Von "Nachrichtenratten" und Parteisympathisanten
Was denken Gregor Gysi, Claudia Roth oder Dieter Althaus über Journalisten? Dieser Frage geht das Buch "Schmierfinken: Politiker über Journalisten" nach, in dem diese und andere Politiker ihr Verhältnis zu Medienvertretern schildern.
Allzu viel Mitleid wäre sicherlich verfehlt, aber man kann schon verstehen, dass Politiker Journalisten abscheulich finden. Journalisten sind nun mal professionelle Dreckschleudern; ob grob- oder feinkörnig, trocken oder matschig ist ihnen egal: Hauptsache Dreck.
Man kann die Abneigung der Politiker gegenüber den Journalisten umso mehr verstehen, als letztere immer ad personam schießen, erstere aber selten auf die gleiche Weise reagieren dürfen. Insofern war es eine pfiffige Idee von Maybritt Illner und Hajo Schumacher, einmal den Spieß umzukehren und Politiker einzuladen, ihre Rachephantasien gegenüber Journalisten produktiv zu machen.
So ist aus 25 Einzelbeiträgen plus Vorwort ein Buch entstanden, das durch enorme Niveauunterschiede nervt. Versammelt sind nämlich fadeste Texte wie die langatmige, garantiert von einem Referenten zusammengeschusterte Würdigung des Stern-Chefredaktionsmitglieds Hans-Ulrich Jörges durch den glücklosen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus, neben durchaus pfiffigen, witzigen und geschliffenen Auseinandersetzungen.
"Hauptstadt-Journalisten berichten nur manchmal, was tatsächlich passiert, weil das nur manchmal zum Tagesgeschäft gehört. Viel wichtiger ist der Bericht, der zu mehr Status, zu mehr Zugängen, zu mehr Aufmerksamkeit und schnelleren Karrieren führt. Die meisten Beiträge sind ein Sammelsurium von Kosten-Nutzen-Erwägungen, ganz egal, ob in großen oder kleinen, wichtigen oder unwichtigen Medien. Das ist nicht bösartig, sondern menschlich. Nach genau den gleichen Kriterien reden allerdings auch Politiker mit Journalisten. Welcher Reporter nutzt mir? Welches Medium muss man bevorzugt bedienen? Wen kann man freundlich, aber zügig floskelnd abfertigen?"
Der Klartext der 37-jährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner gehört zu den besten Stücken in diesem Buch, obwohl sie sich vor der eigentlichen Aufgabe gedrückt hat, einen bestimmten Journalisten aufs Korn zu nehmen. Sie setzt sich nur mit einem bestimmten Typus auseinander, dies aber so sprachgewandt, dass man eine Ahnung davon bekommt, wie Politik auch klingen könnte, wenn sie sich nicht in leeren Formeln erschöpfen würde.
Mag sein, dass das auch etwas mit dem Alter zu tun hat. Die 26 Beiträger sind im Durchschnitt 38,5 Jahre alt, nur vier– nämlich Gregor Gysi, Claudia Roth, Dieter Althaus und Cornelia Pieper – sind über 50. Die vier hatten insofern schon mehr Gelegenheit, missliche Medienerfahrungen zu machen. Und so schwadroniert Gysi routiniert-charmant über Sandra Maischbergers Moderatorinnenqualitäten:
"Man darf hoffen, dass die ARD-Intendantenrunde Sandra Maischbergers Talent mehr ausbeuten möchte"."
Claudia Roth fährt kurz, aber herzlich dem BILD-Kolumnisten Franz Josef Wagner an den Karren:
""… eigentlich wollte ich ja dem lieben Gott schreiben, aber warum dem lieben Gott, wenn ich auch an Sie schreiben kann"
… und Cornelia Pieper erzählt die Geschichte vom Blumentopf:
"Zur damaligen Zeit war ich die Generalsekretärin der FDP, aber auch Mutter eines pubertierenden Sohnes, was, wie alle Eltern wissen, eine aufregende Zeit in jeder Familie ist. Damals begleitete mich eine Volontärin des Stern, die eigentlich schon der Pubertät entwachsen war, auf meinen politischen Reisen durchs Land."
Die ungenannt bleibende Volontärin kam auch in Piepers Wohnhaus und entdeckte dort in einem Blumentopf auf der Terrasse das Haschisch-Pflänzchen des Sohnemanns, das dann für einen Wirbel sorgte, der mit dem Wort "Irrsinn" nur sehr unzureichend beschrieben ist.
