Die Forschungsreisende Freya Stark und ihre Liebe zur Welt
Sie reiste allein, nächtigte oft unter freiem Himmel und besuchte Regionen, in die zuvor noch nie ein Europäer einen Fuß gesetzt hatte. Die Britin Freya Stark, geboren am 31. Januar 1893, gehört zu den wichtigsten Forschungsreisenden - in einer Zeit, als es noch reine Männersache war, die Welt zu entdecken.
"Kamele tauchten auf. ... Ich stand verzaubert unter ihnen. ... Ich hätte mir nie träumen lassen, dass mich der erste Anblick der Wüste durch seine Schönheit so schockieren und mich sogleich gefangen nehmen würde."
Der Anziehungskraft des Orients sollte Freya Stark ihr Leben lang erlegen sein. Viele Jahre hatte sie bei einem Kapuzinermönch Arabisch gelernt, bis sie 1927 von London aus nach Syrien und in den Libanon aufgebrochen war. Sieben Monate war sie unterwegs. Fasziniert von der fremden Kultur und Landschaft wusste sie damals bereits:
"Ich (werde) meine ganze Zukunft neu planen müssen."
Freya Madeline Stark wurde am 31. Januar 1893 in Paris geboren. Ihre Eltern waren Künstler. Der Vater kam aus England, die Mutter besaß französisch-italienische Wurzeln. Die Familie lebte abwechselnd in Frankreich, Italien und England, und mit fünf Jahren beherrschte Freya Stark vier Sprachen. Lebenslang wissbegierig und weltoffen, studierte sie in London Geschichte und arbeitete im Ersten Weltkrieg als Krankenschwester in Bologna. Danach ließ sie sich in Norditalien nieder, studierte arabische Sprachen und frönte einem eher ungewöhnlichen Hobby. In einem Interview erinnerte sich die 88-Jährige:
"Ich war Bergsteigerin. Ich bestieg das Matterhorn. Ich war auf dem Monte Rosa. Und ich kletterte auf mehrere andere Gipfel."
Eine der wichtigsten Forschungsreisenden ihrer Zeit
Freya Stark wurde eine der wichtigsten Forschungsreisenden ihrer Zeit. Von 1930 bis in die späten 1970er-Jahre führten sie Expeditionen mehrfach nach Afghanistan, Syrien, Indien, Iran, Irak und in den Himalaja. Dort suchte sie nach alten Kulturen, trieb archäologische Studien, spürte vergessene antike Handelswege auf, kletterte auf Berggipfel, um unbekanntes Land zu vermessen und geografische Karten zu zeichnen.
Und genoss das Unterwegssein.
"Das Beste am Reisen ist, den ganzen Tag durch die Landschaft zu ziehen. Zu erleben, wie sich ein Land langsam vor einem ausbreitet, sodass man meint, es würde einem für immer und immer gehören. "
Ihre wohl berühmteste Reise verlief 1930 durch das unbekannte Persien: Wochenlang zog sie im Südwesten des Landes durch das Gebiet Luristans, mit über 4.000 Meter hohen Gebirgszügen und einer uralten, versunkenen Kultur. Noch nie hatte ein Europäer den Fuß dorthin gesetzt.
Wie immer reiste Freya Stark allein und unter einfachsten Bedingungen: Ihr Gepäck passte in zwei Satteltaschen. Sie trug Hosen und weite Umhänge, aß, was die Einheimischen aßen, nächtigte oft unter freiem Himmel. Und auf Befehl der jeweiligen Dorfältesten, durch deren Gebiete sie zog, begleiteten sie meist ein oder zwei Führer.
"In den Ländern, in denen ich unterwegs war, hatte ich nie Angst. Schließlich reiste ich mit dem aufrichtigen Drang nach Wissen. Das wird, soweit ich das beurteilen kann, überall im Osten respektiert. Und dann sprach ich natürlich die Sprachen der Einheimischen. Und das verändert die Situation grundlegend."
Sesshaft mit 90
In ihren Büchern berichtet sie mit viel Selbstironie und konsequent historischem Blick von ihren Reisen, erzählt von antiker Geschichte und aktuellen Ereignissen, von Begegnungen mit Menschen und Landschaften.
In "Pässe, Schluchten und Ruinen" etwa folgt sie den Spuren Alexander des Großen durch den Südtaurus. Ihr Buch "Im Tal der Mörder" über ihre Persienreisen wurde zum Bestseller und brachte ihr weltweit Anerkennung. Als erste Frau erhielt sie die Burton Medaille der Royal Asiatic Society.
Mit 88 Jahren brach Freya Stark zum letzten Mal auf - in den Himalaja:
"Wenn man ein Risiko eingeht, muss man abwägen zwischen dem Vergnügen am Abenteuer oder der Erregung am Erfolg - und Misserfolg. Mit 88 zeigt die Waage glücklicherweise auf Erfolg. Denn: Wenn man scheitert, scheitert man eben. Was macht's?"
In Norditalien wurde die 90-Jährige endlich sesshaft. Sie, die immer wieder losgezogen war, um Neues zu entdecken, starb dort 1993 - im Alter von 100 Jahren.