Von Ulrike Timm

Die Feuilletons befassen sich mit der bevorstehenden Frankfurter Buchmesse, den Ausgrabungen auf dem Areal des Berliner Stadtschlosses und der Hannoveraner Lutherkirche, die Gottesdienstbesuchern fünf Euro schenkt.
"Der freie Informationsfluss und die Freiheit von Meinung und Rede sind das größte Gut der Buchmesse","

zitiert die FRANKFURTER RUNDSCHAU die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse, die nach ihrem Kotau gegenüber dem Gastland China vergangene Woche nun nach dem Motto "Volle Kraft voraus!" zu verfahren scheinen.

""Diese Buchmesse wird die spannungsreichste der letzten Jahre. Und die spannendste vielleicht auch","

meint Ina Hartwig in der FRANKFURTER RUNDSCHAU. Wie einen Kommentar dazu druckt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG Bilder des chinesischen Künstlers Ai Weiwei – er dokumentiert nach den Schlägen durch Chinas Obrigkeit mit Fotos seine notwendige ärztliche Behandlung.

""Ai ist Paparazzo in eigener Sache, die Fotos sind einerseits Beweismaterial… andererseits spielt er mit der Sensationslust der Weltöffentlichkeit.","

so die SÜDDEUTSCHE. Im TAGESSPIEGEL findet Jörg Magenau sehr nachdenkliche Worte für den Umgang mit dem schwierigen Buchmessen-Ehrengast China. "Kontroverse statt Kotau", das ist auch seine Devise, und doch warnt Magenau davor, China und seine Künstler einseitig bloß aus der Dissidentenwarte zu sehen und keinen Blick mehr für die Fortschritte im Riesenreich zu haben, die auch Künstler und Autoren immer wieder bestätigen.

""So berechtigt und notwendig alle Fragen nach Dissidenten, Minderheiten, Zensur, inhaftierten und exilierten Autoren auch sind, so verständlich ist auch der chinesische Ärger über die deutsche Überheblichkeit.","

lesen wir im TAGESSPIEGEL.

Ganz andere Sorgen hat man in Berlin. Hier wurde Geschichte ausgebuddelt – auf dem Gelände des geplanten Humboldt-Forums werden die Keller des Hohenzollernschlosses ausgegraben, und man fand viel mehr Preußen unter den Füßen als vermutet oder erhofft. "Soll das Schloss seine eigene Geschichte begraben?" fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG mit Blick auf die deutlichen Signale aus dem Bundesbauministerium, die letzten originalen Reste aus Kostengründen wieder zuzuschütten, weil das veranschlagte Geld doch für die Rekonstruktion gebraucht werde. Die FAZ zählt auf, was die Archäologen gefunden haben, von verrosteten Leitungen aus Kaiser Wilhelms Zeiten bis zu Siedlungsresten aus dem Spätmittelalter und resümiert: "Eine Schatzkammer der Geschichte mitten in Berlin." Also? Endlich ehrlich rechnen, fordert die FAZ:

""Oder soll das Gewürge, Geschiebe und Gestammel, das Hantieren mit Milchmädchenrechnungen und undurchlässigen Verträgen noch Monate weitergehen, bevor es zum Knall kommt?"

Dem Berliner Stadtschloss liegt ein Bundestagsbeschluss zugrunde – zum ersten und einzigen Mal hatten die Abgeordneten 2007 über eine schwierige Mischung aus Geschichte und Kunst abgestimmt und den historisierenden Wiederaufbau beschlossen, da wird’s wohl kommen. Aber es sieht so aus, als könnte es mit dem Wiederauferstehen des Schlosses doch länger dauern als gedacht, und in der Diskussion ist nach dem Eklat um den Architektenvertrag und den neusten archäologischen Funden plötzlich wieder Musik drin.

Im TAGESSPIEGEL antwortet Jury-Chef Vittorio Lampugnani auf die delikate Frage, ob die Demokratie als Bauherr nicht tauge, so:

"Die Demokratie ist immer ein schwierigerer Bauherr als ein privater Träger. Manchmal muss man den Mut haben, es mit der Architektur nicht allen recht machen zu wollen. Mit der Demokratie ist das naturgemäß schwer zu vereinbaren."

Höchst unkonventionell ist man in der Hannoveraner Lutherkirche dem mangelnden Gottesdienstbesuch beigekommen, mit 5 Euro auf die Hand.

"Den Fünfer gab’s zwar erst nach dem Gottesdienst, die Idee ist dennoch prima: Predigt absitzen, Liturgie mitmurmeln und dann das Geld einsacken. Sage noch einer, dem Protestantismus mangle es an Einfallsreichtum."

Die Geschichte erfahren wir in der BERLINER ZEITUNG, die allerdings nur sehr am Rande erwähnt, dass man den Fünfer kriegt, um damit was Gutes zu tun, und feixend kommentiert:

"Wenn die Menschen nicht mehr in den Gottesdienst kommen, muss man sich die Gemeinde eben zusammenkaufen."

Vielleicht wäre das ja auch eine Idee für die Schlossfinanzierung in der Hauptstadt, Gottesdienst absitzen, Fünfer einsacken. Allerdings würden die von vielen vermuteten deutlich höheren Kosten wohl Beten rund um die Uhr erfordern – und das Budget der Gemeinde sprengen.