Natürlich zetteln Journalisten gern Skandale an; das ist schließlich ihr Beruf. Aber sie sind mit der Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig oft überfordert. Ein Blumentopf kann in der Erregungsgemeinschaft einer modernen Mediendemokratie schließlich genauso funktionieren wie die Enthüllung von Korruptionsfällen in der Brüsseler EU-Verwaltung. Die ebenfalls der FDP angehörende Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin setzt dafür dem ebenfalls beim Stern tätigen Hans-Martin Tillack unter dem Titel "Die Nachrichtenratte" ein respektvolles Denkmal. Er wurde wegen seiner hartnäckig recherchierten Storys über den Brüsseler Sumpf vor fünf Jahren von der belgischen Polizei verhaftet und verhört.
Insgesamt scheinen die Politiker vor den Journalisten richtig Angst zu haben, denn in diesem Buch haut fast keiner einen in die Pfanne, obwohl es doch genau dafür gedacht war. Wenn es nicht gerade peinliches Gesäusel wie von der stellvertretenden CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär über den ZDF-Sprücheklopfer Peter Hahne enthält…
"Ein Vorbild ist Peter Hahne – obwohl er es nicht sein will – in jedem Fall"
… dann besteht es entweder aus höflichem Applaus oder aus anonymisierter Kritik. Nur wenige Politiker sind offenbar imstande, den Journalismus, mit dem sie täglich zu tun haben, als System zu analysieren und ihre Erfahrungen mit einzelnen Vertretern in einen solchen Betrachtungshorizont einzuordnen. Am ehesten gelingt dies dem SPD-Abgeordneten Carsten Schneider, der sich nicht nur mit dem Spiegel-Hauptstadtschreiber Christoph Schwennicke, sondern mit der ganzen Hauptstadtschreiberszene auseinandersetzt.
Deren jüngere Mitglieder, so beobachtet Schneider, unterschieden sich bis vor kurzem von der alten Garde darin, dass sie nicht klar zeigten, mit welcher Partei sie sympathisierten. Das habe sich inzwischen geändert.
"Erleben wir also derzeit eine Politisierung der ‚Generation Berlin’ des deutschen Journalismus?"
Das immerhin ist eine Erkenntnis, mit der man für die Lektüre von 184 Seiten belohnt wird.
Maybritt Illner, Hajo Schumacher: Schmierfinken: Politiker über Journalisten
Heyne Verlag, München 2009
Man kann die Abneigung der Politiker gegenüber den Journalisten umso mehr verstehen, als letztere immer ad personam schießen, erstere aber selten auf die gleiche Weise reagieren dürfen. Insofern war es eine pfiffige Idee von Maybritt Illner und Hajo Schumacher, einmal den Spieß umzukehren und Politiker einzuladen, ihre Rachephantasien gegenüber Journalisten produktiv zu machen.
So ist aus 25 Einzelbeiträgen plus Vorwort ein Buch entstanden, das durch enorme Niveauunterschiede nervt. Versammelt sind nämlich fadeste Texte wie die langatmige, garantiert von einem Referenten zusammengeschusterte Würdigung des Stern-Chefredaktionsmitglieds Hans-Ulrich Jörges durch den glücklosen thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus, neben durchaus pfiffigen, witzigen und geschliffenen Auseinandersetzungen.
"Hauptstadt-Journalisten berichten nur manchmal, was tatsächlich passiert, weil das nur manchmal zum Tagesgeschäft gehört. Viel wichtiger ist der Bericht, der zu mehr Status, zu mehr Zugängen, zu mehr Aufmerksamkeit und schnelleren Karrieren führt. Die meisten Beiträge sind ein Sammelsurium von Kosten-Nutzen-Erwägungen, ganz egal, ob in großen oder kleinen, wichtigen oder unwichtigen Medien. Das ist nicht bösartig, sondern menschlich. Nach genau den gleichen Kriterien reden allerdings auch Politiker mit Journalisten. Welcher Reporter nutzt mir? Welches Medium muss man bevorzugt bedienen? Wen kann man freundlich, aber zügig floskelnd abfertigen?"
