Der uneingeschränkte U-Boot-Krieg
Begonnen hatte der U-Boot-Krieg bereits 1915. Doch nach den verlustreichen Schlachten von Verdun und an der Somme setzte das deutsche Kaiserreich alle Hoffnungen, den Krieg doch noch zu gewinnen, auf einen verstärkten Einsatz von Unterseebooten.
Gegen Ende des Jahres 1916, nach den großen Materialschlachten bei Verdun und an der Somme, hatte sich die Lage der deutschen Armeen verändert. Zähes Festhalten am Erreichten – so lautete nun die Losung. Der Stuttgarter Historiker und Weltkriegsspezialist Gerhard Hirschfeld:
"Also, die Deutschen waren in einer defensiven Position. Und die Initiative lag eindeutig bei den Alliierten. Allerdings war die deutsche Hoffnung zu diesem Zeitpunkt, dass die U-Boote es schon richten würden."
So dachten viele der verantwortlichen Militärs, nicht zuletzt innerhalb der kaiserlichen Marine.
"Man hatte die Erwartung – und die war nicht ganz unbegründet – dass der uneingeschränkte U-Boot-Krieg den Durchbruch bringen würde, und dass es dann möglich sei, aus einer Position der Stärke zu verhandeln."
U-Boot-Krieg hatte bereits 1915 begonnen
Freilich - der eigentliche U-Boot-Krieg, das heißt, die systematische Überwachung der Seewege in der Nordsee, im Atlantik und im Mittelmeer, sowie die warnungslose Versenkung von Handelsschiffen und schließlich auch von Passagierdampfern, hatte bereits im Februar 1915 begonnen. Am 4. Februar jenes Jahres waren von der deutschen Admiralität die Gewässer um Großbritannien herum zum Kriegsgebiet erklärt worden:
"Vom 18. Februar 1915 an wird jedes in diesem Kriegsgebiet angetroffene feindliche Kauffahrteischiff zerstört werden, ohne dass es immer möglich sein wird, die dabei der Besatzung und den Passagieren drohenden Gefahren abzuwenden."
Die U-Boote kamen zum Einsatz, weil die Hochseeflotte mit ihren Schlachtkreuzern sich weder in der Lage sah, die alliierten Truppentransporte nach Frankreich zu unterbinden, noch die englische Seeblockade gegen das Kaiserreich zu durchbrechen. Deren Auswirkungen hatten schnell - im Verein mit der Misswirtschaft an der Heimatfront – zu massiven Versorgungsproblemen in Deutschland und Österreich-Ungarn geführt. Vor allem Kranke, Alte und Kleinkinder litten und starben in diesen Jahren zu Hunderttausenden an Unterernährung und Auszehrung. Es waren eben diese Folgen der Blockade, die Großadmiral von Tirpitz zur Begründung des Anfang März 1916 aufgenommenen, so genannten verschärften U-Boot-Krieges heranzog:
"Die von uns erklärte Seesperre durch die U-Boote ist keine Vergeltungsmaßregel, obwohl wir sie bei dem brutalen Zerreißen allen Seerechts durch England wohl als solche bezeichnen könnten. Unsere Seesperre ist vielmehr unser legales Recht."
Die Seekriegsleitung überwand den Widerstand des Kaisers
Allerdings – die Seesperren mit U-Booten, wie es Tirpitz nannte, wurden seit ihrem Beginn begleitet von völkerrechtlichen Verwicklungen. Dazu gehörte die Versenkung des Passagierdampfers "Lusitania" am 7. Mai 1915 durch U20 ebenso wie englische U-Boot-Fallen oder die Ermordung gefangener U-Bootbesatzungen, aber auch die Tragödien der zivilen Opfer. Beides führte immer wieder zum Aussetzen des U-Bootkrieges.
Und doch entschloss sich die Seekriegsleitung schließlich am 9. Januar 1917 zur Durchsetzung des uneingeschränkten U-Bootkriegs und überwand den Widerstand des Kaisers und der zivilen Reichsleitung. Kapitänleutnant von Weizsäcker – Vater des späteren Bundespräsidenten – vermerkte in seinem Tagebuch am 27. September 1916:
"Das Seeoffizierskorps trinkt, intrigiert und kommt sich noch patriotisch vor, indem es auf unlauterem Wege den U-Boot-Krieg durchzusetzen sucht. Der U-Boot-Krieg soll die Dummheit im Flottenausbau und in der Flottenverwendung verdecken."
Der Krieg war endgültig verloren
Die Erwartungen an die für Deutschland positiven Auswirkungen des U-Bootkrieges überwölbten alle Bedenken, vor allem bei Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, und verdrängten auch den dadurch mit Gewissheit zu gewärtigenden Kriegseintritt der USA. Der aber erfolgte am 6. April 1917. Der Historiker Volker R. Berghahn:
"Während Bethmann Hollweg, der Reichskanzler, immer wieder sagte, wir müssen die Amerikaner raushalten, denn wenn die einsteigen, dann verlieren wir den Krieg auf jeden Fall, haben die Militärs dann immer sehr viel kurzfristiger gedacht haben und gesagt: also wenn wir das und das machen, dann können wir also den Krieg schon vorher gewinnen, bevor die Amerikaner hineinkommen."
Zunächst brachten die hohen Versenkungsziffern die Alliierten in ernsthafte Schwierigkeiten. Aber die bald einsetzenden Gegenmaßnahmen, insbesondere die Einführung des Geleitzugsystems, verhinderten einen kriegsentscheidenden Erfolg. Damit war auch dieser Teil der deutschen Seekriegsstrategie gescheitert. Ab September 1918 kämpften bald 1,4 Millionen amerikanische Soldaten auf den französischen Schlachtfeldern, und der Krieg war endgültig verloren.