Von Quanten und gewagten Sprüngen

    Von Frank Grotelüschen |
    Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde ein Begriff in die Physik eingeführt, der in der Sprache bisher kaum bekannt war. Die "Quanten" begannen ihren Siegeszug in der Physik und sind heute sogar in der Umgangssprache angelangt. Man redet von einem "Quantensprung" wenn man einen besonders innovativen oder markanten Entwicklungsschritt beschreiben möchte. Albert Einstein war einer der ersten, der auf der Quantenhypothese aufbaute und sie in seine Theorie über das Licht einbaute. Später kritisierte er die Annahmen der Quantenphysik.
    Wien. 9. Bezirk, Boltzmanngasse 5. Das Universitätsinstitut für Experimentalphysik. Ein alter, ehrwürdiger Bau. Im Treppenhaus die Inschrift: "Gebaut unter der Regierung seiner kaiserlichen und königlichen apostolischen Majestät des Kaisers Franz-Josef der Erste in den Jahren 1910-1912".

    2. Stockwerk, links durch die Glastür hindurch. Nach ein paar Schritten ein Raum mit der Aufschrift: "Sekretariat Arbeitsgruppe Professor Anton Zeilinger." Büros mit Computern, Labors mit metallischen Versuchsapparaturen. Dazwischen ein langer, schmaler Besprechungsraum. Zeilinger und seine Leute diskutieren.

    Zeilinger: "Wie groß sind eigentlich die größten Massenzahlen, für die Leute einen Strahl hergestellt haben - wenn wir vom Maschinengewehr absehen..." (Lachen)

    Anton Zeilinger, Jahrgang 45, Professor der Physik. Der wohl prominenteste Erforscher der Quantenwelt. Was Albert Einstein einst erdachte, setzt er heute in Experimente um. 1997 hat er Lichtquanten teleportiert, man könnte auch sagen: gebeamt. Er konnte die Eigenschaften eines Lichtteilchens ohne Zeitverzögerung von einem Ort zu einem anderen transportieren – eines der verrücktesten Phänomene der Quantenphysik.

    Zeilinger: "Die Quantenphysik ist eine sehr abstrakte Beschreibung der Natur. Mit sehr viel mathematischem Formalismus. Die Quantenphysik hat sich experimentell hervorragend bewährt und hat zu vielen technischen Anwendungen geführt. Die ganze moderne Halbleiterphysik wäre ohne sie nicht denkbar."

    Die Quantenphysik. Einer ihrer Väter ist Albert Einstein. 1905 – noch bevor er seine berühmte Relativitätstheorie vorstellt – veröffentlicht Einstein in Bern eine Bahn brechende Arbeit, die Lichtquantenhypothese. Sie baut auf einer irritierenden Formel auf, die fünf Jahre zuvor Max Planck entdeckt hat – eine Formel für jene Wärmestrahlung, wie sie von einer Glühbirne ausgeht. Laut dieser Formel sendet eine Glühbirne das Licht nicht gleichmäßig aus, sondern in winzigen Energieportionen – Planck bezeichnet sie als Quanten. Übertragen auf den Alltag hieße das, man könne Wein nicht in kleinen Schlücken trinken, sondern immer nur glasweise.

    Renn: "Diese Formel, wenn man versucht, sie zu interpretieren, ist sie eigentlich nicht mehr im Rahmen der klassischen Physik zu interpretieren."

    Jürgen Renn, Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.

    Renn: "Planck hat das allerdings wohl noch geglaubt."

    Max Planck sieht in den Quanten nur einen Rechentrick. Dass die Natur in ihrem Innersten in winzigste Häppchen portioniert ist, will er nicht wahrhaben. Anders der junge Einstein. Er ist fasziniert von der Idee, dass sämtliche Materie aus Atomen besteht.

    Renn: "Er hat sich rundum Gedanken gemacht, was man alles mit Atomen erklären kann. Er hat sich zum Beispiel auch überlegt, ob man das Licht nicht aus Atomen bestehend erklären kann."

    Eine scheinbar verrückte Idee. Denn damals steht fest: Licht ist eine Welle, ist elektromagnetische Strahlung!

    Renn: "Jemand wie Einstein – er war jung, er war ein Außenseiter – ist relativ unabhängig an die Frage herangegangen und hat sich sozusagen riskante Spekulationen über diese Fragen erlaubt."

