Von wegen "Aufwertung"
Wer vor zehn Jahren in Ostberlin eine Wohnung gesucht hat, der hatte es oft mit ziemlich zahmen Maklern tun. Heute dagegen stehen Mieter häufig Schlange, nur um eine Unterkunft zu besichtigen - auch in Gegenden, die vor Kurzem noch einen üblen Ruf hatten. Immobilienkonzerne sprechen von "Aufwertung". Der Journalist Richard Szklorz warnt dagegen davor, diese Art von Gentrifizierung zu loben.
Es gibt sie: Die Menschen, die behaupten, aus Amerika käme nichts Gutes zu uns. Das stimmt natürlich nicht! Ob allerdings die "Gentrifizierung", auf Englisch gentrification, als Gewinn oder als Ärgernis zu betrachten ist, das hängt davon ab, ob das Auge des Betrachters einem Investor gehört oder einem von ihm heimgesuchten Mieter.
Ursprünglich britischer Herkunft, wurde der Begriff erst in Amerika in den frühen 80er-Jahren groß und stark. Nur manchmal war die Gentrifizierung ein Gewinn für alle. Etwa im New Yorker East Village. Es bestand zum Teil aus unbewohnbar gewordenen Straßenzügen, gesäumt von Halbruinen mit den Brandspuren des "warmen Abrisses". Hier war das, was gentrification hieß, schlicht die Rettung. Wer dort heute spaziert, der reibt sich die Augen.
Doch der deutsch-amerikanische Vergleich ziemt sich nicht. Wer in Deutschland die Gentrifizierung als Königsweg zur Modernisierung anpreist und lobend von "Aufwertung" spricht, der bezeugt entweder die eigene Ahnungslosigkeit oder er versucht, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.
Denn dass es in Deutschland auch anders geht oder zumindest ging, davon zeugen ganze Stadtquartiere, die modernisiert und saniert wurden, ohne dass ihre Mieter vertrieben wurden. Das war möglich, weil es die Politik so wollte oder durch massiven Widerstand der Betroffenen davon abgehalten wurde, sich über ihre Interessen hinwegzusetzen.
Damals fühlte sich die Politik zuständig. Der Staat förderte den sozialverträglichen Umbau. Die Gewinne der Hauseigentümer stiegen zwar nicht ins Unermessliche, doch man kam auf seine Kosten. Der Artikel 14 der deutschen Verfassung: "Eigentum verpflichtet", stand nicht nur auf dem Papier. Kurz: Es wehte politisch ein anderer Wind.
Ursprünglich britischer Herkunft, wurde der Begriff erst in Amerika in den frühen 80er-Jahren groß und stark. Nur manchmal war die Gentrifizierung ein Gewinn für alle. Etwa im New Yorker East Village. Es bestand zum Teil aus unbewohnbar gewordenen Straßenzügen, gesäumt von Halbruinen mit den Brandspuren des "warmen Abrisses". Hier war das, was gentrification hieß, schlicht die Rettung. Wer dort heute spaziert, der reibt sich die Augen.
Doch der deutsch-amerikanische Vergleich ziemt sich nicht. Wer in Deutschland die Gentrifizierung als Königsweg zur Modernisierung anpreist und lobend von "Aufwertung" spricht, der bezeugt entweder die eigene Ahnungslosigkeit oder er versucht, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen.
Denn dass es in Deutschland auch anders geht oder zumindest ging, davon zeugen ganze Stadtquartiere, die modernisiert und saniert wurden, ohne dass ihre Mieter vertrieben wurden. Das war möglich, weil es die Politik so wollte oder durch massiven Widerstand der Betroffenen davon abgehalten wurde, sich über ihre Interessen hinwegzusetzen.
Damals fühlte sich die Politik zuständig. Der Staat förderte den sozialverträglichen Umbau. Die Gewinne der Hauseigentümer stiegen zwar nicht ins Unermessliche, doch man kam auf seine Kosten. Der Artikel 14 der deutschen Verfassung: "Eigentum verpflichtet", stand nicht nur auf dem Papier. Kurz: Es wehte politisch ein anderer Wind.
"Gentrifizierung" als Kampfbegriff
Die "Gentrifizierung" erweist sich dagegen als Kampfbegriff für einen Vorgang, in dem soziale Strukturen ungehemmt aufgemischt werden. Er findet nicht in heruntergekommenen Innenstädten statt, sondern in baulich weitgehend intakten Räumen. Sie sind Objekte für vagabundierendes Kapital geworden, das irgendwo angelegt und maximal vermehrt werden möchte, Haus für Haus, Spiel-Geld verwandelt in Beton-Gold.
