch".

Petticoats, Schlangenlederschuhe, Lederjacken, Goldsandalen, Negligés und grell geschminkte Gesichter. Auf der Bühne ein grauer VW-Käfer und eine Liege vor einer Papageientapete: Regisseur Ivan Panteleev und Kostüm- und Bühnenbildner Jochen Hochfeld versetzen uns zurück in eine imaginierte Zeit, wohl die des Wirtschaftswunders. In die Zeit, als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen. In Fassbinders Stück ist es Jorgos, "ein Griech aus Griechenland", der der kleinen, zerstrittenen Dorfgemeinschaft erst als willkommene Projektionsfläche dient und an dem sie dann brutal ihren Lebensfrust auslassen, indem sie ihn sich vorknöpfen und verprügeln.

Deutschland erlebt 2011 eine Debatte um die sogenannten "Gastarbeiter"-Morde der "Zwickauer Zelle", aber Regisseur Ivan Panteleev ist nicht daran gelegen, seine Inszenierung eins zu eins in die Gegenwart zu versetzen. Er schafft einen Kunst-Raum, um klarzumachen, wie Gewalt entsteht. Wie sich die, die schon da sind, gegen den, der neu dazukommt, verbünden.

Panteleev lässt die Schauspieler in großen, wiederholten Gesten zeigen, wie festgefahren alles ist: Wenn eines der Paare zum Beispiel mit übertriebenem Gehabe in den Käfer einsteigt, streitet, wieder aussteigt, wieder einsteigt, streitet, wieder aussteigt ... Er zeigt es aber auch mit kleinen, feinen Mitteln. Indem er den Gastarbeiter Jorgos (Bertram Maxim Gärtner) zum Beispiel mit einer Möhre in der Hand auftreten lässt: Die Karotte als deutliches Phallussymbol und dazu das provozierend knackende Geräusch beim Abbeißen und Kauen.

Sofort ist klar: Hier kommt etwas, das Spannung erzeugt. Später findet das Möhrenknacken eine Entsprechung, wenn die Dorfbewohner immer wieder neue Bierdosen öffnen: Ein fieses Knick-Knack – als würde etwas brechen. Und es bricht ja dann auch was. Es bricht das mühsam gehaltene Gleichgewicht in dieser Gemeinschaft, in der die Männer sich in nie enden wollendem Potenzgehabe gegenseitig übertrumpfen möchten, die Frauen sich immer wieder schrecklich lächelnd der patriarchalen Gewalt beugen und die durchgeknallte Fabrikbesitzerin (Christin Nichols) dazu singt und schreit: "Das ist alles meins".

Eine heil-lose Welt, die Fassbinder hier beschrieben hat und an diesem Abend auch deshalb so leibhaftig wird, weil die Schauspieler der Ernst Busch Schauspielschule (3./4. Studienjahr) sehr überzeugen. Sie haben teilweise in Ensembles in unterschiedlichen Städten oder auch bei Filmproduktionen schon mitgespielt, sich also schon bewiesen, und auch an diesem Abend wird großes Potenzial sichtbar. Dies ist eine kleine Studio-Inszenierung, aber präzise, packend, gleichzeitig schrill und leise. Schön auch, dass Fassbinders so unglaublich lakonische Sprache zum Tragen kommen darf – mit großen Pausen, einer Stille zwischen den Wörtern und Sätzen, in denen manchmal mehr steckt, als in jedem Ton.

Und es passt gut, dass dieses Stück jetzt gerade auf dem Spielplan steht. Haben wird doch in letzter Zeit die Jahrestage der Anwerbeabkommen begangen, die die Bundesrepublik mit den Südlichen Ländern abgeschossen hat (mit Griechenland 1960). Eine Gelegenheit, bei der noch mal klar wurde, dass es das Theater in Deutschland in den vergangenen 50 Jahren mehr oder weniger versäumt hat, mit Protagonisten mit Migrationshintergrund zu arbeiten und die Geschichten derer zu erzählen, die nach Deutschland eingewandert sind. Regisseur Ivan Panteleev kommt aus Bulgarien, vielleicht auch deshalb kein Wunder, dass er für dieses Stück, für "Katzelmacher" ein Händchen hat. Rainer Werner Fassbinder war unter den ersten in Deutschland, der sich auf der Bühne und im Film mit dem Thema Migration auseinandergesetzt hat. Ein Thema, das aktuell ist, es immer bleiben wird und das man gerne auf die Art verhandelt sehen möchte, wie jetzt im Studio der Berliner Schaubühne.

Homepage Schaubühne "Katzelmacher" von Rainer Werner Fassbinder