    1905 präsentiert der 26-jährige Einstein seine Lichtquantenhypothese.

    " Nach der hier ins Auge zu fassenden Annahme ist bei Ausbreitung eines Lichtstrahls die Energie nicht kontinuierlich ... verteilt, sondern besteht aus einer endlichen Zahl von ... Energiequanten. "

    Anders gesagt: Man darf sich Licht nicht mehr allein als Welle vorstellen, sondern muss es auch als Teilchen ansehen. Photonen – so wird man die Lichtquanten später nennen.

    Renn: "Mit dieser Lichtquantenhypothese hat die Quantenrevolution im eigentlichen Sinne angefangen."

    1913 legt Niels Bohr sein revolutionäres Atommodell vor: Elektronen kreisen um den Kern wie Planeten um die Sonne und hüpfen von Bahn zu Bahn – der legendäre Quantensprung. 1905 aber ist Einstein der erste, der das Neue, Ungewohnte akzeptiert. Die Lichtquantenhypothese ist sein einziges Werk, das er selbst als Revolution bezeichnet.

    " Sie handelt über die Strahlung und die energetischen Eigenschaften des Lichtes und ist sehr revolutionär. "

    Doch Einsteins Zeitgenossen ist die Lichtquantenhypothese zu radikal, sagt Jürgen Renn.

    Renn: "Interessanterweise sind die Kollegen sehr lange skeptisch geblieben. Als Einstein schon sehr erfolgreich war und an die Berliner Akademie berufen worden ist, hat Planck in seiner Ansprache die Lichtquantenhypothese noch gewissermaßen als Fehltritt eines revolutionären Forschers entschuldigt. Die experimentellen Belege wurden dann immer deutlicher und haben schließlich dazu geführt, dass Einstein dafür den Nobelpreis bekommen hat."

    Jahrzehnte später wird Einsteins Lichtquantenhypothese eine spektakuläre Anwendung haben – eine Technik, die sich heute überall im Alltag findet.

    Serwazi: "Das Laserlabor ist nach außen abgeschirmt. Und Sie haben ein Warnzeichen an der Tür, dass man nur mit Schutzbrille diesen Raum betreten darf."

    Orangefarbener Arbeitskittel, die klobige Schutzbrille auf der Nase. Bei der Firma Lambda Physik in Göttingen entwickelt Markus Serwazi einen Laser der neusten Generation. Das Ding ist größer als ein Eisschrank und umgeben von Warnlampen. Ein Laser der Klasse 4.

    Serwazi: "Laser Klasse 4 ist die gefährlichste Klasse. Deswegen ist es absolut notwendig, die Brille aufzusetzen, wenn Sie diesen Raum betreten."

    Der Laser ist so teuer wie ein Einfamilienhaus und hilft bei der Herstellung von Computerchips. Serwazi nimmt ein Stück Papier und hält es in den Lichtstrahl. Sofort riecht es verbrannt. Der Strahl hat ein verkohltes Loch in den Bogen geschossen. Serwazi hat das Besondere am Laser demonstriert: Licht, gebündelt zu einem dünnen, starken Strahl.

    Ein Stockwerk höher sitzt Dirk Basting, Serwazis Chef. Die Lasertechnik boomt, sagt er. Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde eine Nische zur Schlüsseltechnologie.

    Basting: "Wodurch sich erst mal das Laserlicht auszeichnet, ist natürlich, dass man damit einen Strahl erzeugen kann, der besonders gebündelt ist, der auf eine große Entfernung immer noch recht klein bleibt. Vorhergesagt worden ist das ja schon von Einstein. Die Theorien dazu sind also schon viel älter. Aber es hat eben bestimmter technischer Voraussetzungen bedurft, um dies hinzukriegen."

    Die Geschichte des Lasers beginnt in New York am 7. Juli 1960. Ted Maiman, Angestellter der Hughes Aircraft Company, präsentiert einer Handvoll von Journalisten eine eigenartige Lampe. Von dieser Lampe geht ein knallroter Strich aus - ein gebündelter Lichtstrahl. Aus dem Edelstein Rubin hat Maiman den ersten Laser der Welt gebaut.