Der Klartext der 37-jährigen CDU-Bundestagsabgeordneten Julia Klöckner gehört zu den besten Stücken in diesem Buch, obwohl sie sich vor der eigentlichen Aufgabe gedrückt hat, einen bestimmten Journalisten aufs Korn zu nehmen. Sie setzt sich nur mit einem bestimmten Typus auseinander, dies aber so sprachgewandt, dass man eine Ahnung davon bekommt, wie Politik auch klingen könnte, wenn sie sich nicht in leeren Formeln erschöpfen würde.
Mag sein, dass das auch etwas mit dem Alter zu tun hat. Die 26 Beiträger sind im Durchschnitt 38,5 Jahre alt, nur vier– nämlich Gregor Gysi, Claudia Roth, Dieter Althaus und Cornelia Pieper – sind über 50. Die vier hatten insofern schon mehr Gelegenheit, missliche Medienerfahrungen zu machen. Und so schwadroniert Gysi routiniert-charmant über Sandra Maischbergers Moderatorinnenqualitäten:
"Man darf hoffen, dass die ARD-Intendantenrunde Sandra Maischbergers Talent mehr ausbeuten möchte"."
Claudia Roth fährt kurz, aber herzlich dem BILD-Kolumnisten Franz Josef Wagner an den Karren:
""… eigentlich wollte ich ja dem lieben Gott schreiben, aber warum dem lieben Gott, wenn ich auch an Sie schreiben kann"
… und Cornelia Pieper erzählt die Geschichte vom Blumentopf:
"Zur damaligen Zeit war ich die Generalsekretärin der FDP, aber auch Mutter eines pubertierenden Sohnes, was, wie alle Eltern wissen, eine aufregende Zeit in jeder Familie ist. Damals begleitete mich eine Volontärin des Stern, die eigentlich schon der Pubertät entwachsen war, auf meinen politischen Reisen durchs Land."
Die ungenannt bleibende Volontärin kam auch in Piepers Wohnhaus und entdeckte dort in einem Blumentopf auf der Terrasse das Haschisch-Pflänzchen des Sohnemanns, das dann für einen Wirbel sorgte, der mit dem Wort "Irrsinn" nur sehr unzureichend beschrieben ist.
Natürlich zetteln Journalisten gern Skandale an; das ist schließlich ihr Beruf. Aber sie sind mit der Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig oft überfordert. Ein Blumentopf kann in der Erregungsgemeinschaft einer modernen Mediendemokratie schließlich genauso funktionieren wie die Enthüllung von Korruptionsfällen in der Brüsseler EU-Verwaltung. Die ebenfalls der FDP angehörende Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin setzt dafür dem ebenfalls beim Stern tätigen Hans-Martin Tillack unter dem Titel "Die Nachrichtenratte" ein respektvolles Denkmal. Er wurde wegen seiner hartnäckig recherchierten Storys über den Brüsseler Sumpf vor fünf Jahren von der belgischen Polizei verhaftet und verhört.
Insgesamt scheinen die Politiker vor den Journalisten richtig Angst zu haben, denn in diesem Buch haut fast keiner einen in die Pfanne, obwohl es doch genau dafür gedacht war. Wenn es nicht gerade peinliches Gesäusel wie von der stellvertretenden CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär über den ZDF-Sprücheklopfer Peter Hahne enthält…
"Ein Vorbild ist Peter Hahne – obwohl er es nicht sein will – in jedem Fall"
… dann besteht es entweder aus höflichem Applaus oder aus anonymisierter Kritik. Nur wenige Politiker sind offenbar imstande, den Journalismus, mit dem sie täglich zu tun haben, als System zu analysieren und ihre Erfahrungen mit einzelnen Vertretern in einen solchen Betrachtungshorizont einzuordnen. Am ehesten gelingt dies dem SPD-Abgeordneten Carsten Schneider, der sich nicht nur mit dem Spiegel-Hauptstadtschreiber Christoph Schwennicke, sondern mit der ganzen Hauptstadtschreiberszene auseinandersetzt.
Deren jüngere Mitglieder, so beobachtet Schneider, unterschieden sich bis vor kurzem von der alten Garde darin, dass sie nicht klar zeigten, mit welcher Partei sie sympathisierten. Das habe sich inzwischen geändert.
"Erleben wir also derzeit eine Politisierung der ‚Generation Berlin’ des deutschen Journalismus?"
Das immerhin ist eine Erkenntnis, mit der man für die Lektüre von 184 Seiten belohnt wird.
Maybritt Illner, Hajo Schumacher: Schmierfinken: Politiker über Journalisten
Heyne Verlag, München 2009