Von tierischen Instinkten geleitet
Ob er dichtet, philosophiert oder ein Investmentgeschäft tätigt - der Mensch ist selten rational. Das ist Douglas Kenricks These, die er hurmorvoll und differenziert entfaltet. Doch der Facettenreichtum des Buches kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Grundprämisse allzu simpel ist.
Über der Natur schwebend wähnt sich der Mensch, wenn er dichtet und philosophiert, sich aufopfert für seinen Nächsten und zu den Göttern betet. Pure Illusion, erklärt der amerikanische Psychologe Douglas Kenrick. In seinem Buch "Sex, Mord und der Sinn des Lebens" möchte der Autor zeigen, dass hinter den noch so feinsinnigsten Kulturleistungen des Menschen tierische Instinkte stecken.
In zwölf Kapiteln arbeitet sich Douglas Kenrick "von der Gosse zu den Sternen", wie er es im Vorwort nennt. Um Sex, Mord und Rassismus geht es in den Eingangskapiteln des Buches, die laut evolutionspsychologischer Forschung auf evolutionäre Wurzeln zurückzuführen sind. So hegen weit über die Hälfte aller Menschen regelmäßig Mordfantasien, fand der Autor in einer Studie heraus. Männer malen sich zum Teil wochenlang aus, wie sie ihren Widersacher blutrünstig zur Strecke bringen. Bei Frauen verflüchtigt sich der mörderische Impuls mitunter schon nach Minuten - ein naturhistorisches Erbe, erklärt Douglas Kenrick: Vor der Erfindung der Schusswaffe hätte die zweibeinige Äffin gegen die Übermacht ihrer männlichen Artgenossen ohnehin keine Chance gehabt.
Auch ansonsten schwer zu deutende gesellschaftliche Makrophänomene ergeben im Licht der Evolutionspsychologie Sinn, so der Autor. Zum Beispiel das scheinbar irrationale Handeln von Investmentbankern, die für risikoreiche Spekulationen ihre Karriere und mitunter die Existenz ihres Arbeitgebers aufs Spiel setzen. Dahinter stecke eine Art "Tiefenrationalität", glaubt Douglas Kenrick: Evolutionär mache es für Männer durchaus Sinn, viel für die Steigerung des eigenen Ansehens zu riskieren und verweist auf den Pfau mit seiner die Damenwelt erobernden Schleppe, die ihn so gut wie fluchtunfähig macht.
Lakonisch-humorvoll und differenziert präsentiert der Autor sein Fachgebiet, zu dessen versiertesten Vertretern er gehört. Auch potentielle Einwände greift er auf, beispielsweise wenn er betont, dass natürlich zu erklärende Verhaltensweisen durch die Evolutionspsychologie keineswegs ethisch abgesegnet werden sollten. Wenn Evolutionspsychologen rassistische Vorurteile oder ökonomische Gier auf uralte Instinkte zurückführten, wollten sie im Gegenteil Wege aufzeigen, wie sich unsere emotionale Grundausstattung mit einem friedliches Zusammenleben vereinbaren ließe.
Ein sympathischer Anspruch, der dennoch Unbehagen auslöst. Denn aller Facettenreichtum dieses Buches kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Evolutionspsychologie - oft rein spekulativ - einer allzu simplen Prämisse folgt: Was immer an menschlichem Verhalten beobachtbar ist, muss dem Fortpflanzungserfolg dienlich sein. Douglas Kenrick lässt völlig außer acht, in welchem Meer kultureller Konstrukte und Begrifflichkeiten sich jemand bewegt, der eine Interpretation komplexer gesellschaftlicher Phänomene wie Rassismus, Geschlechterdifferenz, Ökonomie oder Kriminalität wagt. Vielleicht kann man Evolutionspsychologie nur betreiben, indem man dieses Faktum ignoriert.
Besprochen von Susanne Billig
Douglas Kenrick: Sex, Mord und der Sinn des Lebens - Wie die Evolutionspsychologie unser Menschenbild revolutioniert
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer
Huber Verlag, Bern 2012
221 Seiten, 24,95 Euro
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Auch ansonsten schwer zu deutende gesellschaftliche Makrophänomene ergeben im Licht der Evolutionspsychologie Sinn, so der Autor. Zum Beispiel das scheinbar irrationale Handeln von Investmentbankern, die für risikoreiche Spekulationen ihre Karriere und mitunter die Existenz ihres Arbeitgebers aufs Spiel setzen. Dahinter stecke eine Art "Tiefenrationalität", glaubt Douglas Kenrick: Evolutionär mache es für Männer durchaus Sinn, viel für die Steigerung des eigenen Ansehens zu riskieren und verweist auf den Pfau mit seiner die Damenwelt erobernden Schleppe, die ihn so gut wie fluchtunfähig macht.
Lakonisch-humorvoll und differenziert präsentiert der Autor sein Fachgebiet, zu dessen versiertesten Vertretern er gehört. Auch potentielle Einwände greift er auf, beispielsweise wenn er betont, dass natürlich zu erklärende Verhaltensweisen durch die Evolutionspsychologie keineswegs ethisch abgesegnet werden sollten. Wenn Evolutionspsychologen rassistische Vorurteile oder ökonomische Gier auf uralte Instinkte zurückführten, wollten sie im Gegenteil Wege aufzeigen, wie sich unsere emotionale Grundausstattung mit einem friedliches Zusammenleben vereinbaren ließe.
Ein sympathischer Anspruch, der dennoch Unbehagen auslöst. Denn aller Facettenreichtum dieses Buches kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Evolutionspsychologie - oft rein spekulativ - einer allzu simplen Prämisse folgt: Was immer an menschlichem Verhalten beobachtbar ist, muss dem Fortpflanzungserfolg dienlich sein. Douglas Kenrick lässt völlig außer acht, in welchem Meer kultureller Konstrukte und Begrifflichkeiten sich jemand bewegt, der eine Interpretation komplexer gesellschaftlicher Phänomene wie Rassismus, Geschlechterdifferenz, Ökonomie oder Kriminalität wagt. Vielleicht kann man Evolutionspsychologie nur betreiben, indem man dieses Faktum ignoriert.
Besprochen von Susanne Billig
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Aus dem Amerikanischen von Jürgen Neubauer
Huber Verlag, Bern 2012
221 Seiten, 24,95 Euro
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