    Basting: "Man hat einen Stab genommen, der an beiden Enden abgeschnitten worden ist. Die beiden Enden sind verspiegelt worden. Man muss den Rubin dann anregen, um angeregte Moleküle zu haben. Dies hat man gemacht mit einer Blitzlampe, ähnlich wie sie bei Blitzgeräten von Fotoapparaten verwendet wird."

    Die Blitzlampe bestrahlt den Rubin und bringt dadurch einen Teil der Rubinmoleküle zum Schwingen. Die Moleküle befinden sich jetzt in einem angeregten, einem energiereichen Zustand. Doch jedes Molekül trachtet danach, von diesem energiereichen Zustand flugs wieder in den Grundzustand zurückzufallen. Dabei sendet es ein Lichtteilchen aus, auch Photon genannt - jener Umstand, den vor 100 Jahren Albert Einstein als erster erkannt hatte.

    Laserlicht entsteht, wenn sehr viele der Rubinmoleküle angeregt sind. Denn jetzt können sie sich, sobald sie in den Grundzustand zurückfallen, gegenseitig mitreißen.

    Basting: "Dann wird ein Lawineneffekt ausgelöst. Dass nämlich ein Photon auf ein Molekül trifft. Das sendet seinerseits wieder ein Photon aus. Das sind schon zwei. Das trifft auf wieder eines, dann sind's vier. Und schon hat man eine sich aufschaukelnde Lawine von Photonen. Damit haben wir den Laserstrahl eigentlich schon - im Prinzip eben ganz einfach."

    Im Grunde ist der Laser ein Verstärker für Licht. Weder aus Alltag noch Industrie ist er heute wegzudenken: Laser stecken in CD-Playern und Supermarktkassen. Sie finden sich in Werkhallen und OP-Sälen. Und Wissenschaftler wie Anton Zeilinger in Wien machen heute spektakuläre Versuche mit dem Laser.

    Zeilinger auf dem Weg ins Laserlabor. Hier bereiten seine Leute ein bemerkenswertes Experiment vor – die Quantenteleportation. Das Labor liegt in einer Seitenstraße gegenüber vom Hauptgebäude, im Erdgeschoss eines Wohnhauses.

    Zeilinger: "Wir gehen da hinüber. Und dort in dieses Haus gehen wir hinein, das Portal, das neu renovierte."

    "Hello. How are we?"

    Ohne Umschweife beginnt an der Tafel eine Diskussion. Zeilingers Laserteam ist international. Es gibt ein Problem.

    "I keep saying that for a long time. I told you long ago. Did you really try it? What did you try?"

    Anton Zeilinger ist unzufrieden. Immer und immer wieder habe er es gesagt, habe auf das Problem hingewiesen.

    "My question: Why is this so far away? ..."

    Die Diskussion verlagert sich von der Tafel zum Experiment. Ein Spezialkristall, der rotes in ultraviolettes Laserlicht verwandelt, geht immer wieder kaputt. Von Kollegen hatte Zeilinger gehört, dass das Problem zu lösen sei, wenn man den Kristall in Sauerstoffgas badet.

    Zeilinger: "Das ist oft so. So was kann passieren. Auf das Problem hatte ich schon vor zwei Jahren hingewiesen. Das Problem ist: Man kann nicht immer ständig darauf bestehen, dass es genauso gemacht wird, wie man will. Das gehört ja mit zur Ausbildung, dass die Leute ihre Fehler machen, nicht? Aber irgendwann einmal muss es geschehen. Das ist wichtig."

    Mit ihrem Versuchsaufbau wandeln Zeilinger und seine Leute auf Einsteins Spuren. Sie machen ein Experiment, dass das Genie vor mehr als 50 Jahren vorgeschlagen hatte – kurioserweise nicht, um die Quantenphysik zu bestätigen, sondern um sie zu widerlegen. Denn im Laufe der Jahre wird Einstein immer mehr zu Kritiker der Quantentheorie.

    Zeilinger: "Was Einstein bewogen hat, die Quantenphysik zu kritisieren, ist, dass sie unserem gesunden Menschenverstand ganz extrem widerspricht. Einstein hat kritisiert, dass der Zufall in der Quantenwelt eine völlig neue Rolle spielt – und zwar in der Weise, dass es für zufällige Ereignisse keinen Grund gibt, auch keinen versteckten Grund. Ich sage immer: Selbst der liebe Gott weiß nicht, warum ein bestimmtes Atom zu einer bestimmten Zeit zerfällt. Und das hat Einstein von Anfang an kritisiert. Er meinte, die Welt könne nicht so verrückt beschaffen sein."

