Von Shakespeare inspiriert

Kurz vor seinem 80. Geburtstag kehrt Claudio Abbado nach Berlin zurück. Wie in jedem Mai dirigiert Abbado auch jetzt wieder die Berliner Philharmoniker, deren Chef er bis 2002 war.
Claudio Abbado ist ein Universalist. Sein Repertoire reicht von Monteverdi über Verdi bis in die unmittelbare Gegenwart hinein, und selbst die historisierende Aufführungspraxis hat sich der Maestro in seinem achten Lebensjahrzehnt noch angeeignet. Bei aller Vorliebe für Mozart, Beethoven, Brahms und Mahler ist ihm das Sperrige, Abseitige immer ein Anliegen gewesen, so auch bei seinen anspruchsvollen Großprojekten, die er in den vergangenen Jahren mit den Berliner Philharmonikern realisiert hat.

Geradezu bescheiden nimmt sich das Programm aus, mit dem sich Abbado in diesem Jahr seiner verzweifelt um jede Eintrittskarte kämpfenden Verehrergemeinde präsentiert: Auszüge aus der "Sommernachtstraum"-Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, hernach die "Symphonie Fantastique" von Hector Berlioz.

Die Sache mit der Bescheidenheit könnte sich indes noch als Trugschluss erweisen, denn Abbado geht den Erfordernissen der Partituren oft konsequenter nach als viele seiner Kollegen. Wenn etwa Claude Debussy die Klangwogen von 16 Violoncelli in "La Mer" vorschreibt, ist es klar, dass Abbado eben sechs Violoncelli mehr als üblich für das Konzert engagiert. Und wenn Hector Berlioz in seiner "Symphonie Fantastique" oder Richard Wagner in seinem "Parsifal" bestimmte Glocken vorschreiben, kann man davon ausgehen, dass Abbado sie eigens für die Aufführung gießen lässt.

Zugegeben, der Mann kann es sich leisten: Als vermutlich exklusivster und begehrtester Dirigent der Welt kann Claudio Abbado Forderungen stellen, von denen die meisten Kollegen nicht einmal träumen würden. Allerdings muss man das auch wollen: Große Kunst verdankt sich nicht zuletzt großer Ambition – und sie macht, wie schon Karl Valentin wusste, viel Arbeit. Seien wir also überrascht, welche Zaubereien uns in diesem Programm begegnen, das zwei von Shakespeares Geist durchdrungene Klangvisionen einander gegenüberstellt.


Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 21.05.2013


Felix Mendelssohn Bartholdy
Bühnenmusik zu "Ein Sommernachtstraum" op. 61 (Auszüge)

ca. 20:45 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Hector Berlioz
"Symphonie fantastique. Episode de la vie d’un artiste" op. 14


Damen des Chores des Bayerischen Rundfunks
Berliner Philharmoniker
Leitung: Claudio Abbado