Von Zukunftsängsten getrieben

Von Noemi Schneider |
Miranda July gehört zu den originellsten und talentiertesten amerikanischen Künstlerinnen der Gegenwart. In ihrem neuen Film "The Future" erzählt Miranda July von einem Paar Mitte 30, das sich auf gar keinen Fall festlegen will. Eine der Hauptrollen hat sie selbst übernommen.
"Kannst du mir Wasser mitbringen? / Ich steh nicht auf, ich setz mich nur anders hin. / Hätten wir einen Kran, könnten wir uns Wasser holen, ohne aufzustehen, wir könnten ... / Und wie drehst du den Wasserhahn auf? / Durch meine Gedanken. / Es ist doch echt peinlich, das einzige, was du mit den Gedanken tun kannst, kannst du auch mit den Händen machen. / Aber, immerhin kann ich etwas, weißt du. Du kannst doch überhaupt nichts, mit deinen Gedanken machen. / Doch, die Zeit zum Stillstand bringen. / Ach wirklich? Wirklich? Das ist mir nicht aufgefallen."

Sophie und Jason sind Mitte 30, sie leben gemeinsam in einer chaotischen aber gemütlichen Wohnung in Los Angeles. Sophie arbeitet als Tanzlehrerin für Kinder und Jason beantwortet Kundenanfragen für Computerprobleme von zu Hause aus. Beide hassen ihre Berufe, sind die meiste Zeit online und langweilen sich zu Tode.

Sophie, das ist eine elfenhafte, liebenswerte, umständliche und etwas exzentrische Mittdreißigerin, die tagtäglich gegen die Verlorenheit im Leben 2.0 ankämpft. Sophie, das ist die Künstlerin Miranda July, eine, die niemals vor den eigenen Unzulänglichkeiten haltmacht, im Gegenteil, sie bringt sie aufs Tablett, setzt sich davor, und schaut sie sich so lange an, bis sie eine Lösung gefunden hat. Die probiert sie dann sofort aus. Und wenn sich herausstellt, dass es doch nicht die Richtige war, dann probiert sie noch eine und noch eine und noch eine.

Kurz gesagt: Miranda July ist eine Meisterin im Erfinden von originellen Auswegen und unkonventionellen Überlebensstrategien für sich selbst und ihr Publikum.

Im Film beschließen Sophie und Jason eine Katze zu adoptieren, ein großer Schritt, den sie akribisch planen, als ginge es um die Adoption eines Kindes. Das Projekt "Verantwortung".

"Oh nein, wir können sie erst entlassen, wenn der Verband ab ist, das dauert noch etwa einen Monat. Sie können sie am 26. abholen, aber bitte nicht später, wir sind überbelegt und müssen sie sonst einschläfern. / Ähm, die Frau, die vorher da war, sagte, sie hätte nur noch fünf oder sechs Monate also heißt das nun einschließlich? / Naja, also wenn sie wirklich gut für sie sorgen und sie sich bei Ihnen wohl fühlt, kann sie es leicht noch ein paar Jahre machen. Aber mehr als fünf vermutlich nicht."

Fünf Jahre? Die Aussicht auf eine Fünfjährige Verpflichtung löst bei Beiden eine Mischung aus Ratlosigkeit und Entsetzen aus.

"In fünf Jahren sind wir beide 40. / Tja 40, das ist im Grunde wie 50 und was nach 50 kommt, das ist ja nur noch Wechselgeld. / Wechselgeld? Einfach nicht genug um das zu kriegen, was wir wirklich wollen. / Oh Gott, in der Praxis heißt das dann also, in einem Monat war's das dann für uns."

Sophie und Jason haben noch eine Galgenfrist von 30 Tagen, bevor sie sich ihrer Verantwortung stellen müssen. Den letzten Monat in Freiheit wollen sie nutzen. Beide kündigen ihre Jobs und beginnen ein "neues" Leben. Jason schließt sich Umweltschützern an, die von Haus zu Haus ziehen, um Bäume zu verkaufen, und Sophie will jeden Tag ein Tanzvideo von sich selbst drehen.

Das Projekt "Neues Leben" gelingt den Beiden überhaupt nicht, doch voreinander behaupten sie natürlich das Gegenteil.

Die Regisseurin Miranda July lässt ihre beiden etwas naiven Mittdreißiger scheitern und fängt sie doch wieder liebevoll darin auf. Denn Scheitern, so wie es Miranda July versteht, ist immer auch eine Chance. Zwar will niemand Bäume kaufen, doch Jason landet schließlich bei einem alten Mann, der ihm Limericks vorliest und von seiner 60-jährigen Ehe erzählt und Sophie wählt aus Langeweile eine Telefonnummer, die auf der Rückseite einer Zeichnung steht.

"Hallo. / Hallo, ähm, mein Name ist Sophie. Ich habe ihr, mein Freund hat, das Bild, das, im Tierheim, das sie gezeichnet haben, gekauft. Ich… / Wollen sie es zurückgeben? / Nein, nein, nein. Es gefällt uns sehr. / Okay, und sie rufen an, weil? / Oh, haben sie zu tun? / Nein, ich arbeite zwar, aber ich… / Wo arbeiten sie? / Ich habe eine Kette von Läden, wir produzieren Schilder und Spruchbänder für Fachmessen und Veranstaltungen. / Oh, also es ist bedeckt. / Ich sehe ein Stückchen Sonne, das da durch die Wolken kuckt. / Ja. Also von da wo ich bin, da sehe ich ein paar flache Wolken und dann ist da noch eine dicke Runde und hinter der dicken runden, da wird gleich die Sonne durchkommen. / Dann sehen sie bestimmt in dieselbe Richtung wie ich."

Zwischendurch taucht im Film, ganz Miranda-July-mäßig, immer wieder die Katze "Pfötchen" aus dem Tierheim auf, die natürlich sprechen kann und anscheinend die Einzige ist, die sich auf die Zukunft freut. Sehnsüchtig malt sie sich ihr neues Zuhause aus und zählt die Tage bis zu ihrer Abholung, während Sophie und Jason, von Zukunftsängsten getrieben, ihr Leben auf den Kopf stellen.

Am Ende will Sophie Jason tatsächlich verlassen, doch da hat der Mond dann noch ein Wörtchen mitzureden. Und das tut er, schließlich haben wir es hier mit einem Miranda July Film zu tun.

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