    1925 veröffentlicht Werner Heisenberg eine neue, eine radikale Weiterentwicklung der Quantenphysik – die Quantenmechanik. In dieser Theorie ist der Zufall fester Bestandteil. Als Albert Einstein die Arbeit liest, ist seine Reaktion eindeutig.

    " Heisenberg hat ein großes Quanten-Ei gelegt. In Göttingen glauben sie daran. Ich nicht. "

    Bis zu seinem Tod wird Einstein bei seiner Skepsis bleiben.

    " Der Gedanke, dass ein ... Elektron aus freiem Entschluss den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich. Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker. "

    Einstein ist sich sicher: Hinter dem wirren Zufall stecken in Wirklichkeit Größen, die treu und anständig dem Prinzip von Ursache und Wirkung folgen. Zeit seines Lebens wird er nach diesen verborgenen Variablen suchen.

    Zeilinger: "Weitere Kritik von Einstein war, dass er meinte: Es muss eine Wirklichkeit geben, die unabhängig von uns und von unseren Beobachtungen existiert."

    Heisenberg und seine Mitstreiter wie Niels Bohr hingegen meinen: Dem Beobachter – zum Beispiel dem messenden Physiker – kommt eine entscheidende Rolle zu.

    Zeilinger: "Es ist nicht nur, dass er beeinflusst, was er beobachtet. Das machen wir ja fast im täglichen Leben. Wenn wir jemanden ansehen, dann fühlt er sich beobachtet. Es geht sogar so weit, dass unsere Entscheidung, was wir beobachten wollen, darüber entscheidet, was Wirklichkeit ist. Es ist auch der Gedanke durchbrochen, dass die Welt existiert unabhängig von uns. Einstein hat mal zu Niels Bohr gesagt: Glauben Sie wirklich, dass der Mond nicht da ist, wenn keiner hinsieht? Und Niels Bohr soll ihm geantwortet haben: Beweisen Sie mir doch das Gegenteil!"

    Jahrelang liefern sich Einstein und Bohr Wortgefechte. Einstein ersinnt immer neue Einwände und Gedankenexperimente, mit denen er die Quantenmechanik widerlegen will. Jürgen Renn:

    "Bohr konnte auf alle diese Einwände immer wieder antworten. Und es setzte sich bis in die 30er Jahre fort, dass Einstein versuchte, Einwände zu finden – immer wieder auch mit produktivem Erfolg in der Entwicklung der Quantentheorie."

    1935. Einstein, inzwischen von Deutschland in die USA emigriert, wartet mit einem neuen Einwand auf. Gemeinsam mit dem Philosophen Nathan Rosen und dem Physiker Boris Podolsky formuliert er ein paradox klingendes Gedankenexperiment. Demnach müssten zwei Elektronen, die nach einem Zusammenstoß in verschiedene Richtungen fliegen, gemäß der Quantenmechanik in einer Art telepathischer Verbindung stehen: Führte man an dem einen Elektron eine Messung aus, würde auch das andere, womöglich Lichtjahre entfernte Elektron etwas von dieser Messung mitbekommen – und zwar ohne jeden Zeitverzug.

    Renn: "Nach der Quantentheorie bleiben solche Teilchen über eine Fernwirkung miteinander verbunden, die Einstein als spukhaft bezeichnet hat. Und das hat sich Einstein eigentlich als ein Gedankenexperiment vorgestellt, das die Quantentheorie widerlegen sollte."

    " Es scheint hart, dem Herrgott in seine Karten zu gucken. Aber dass er würfelt und sich "telepathischer" Mittel bedient, kann ich keinen Augenblick glauben."

    Bohr und Heisenberg nehmen sich Einsteins Kritik nicht weiter zu Herzen: Sie beruhe, so sagen sie, auf einem Missverständnis des quantenmechanischen Realitätsbegriffes. Lange gilt das Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon mitsamt seiner spukhaften Fernwirkung als Randnotiz der Physik – philosophisch interessant, aber ohne Konsequenzen. Heute aber stachelt es die Forscher zu spektakulären Experimenten an; Forscher wie Anton Zeilinger in Wien mit seiner Quantenteleportation.

