Eröffnung des Kunsthistorischen Museums in Wien
Wer Wien bereist, kommt am Kunsthistorischen Museum kaum vorbei. Schon die Architektur ist beeindruckend. Es spielt in einer Liga mit dem British Museum, der Berliner Museumsinsel und dem Louvre. Nur Thomas Bernhard hatte mal wieder was zu meckern.
"Die Leute gehen ins Kunsthistorische Museum, weil es sich gehört, aus keinem anderen Grund, sie reisen sogar aus Spanien und Portugal nach Wien und gehen ins Kunsthistorische Museum, um zu Hause in Spanien und Portugal sagen zu können, dass sie im Kunsthistorischen Museum in Wien gewesen sind, was doch lächerlich ist, denn das Kunsthistorische Museum ist nicht der Prado und es ist auch nicht das Museum in Lissabon, davon ist das Kunsthistorische Museum weit entfernt. Das Kunsthistorische Museum hat ja nicht einmal einen Goya und es hat nicht einmal einen El Greco."
Für eine wirklich bedeutende Wiener Institution gehört es sich, von Thomas Bernhard, dem großen Grantler der österreichischen Literatur, beschimpft zu werden. Und ein Museum, das noch dazu die tragende Rolle in seinem Roman "Alte Meister" spielen darf, muss Weltklasse sein. Die Direktorin Sabine Haag bestätigt das.
"Das Kunsthistorische Museum ist das Flaggschiff der österreichischen Museumslandschaft, wir sind nicht nur das bedeutendste, sondern auch das größte. Mit unseren 13 Sammlungen zeigen wir insgesamt 5.000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte überwiegend in Europa, aber natürlich auch außereuropäische Kunst."
Damit spielt das Kunsthistorische Museum in einer Liga mit dem British Museum, der Berliner Museumsinsel, dem Louvre. Alle zehren sie vom feudalen Erbe der Vergangenheit; in Wien ist es der Schatz der Habsburger Monarchie, die über viele Jahrhunderte Länder, Völkerschaften und Kunstschätze anhäufte. Zur fürstlichen Selbsterhöhung gehörte immer die Kostbarkeit exquisit gestalteter Gegenstände, Gemälde und Skulpturen. Manche Kaiser, Landesfürsten und Erzherzöge waren ausgeprägte Kenner und Sammlernaturen.
Ein Eldorado der Schaulust
Mit dem Kunsthistorischen Hofmuseum, das Kaiser Franz Josef am 17. Oktober 1891 eröffnete, wurden die Erwerbungen seiner Vorfahren erstmals unter einem Dach versammelt.
Die Schatzkammer aus dem 13. Jahrhundert. Das Münz- und Antikenkabinett Karls VI. Die Harnischsammlung des Ferdinand von Tirol. Die Kunstkammer mit ihren prächtigen Kuriosa aus aller Welt, ein Eldorado der Schaulust, darin Benvenuto Cellinis ambitioniertes Salzfass, die weltberühmte Saliera. Und natürlich: die unermessliche Gemäldegalerie. Mehr Bilder von Pieter Brueghel dem Älteren als irgendwo sonst auf der Welt. Ein Übermuseum. Dem Thomas Bernhard auf seine Art huldigte:
"Keinen Goya, sagte er, das sieht den Habsburgern ähnlich, die ja, wie Sie wissen, keinen Kunstverstand gehabt haben, ein Gehör für Musik ja, aber keinen Kunstverstand."
Eine prägende Verbindung
Die enge Verbindung mit der Habsburger-Herrschaft prägte die Baugeschichte des Kunsthistorischen Museums auf besondere Weise. Zusammen mit seinem Zwilling, dem Naturhistorischen Museum, bildet es heute, gleich gegenüber der kaiserlichen Hofburg, einen Platz an der Wiener Ringstraße, der an Monumentalität nichts zu wünschen übrig lässt. Aber der mit der Planung beauftragte Architekt Gottfried Semper hatte aber noch ganz andere Vorstellungen:
"Was Semper schon von Dresden und von Berlin und von anderen Städten her kannte, wollte er ein Kaiserforum bauen, das heißt, die Erweiterung von der Hofburg über die Ringstraße bis hin zum heutigen Maria Theresienplatz, wo die Museen, das Kunsthistorische und das Naturhistorische Museum, Teil dieser Kaiseridee werden sollten."
Das Kaiserforum wurde nie vollendet. Der den Museen gegenüberliegende Heldenplatz erinnert noch an die Mammutplanung, deren Teil er war. Doch Gottfried Sempers neo-absolutistische Idee vertröpfelte gnädig in den zunehmenden Schwierigkeiten der Monarchie und des Kaiserhauses, sein Freund Richard Wagner fasste den Irrtum zusammen:
"Kolossale Pläne für einen zusammenstürzenden Staat."
Was blieb, war dennoch ein - etwas kleineres - Gesamtkunstwerk in Wagners Sinn:
"Das Herausragende ist das Museumsgebäude als solches, das als Museum geplant und gebaut wurde, wo Architektur, Innendekoration und Sammlungen im permanenten Dialog miteinander stehen."
Bei der Eröffnung des Kunsthistorischen Museums ragte das prächtige, im Inneren schwelgerisch dekorierte Neo-Renaissance-Gebäude in eine ganz andere Zeit hinein: Kunst und Architektur standen kurz vor der Revolte des Jugendstils, die Moderne war dabei, den Historismus auszutreiben. Erstaunlich war das nicht. 1857 hatte Kaiser Franz Josef die Schleifung der Wiener Festungsanlagen und den Bau der Ringstraße dekretiert. Seither waren 34 Jahre vergangen.