Vor 100 Jahren in Paris

Startschuss für die Emanzipation Afrikas

William Edward Burghardt Du Bois (1868 -– 1963), US-Bürgerrechtler und Initiator des ersten Pan-Afrikanischen Kongresses 1919
William Edward Burghardt Du Bois (1868-1963), US-Bürgerrechtler und Initiator des ersten Pan-Afrikanischen Kongresses 1919. © AFP
Von Birgit Morgenrath |
Eine Welt ohne Kolonialherrschaft, das forderten Intellektuelle wie W.E.B. Du Bois nach dem Ersten Weltkrieg. 1919 fand der erste Pan-Afrikanische Kongress statt. Ein historisches Signal, das schließlich zur Emanzipation Afrikas führte.
Ab Januar 1919, rund drei Monate nach Ende des Ersten Weltkriegs, wurde Paris für ein Jahr zur Hauptstadt der Welt. Rund 30 Staatenlenker verhandelten im Schloss von Versailles über einen Friedensvertrag mit Deutschland.
Schwarze Aktivisten in den USA wollten dieses Großereignis nutzen, um auf internationalem Parkett für ihre Forderungen nach Gleichberechtigung zu werben. Viele setzten sich schon seit Jahren gegen Rassentrennung und Diskriminierung im Alltag ein. Sie forderten das Wahlrecht und gleiche Rechte im Wirtschaftsleben und Bildungswesen.

Glaube an eine ehrliche Diskussion

Auf Initiative von William Edward Burghardt, kurz W. E. B. Du Bois, dem bedeutendsten amerikanischen Bürgerrechtler jener Zeit, organisierten sie nun in Paris den ersten Pan-Afrikanischen Kongress. Der Historiker Clarence G. Contee sagt:
"Du Bois glaubte tatsächlich daran: Wenn es gelänge, während der Verhandlungen eine ehrliche Diskussion zwischen schwarzen Intellektuellen und einflussreichen weißen Politikern in Gang zu bringen, dann könnte die schwarze Community später Debatten über rassische Diskriminierung anstoßen."
Schon 19 Jahre zuvor hatte der engagierte Soziologe und Sozialist Du Bois auf einer Konferenz vor Kolonialismus-Kritikern die weitsichtige These vertreten:
"Das Problem des 20. Jahrhunderts ist das Problem der Rassentrennung; die Frage, wie weit die Unterschiede der Rasse als Grundlage dienen, um mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung das Recht zu verweigern, Chancen und Privilegien der modernen Zivilisation so gut sie nur können wahrzunehmen."

US-Regierung wollte den Kongress verhindern

Am 1. Dezember 1918 ging Du Bois als Reporter von "The Crisis", dem Monatsmagazin seiner Bürgerrechtsorganisation, an Bord der Orizaba, die die amerikanischen Journalisten nach Paris brachte. Doch dieser erste "Pan-Afrikanische Kongress" passte der US-Regierung offensichtlich nicht ins Konzept. "The Dispatch" aus Pittsburgh meldete im Februar 1919:
"US-Außenstaats-Sekretär Polk sagte heute, das State Department habe die französische Regierung offiziell angewiesen, eine solche Konferenz zu verhindern."


Vielen US-Delegierten wurden Einreise-Visa nach Frankreich verweigert. Nur mit Hilfe des Senegalesen Blaise Diagne, des ersten schwarzafrikanischen Abgeordneten in der französischen Nationalversammlung, erreichte Du Bois die Erlaubnis der Regierung Clemenceau für den ersten "Pan-Afrikanischen Kongress".
Der Senegalese Blaise Diagne
Blaise Diagne wurde 1914 als erster schwarzafrikanischer Abgeordneter in die französische Nationalversammlung gewählt.© picture alliance/dpa/Foto: United Archives/TopFoto

Eingaben an Pariser Friedenskonferenz

Am 19. Februar 1919 trafen sich 57 Delegierte im Grand Hotel auf dem Boulevard des Capucines, darunter zwölf aus den britischen und französischen Kolonien Afrikas sowie aus den nicht kolonisierten Staaten Abessinien und Liberia und aus dem von den USA besetzten Haiti.
"Dies ist die erste Versammlung dieser Art in der Geschichte", kommentierte der "New Yorker Evening Globe" am 22. Februar, "Neger in den Uniformen amerikanischer Offiziere, andere amerikanische Farbige in Gehröcken oder Business-Anzügen und gebildete Franzosen saßen heute an langen grünen Tischen im großen Saal; auch Neger aus dem öffentlichen Dienst und Senegalesen aus der französischen Nationalversammlung."
Paris, 1919 in Versailles: Lloyd George, Vittorio Orlando, Georges Clemenceau, Woodrow Wilson
Die Friedenskonferenz antwortete nicht auf die Petitionen des Pan-Afrikanischen Kongresses. Hier Lloyd George (l), Vittorio Orlando, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson.© imago stock&people
Die Delegierten verfassten mehrere Petitionen an die Pariser Friedenskonferenz. In einer Entschließung konkretisierten sie das auch von US-Präsident Wilson vorgeschlagene "Selbstbestimmungsrecht der Völker" und forderten:
"Die Aufsicht über die Rechte der Einheimischen durch den Völkerbund, Freiheit des Gewissens jedes Einzelnen, Rechte der Afrikaner auf ihr Land, ihre Gesundheit und ihre Arbeit, umfassende Bildung sowie gleiche Rechte für zivilisierte Schwarze in Afrika."

"Eine machtvolle Idee in die Welt gesetzt"

Die schwarzen Bürgerrechtler erhielten keine Antwort von der Friedenskonferenz. Und W.E.B. Du Bois war es nicht vergönnt, vor den erlauchten Staatschefs zu sprechen. Dennoch war die Tagung der Panafrikanisten ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein und Eigeninitiative der Afrikaner.
W. E. B. Du Bois' Biograf David Lewis zog folgende Bilanz: "Zwar waren die kurzfristigen und praktischen Konsequenzen unbedeutend, aber in Paris wurde eine machtvolle Idee in die Welt gesetzt, um die Wunden der Welt zu heilen."
Du Bois organisierte drei weitere Kongresse in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Tradition wird bis heute in verschiedenen Ländern fortgesetzt.
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