    Im Zeilingers Labor in Wien justieren zwei Physiker mit winzigen Schraubenziehern einen Laser. Ihr Ziel: Die Optimierung der Teleportation.

    Zeilinger: "Die Idee zur Quantenteleportation wurde '93 geboren von einer internationalen Gruppe von theoretischen Kollegen. Und wie das damals herauskam, war meine Reaktion und auch die Reaktionen meiner Gruppe, dass das unmöglich ist, das experimentell zu verwirklichen. Ohne dass wir wussten, dass wir an den dafür notwendigen Bausteinen schon gearbeitet hatten. Und es stellte sich dann nach zwei, drei Jahren heraus, dass das eigentlich eine ganz klare Entwicklungsrichtung für uns ist. Also eigentlich ein reiner Zufall. Und dann dauerte es noch weitere zwei Jahre, bis das Experiment klappte."

    Teleportation von Lichtquanten. Grundlage dafür sind zwei Lichtteilchen, die simultan in einer Spezialapparatur erzeugt werden. Dadurch sind sie "verschränkt", sind auf rätselhafte Weise miteinander verknüpft.

    Zeilinger: "Der Österreicher Erwin Schrödinger hat diesen Begriff 'Verschränkung' geprägt, um zu beschreiben, dass zwei Systeme auf ganz intime Weise zusammenhängen können. Eine physikalische Erklärung gibt es. Die folgt aus der Quantentheorie. Die sagt einfach, dass zwei Systeme, auch wenn sie über große Entfernungen getrennt sind, noch immer in irgendeiner Form zusammenhängen - auf eine Weise, die in der klassischen Physik nicht möglich ist. Man kann das nicht als eine Kraft sehen - da gibt's so New Age-Leute, die da von einer mysteriösen Kraft reden wollen. So kann man das alles nicht sehen.

    Wir wissen aber heute, dass es hier keine Kraft gibt, dass sich hier nicht irgendeine Welle ausbreitet oder irgendetwas. Sondern das ist schlicht und einfach so, und basta.

    Das ist so, wie wenn ich zwei Würfel hätte, die auf eine mysteriöse Weise so funktionieren, dass sie, wenn ich beide gleichzeitig würfle, sie immer die gleiche Zahl ergeben. Und dann stellt sich heraus, dass nach der Quantenmechanik die immer die gleiche Zahl geben - ganz egal, wie weit sie getrennt sind.

    Also wenn ich den einen hier würfle und den anderen am Ende des Milchstraßensystems - wenn ich das gleichzeitig mache, werden sie auch die gleiche Zahl geben. Die sind eben ein System und nicht trennbar. Die bilden eine Einheit. Das ist ein Würfelpaar und eigentlich nicht zwei getrennte Würfel."

    Die Verschränkung hat Folgen. Wird eines der beiden Lichtteilchen von einem Detektor eingefangen und auf seine Eigenschaften hin untersucht, so stehen gleichzeitig auch die Eigenschaften des anderen Lichtteilchens fest. Beispiel: Misst der Detektor die Polarisation, die Schwingungsrichtung eines Lichtteilchens, so steht im selben Augenblick die Polarisation des anderen Teilchens fest.

    Zeilinger: "Die Quantenphysik - das war ja damals nur Theorie - hat vorhergesagt, dass das ohne Zeitverzögerung gehen kann über große Entfernungen - instantan. Und das hat Einstein als spukhafte Fernwirkung bezeichnet. Deshalb mochte er das auch nicht, und hat das Zeit seines Lebens kritisiert, die Quantentheorie, aus diesem Grund. Und hat gemeint, es müsste irgendwelche verborgenen Eigenschaften der Systeme geben, die wir nicht kennen, die dann letztlich das Messergebnis in jedem einzelnen Fall festlegen. Man hat das verborgene Parameter genannt.

    Einstein hatte Unrecht. Quantenphysik ist korrekt. Wir müssen also mit dieser spukhaften Fernwirkung leben."

    Eine Stunde später. Zeilinger ist gegangen. Sara Gasparoni aus Italien und Matthew Daniell aus Australien beginnen damit, eine neue Versuchsreihe vorzubereiten.