Die nicht betuchten Mieter sind da ein Hindernis, wenngleich ein kleines. Die Mittel, sich ihrer zu entledigen, sind vielfältig, oft rabiat und meistens erfolgreich.
Anders als in den USA ist in Deutschland das Wohnen zur Miete üblich und hat sich bewährt. Doch statt die Bürger in ihrer Lebensweise zu beschützen, hob die Politik bestehende Gesetze gegen den Wildwuchs der Privatisierung in den letzten Jahren konsequent auf.
Dass die Gentrifizierung das Ansteigen der Mieten in den Großstädten mitverursacht hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Auch nicht für jene Politiker, die in ihren gerade erst verklungenen Wahlreden bezahlbare Mieten versprachen, aber nicht erklärten, warum sie und ihre Parteien zuletzt nichts dafür taten. Doch Worte kosten eben nichts.
Daher werden Investoren bis auf Weiteres die großstädtischen Bezirke ungestört in Oasen für Betuchte verwandeln. Menschen, die zu dieser Kategorie nicht gehören, können zusehen, wo sie bleiben.
Zuerst suchen sie wahrscheinlich in der Innenstadt, an der sie irgendwie hängen, und müssen hoffen, nicht erneut von Immobilienscouts aufgespürt zu werden. Oder - letzte Mutprobe -, sie überspringen diese Stufe und wandern gleich nach Berlin-Hellersdorf oder München-Neuperlach ab.
Und in der Tat dürften sie dort vorerst sicher sein. Denn obwohl beim Bau der Trabantenstädte wahrlich nicht an Beton gespart wurde, sind aus diesen Orten bislang keine nennenswerten Vorkommen an Beton-Gold vermeldet worden.
Richard Szklorz, geboren und aufgewachsen in der Nachkriegs-Tschechoslowakei, studierte an der Universität Tübingen und an der Freien Universität Berlin. Lange lebte er in London, Jerusalem und New York, wovon die New Yorker Zeit beinahe seine zweite Auswanderung wurde. Nach der Wende bereiste Szklorz als Redakteur der Wochenzeitung "Freitag" zum ersten Mal wieder sein Geburtsland und andere ostmitteleuropäische Staaten. Inzwischen lebt er in Berlin.
Die nicht betuchten Mieter sind da ein Hindernis, wenngleich ein kleines. Die Mittel, sich ihrer zu entledigen, sind vielfältig, oft rabiat und meistens erfolgreich.
Anders als in den USA ist in Deutschland das Wohnen zur Miete üblich und hat sich bewährt. Doch statt die Bürger in ihrer Lebensweise zu beschützen, hob die Politik bestehende Gesetze gegen den Wildwuchs der Privatisierung in den letzten Jahren konsequent auf.
Dass die Gentrifizierung das Ansteigen der Mieten in den Großstädten mitverursacht hat, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Auch nicht für jene Politiker, die in ihren gerade erst verklungenen Wahlreden bezahlbare Mieten versprachen, aber nicht erklärten, warum sie und ihre Parteien zuletzt nichts dafür taten. Doch Worte kosten eben nichts.
Daher werden Investoren bis auf Weiteres die großstädtischen Bezirke ungestört in Oasen für Betuchte verwandeln. Menschen, die zu dieser Kategorie nicht gehören, können zusehen, wo sie bleiben.
Zuerst suchen sie wahrscheinlich in der Innenstadt, an der sie irgendwie hängen, und müssen hoffen, nicht erneut von Immobilienscouts aufgespürt zu werden. Oder - letzte Mutprobe -, sie überspringen diese Stufe und wandern gleich nach Berlin-Hellersdorf oder München-Neuperlach ab.
Und in der Tat dürften sie dort vorerst sicher sein. Denn obwohl beim Bau der Trabantenstädte wahrlich nicht an Beton gespart wurde, sind aus diesen Orten bislang keine nennenswerten Vorkommen an Beton-Gold vermeldet worden.
Richard Szklorz, geboren und aufgewachsen in der Nachkriegs-Tschechoslowakei, studierte an der Universität Tübingen und an der Freien Universität Berlin. Lange lebte er in London, Jerusalem und New York, wovon die New Yorker Zeit beinahe seine zweite Auswanderung wurde. Nach der Wende bereiste Szklorz als Redakteur der Wochenzeitung "Freitag" zum ersten Mal wieder sein Geburtsland und andere ostmitteleuropäische Staaten. Inzwischen lebt er in Berlin.