    Daniell: " Ein Riesentisch, darauf diverse Laser, teure Geräte, lauter optische Elemente, Computer und alles so ein Zeug: Linsen, `nen Haufen Spiegel und optische Filter. Und die Detektoren: Sie sind extrem teuer und extrem empfindlich - sie können ein einzelnes Photon nachweisen, ein einzelnes Lichtteilchen. Das ist die kleinste Menge von Licht, die man sich vorstellen kann. Und die Detektoren können sie aufspüren. "

    Gasparoni: "Aus diesem Laser hier kommt ein ultravioletter Lichtstrahl. Dieser UV-Strahl wird auf einen Kristall gelenkt, und dieser Kristall spaltet das UV-Licht auf in ein Paar aus Photonen, die verschränkt sind. Genau diese verschränkten Photonen brauchen wir für die Teleportation. Der Punkt ist nämlich, dass jedes der beiden Zwillings-Photonen immer weiß, was das andere gerade tut, selbst wenn sie kilometerweit voneinander entfernt sind. Und zwar unendlich schnell, in Null Komma nichts, wirklich gleichzeitig.

    Wir schicken die beiden Zwillings-Photonen auf unterschiedliche Wege. Das eine fliegt also in diese Richtung hier, das zweite in eine andere Richtung. An einem speziellen Spiegel überlagern wir das eine der beiden verschränkten Photonen mit einem anderen Photon - dem Photon, das wir teleportieren wollen - sozusagen der Passagier.

    Das Entscheidende: Durch die Überlagerung mit dem einen Zwilling verschränken wir den Passagier mit dem anderen, mit dem, der einen Meter weit entfernt ist. Genau dadurch erreichen wir die Teleportation. Denn durch die Verschränkung nimmt der zweite, der entfernte Zwilling blitzschnell die Eigenschaften des Passagiers an."

    Die Wiener Forscher beamen die Eigenschaften von Lichtquanten durchs Labor. Inzwischen können sie ihre Lichtteilchen nicht nur quer über den Labortisch beamen, sondern über Hunderte von Metern durch einen Abwasserkanal unterhalb der Donau. Und im Sommer 2004 konnten Physiker aus Innsbruck sogar Quanteneigenschaften nicht von Licht, sondern von einem Atom zum anderen teleportieren, wenn auch nur über die Minimaldistanz von einem hundertstel Millimeter.

    Atome sind ja so etwas wie die Bausteine der Stoffe: Festkörper, Flüssigkeiten, Gase – sie alle bestehen letztlich aus Atomen. Doch funktioniert das Beamen auch mit größeren Gebilden? Wahrscheinlich schon, meint Anton Zeilinger.

    Zeilinger: ""Irgendwann wird man zu Molekülen kommen. Es ist sicher so, dass irgendwann mal das mit Makromolekülen funktionieren wird. Ich persönlich glaube, dass das mit Molekülen funktionieren wird, die durchaus so groß sind, dass sie Viren sein können. Wo es dann weitergeht - da möchte ich mich auf nichts einlassen."

    Raumschiff Enterprise: " "Admiral, ich höre ununterbrochen Notrufe, und jetzt kommt gerade eine Nachricht von der Föderation."
    "Auf den Bildschirm!"
    "

    Beamen mit Molekülen, ja sogar mit Viren – das alles hält Anton Zeilinger grundsätzlich für möglich. Lassen sich dann eines Tages womöglich sogar Menschen teleportieren – so wie Captain Kirk und seine Leute bei der Fernsehserie Raumschiff Enterprise?

    Die Wissenschaftler winken ab. Menschen beamen – das kann nie und nimmer funktionieren. Und zwar gleich aus zwei Gründen: Erstens: Teleportieren funktioniert ausschließlich in der Welt der Quanten, also im Mikrokosmos. Menschen aber sind groß, und sie zeigen definitiv keine Quanteneigenschaften: Weder zerfließen sie zu Wellen, noch können sie durch zwei Türen gleichzeitig gehen.

    Zweitens: Beim Teleportieren schickt man ja nicht das Objekt selbst durch den Raum, sondern man überträgt nur eine Eigenschaft von einem Objekt aufs andere. Für das Raumschiff Enterprise hieße das: Man könnte nicht Mr. Spock von der Enterprise auf den Planeten Alpha schicken, sondern man könnte lediglich eine seiner Eigenschaften – zum Beispiel Spocks trockenen Humor – auf einen Doppelgänger übertragen, der auf dem Planeten Alpha bereit läge.

    Und das ist natürlich überhaupt nicht das, was man sich unter einem Transport eigentlich vorstellt. Und das bedeutet: Beamen wie auf der Enterprise – das ist physikalisch ausgeschlossen, sagt Anton Zeilinger.

    Zeilinger: "Zum Teil gab‘s natürlich große Missverständnisse in den Medien. Es geht eben nicht darum, ein Objekt von hier dorthin zu beamen. Da muss man vorsichtiger sein. Auf der anderen Seite hoffe ich doch, damit ein bisschen zur öffentlichen Akzeptanz der Wissenschaft beizutragen. Wenn es einem gelingt, ein bisschen von der eigenen Begeisterung einem breiteren Publikum zu übertragen, dann freut einen das, nicht?"

    Doch wie ist es mit dem Traum, Informationen mit Hilfe der Quantenteleportation blitzschnell durchs Weltall zu schicken – schneller als das Licht? Gemäß der Relativitätstheorie wäre das ein Unding. Aber die Quantenteleportation mitsamt ihrer spukhaften Fernwirkung scheint’s möglich zu machen.

    Angenommen, Alice entdeckt auf einem Lichtjahre entfernten Planeten ein seltenes, wertvolles Mineral. Angenommen, sie könnte diese Nachricht ihrem Freund Bob auf die Erde teleportieren - in Überlichtgeschwindigkeit, in Echtzeit, damit Bob aus dieser Nachricht ein Vermögen an der Börse macht. Kommt die Nachricht unverfälscht auf der Erde an? Zeigt der Quantenwürfel auf der Erde tatsächlich dieselbe Zahl wie der Würfel auf Alice' Planet?

    Zeilinger: "In einem von vier Fällen sind sie identisch. Dann hat Bob gleich die richtige Nachricht. In den anderen drei Fällen weiß ich: Es ist nicht die richtige Zahl oben, sondern ich muss den Würfel drehen um eine von drei Richtungen.

    D.h. Bob bekommt, wenn er den Knobelbecher umdreht, eine von vier Zahlen. Und er weiß nicht: Ist es die richtige, oder muss ich meinen Würfel noch drehen? Und diese Nachricht, wie er den Würfel drehen muss, die muss er von Alice bekommen, um das tatsächlich ausnützen zu können. Das geht nur durch einen klassischen Kommunikationskanal, also Telefonat oder irgendetwas anderes."

    Das bedeutet: Eigenschaften können teleportiert werden, nicht aber Signale und Informationen. Die teleportierte Nachricht von Alice bleibt also unvollständig, quasi verschlüsselt. Und der Schlüssel, der entscheidende Code, lässt sich nicht teleportieren. Er muss auf normalem Wege geschickt werden, per Funkspruch oder Telefon.

    Dennoch: Es gibt eine konkrete Anwendung für das Beamen – und Anton Zeilinger und seine Leute arbeiten schon dran: Im Prinzip nämlich eignet sich die Quantenteleportation zur abhörsicheren Datenübertragung. Schließlich verschwindet bei der Teleportation eine Information und taucht an anderer Stelle wieder auf, ohne zwischendrin zu existieren. Ein Spion hätte demnach keine Chance, an die Information heranzukommen. Die von Einstein so verpönte spukhafte Fernwirkung – Leuten wie Anton Zeilinger gilt sie als Basis für viel versprechende Zukunftstechnologien.

    Zeilinger: "Gott würfelt doch, und daran zweifelt fast keiner mehr. Ja, die Welt ist so verrückt. Und aus diesen Experimenten entstanden neue Möglichkeiten für Quanteninformationstechnologie. Das heißt die ursprüngliche philosophische Kritik Einsteins hat zu einer neuen Technologie geführt."
    Atome bestehen aus Kernteilchen und Elektronen.
    Atome bestehen aus Kernteilchen und Elektronen.© Rice University
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    Laserexperiment© AP
    Rupert Ursin vom Institut für Experimentalphysik in seinem ungewöhnlichen Labor.
    Teleportation im Labor.© Institut für Experimentalphysik, Universität Wien
    Professor Anton Zeilinger und sein Mitarbeiter Rupert Ursin begutachten die Versuchsanlage im Kanalnetz von Wien.
    Professor Anton Zeilinger und sein Mitarbeiter Rupert Ursin begutachten die Versuchsanlage im Kanalnetz von Wien.© Institut für Experimentalphysik, Universität Wien